Buchbesprechung

von Geoffrey Grünwald

Editorial

Eberhard Teuscher & Ulrike Lindequist:
Biogene Gifte

Gebundene Ausgabe: 963 Seiten
Verlag: Wissenschaftliche Verlagsges. Stuttgart; Auflage: 3., neu bearb. u. erw. Aufl. (22. Januar 2010)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3804724388
ISBN-13: 978-3804724389
Preis: EUR 138,00

Editorial
Schwer verträglich?

Das Pauken von Toxikologie muss kein reines Vergnügen sein, aber zur Quälerei sollte die Lernerei auch nicht ausarten. Haben die Verfasser des nachfolgend besprochenen Lehrbuchs ihre Arbeit gut gemacht?

Spaziert man über eine bunte Wiese, so sieht man ringsum allerlei Pflanzen und Getier. Die meisten von uns (sofern nicht Botaniker oder Zoologen) kennen davon Löwenzahn, Sauerampfer und vielleicht noch Klee. Und natürlich die Auffälligen, Giftigen, vor denen uns schon die Oma immer warnte: die gelb-schwarz gestreiften „Käfer“, die weiß-gepunkteten Pilze und die schwarzglänzenden „Beeren“. Ist doch einfach: Gift erkannt, Gefahr gebannt! Dass dies eben nicht immer so trivial ist, erfahren wir im Werk „Biogene Gifte“ aus dem Hause der Wissenschaftlichen Verlagsgesellschaft. Denn schon Theophrast Bombast von Hohenheim (alias Paracelsus) soll gesagt haben: „All Ding‘ sind Gift und nichts ist ohn‘ Gift; allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift ist.“

Die Geschichte mit dem Gift aus der Natur genauer erläutern kann der Apotheker Eberhard Teuscher. Der hatte ehemals die Professur für Pharmazeutische Biologie an der Universität Greifswald inne, bevor er das Zepter an Ulrike Lindequist weitergab. Emeritus und Nachfolgerin haben sich zusammengetan, um uns mit einem Werk über weltweit in der Natur vorkommende Gifte und deren Biologie, Chemie, Pharmakologie und Toxikologie zu erleuchten. Es heißt Biogene Gifte.

Zur Einleitung erhält der Leser einen Crashkurs zum besseren Verständnis der Zusammenhänge und Begrifflichkeiten. Leider fehlen dem Lehrbuch in diesen einleitenden Kapiteln Abbildungen oder Schemata, die die pharmakologisch-toxikologischen Wirkmechanismen verbildlichen würden; diese sind zwar ausführlich, jedoch zu textlastig erklärt – zumal heutige Studenten darauf getrimmt sind, beim Durchwälzen ihrer Bücher nach hilfreichen Grafiken zu suchen, die ihnen das Lesen des Textes ersparen könnten. Nein, leicht machen es die Autoren dem Leser nicht. Auch wird man sich schwer tun, ohne chemisches und pharmakologisches Grundverständnis die strukturchemischen Besonderheiten und damit zusammenhängenden Wirkungsweisen zu verstehen.


Textlastig, aber gut bebildert

An die Einleitung hängen sich noch 56 weitere, ebenfalls textlastige Kapitel, die die Gifte nach biogenetischer Herkunft und ihrer chemischen Grundstruktur ordnen. Die Struktur und Wirkungsweise der Substanzen werden erläutert; ferner wird anhand zahlreicher Beispiele gezeigt, wie man sie herstellt und nutzt – und wie man Vergiftungen medizinisch behandelt. Die Autoren stellen die Gifte hierbei nicht nur als Gefahr dar, sondern zeigen auch den möglichen Nutzen für medizinische Zwecke auf.

Die zahlreichen Abbildungen (zumeist Farbfotos von Giftproduzenten und -Verwendern) und auch die zumeist hochkomplexen Strukturformeln sind auf höchstem Niveau, auch wenn sich ein paar kleine Fehler bezüglich der Stereochemie eingeschlichen haben. Am Ende jedes Kapitels wartet, wie man es auch von guten Publikationen gewohnt ist, eine fein säuberlich zusammengestellte Liste von Literatur-Referenzen, auf welche bereits im vorangegangenen Text des Kapitels verwiesen wird. Der Text ist übersichtlich: Wichtige Vergiftungssymptome sind farblich hinterlegt, Schlagworte fett gedruckt, und die Autoren verwenden Schlüsselsymbole, um die einschlägigen Vergiftungscharakteristika optimal hervorzuheben.


Gut aufbereitete Faktenfülle

Biogene Gifte ist sehr umfangreich und detailliert; allein das Sachverzeichnis umfasst 70 Seiten. Damit eignet sich das Buch auch prima als Nachschlagewerk. Die Spannung eines guten Thrillers können Teuscher und Lindequist wegen der überbordenden Auflistung purer Fakten zwar nicht liefern; trotzdem lassen sich die einzelnen Kapitel auch für Nicht-Experten ohne allzuviel Selbstüberwindung lesen und verstehen. Jedem, der eine unschlagbare Fülle an fundierten und gut aufbereiteten Informationen aus der Welt der biogenen Gifte sucht, kann das Buch uneingeschränkt empfohlen werden. Da können Sie Gift drauf nehmen.


Letzte Änderungen: 30.10.2011