Editorial

Malaria

von Petra Stöcker (Laborjournal-Ausgabe 10, 2009)


Malaria

Schon Alexander der Große kannte und fürchtete das Sumpffieber.

Nervtötendes Sirren, ein schlaftrunkenes Wedeln mit der Hand, dann Stille. Alexander dreht sich auf seiner Pritsche um und schläft weiter, nicht ahnend, dass Anopheles ihm ein Geschenk hinterließ: Malaria, steter Begleiter der Menschheit durch die Jahrtausende. Ob Alexander der Große schließlich an Malaria starb oder am Suff, ist nicht überliefert.

Die Römer vermuteten, dass verpestete Luft in Sumpfgebieten die Krankheit hervorrufe (ital. mala aria oder mal‘aria = „schlechte Luft“) – daher auch der Name „Sumpffieber“. Auslöser der Tropenkrankheit sind jedoch einzellige Parasiten der Gattung Plasmodium. Diesen Zusammenhang erkannte der französische Militärarzt Charles Louis Alphonse Laveran im Jahr 1880. 1907 erhielt er den Nobelpreis für Medizin.

Beim Menschen werden bislang drei Haupttypen der Malaria unterschieden, ausgelöst von vier der rund 200 Plasmodium-Arten: Malaria tropica (Erreger: Plasmodium falciparum) ist die für den Menschen bedrohlichste Erkrankung, und damit P. falciparum der für den Menschen klinisch bedeutsamste Erreger. Daneben gibt es Malaria quartana (Erreger P. malariae) und Malaria tertiana (P. vivax und P. ovale). 2008 entdeckte eine internationale Forschergruppe um Arnab Pain vom britischen Wellcome Trust Sanger Institute in Cambridgeshire einen weiteren Vertreter: Plasmodium knowlesi, der bislang hauptsächlich Javaneraffen plagte (Nature 2008, 455(7214):799-803). Seitdem infizieren sich auffällig viele Menschen mit P. knowlesi, vor allem in südasiatischen Ländern.


Wirtswechsel

Der Lebenszyklus von Plasmodien beinhaltet einen Wirtswechsel zwischen Stechmücken der Gattung Anopheles, in denen sich die Parasiten geschlechtlich fortpflanzen, und Wirbeltieren, in denen eine ungeschlechtliche Vermehrung stattfindet (Schizogonie).

Zapft Anopheles den Zwischenwirt Mensch an, sondert sie mit ihrem Speichel zehn bis fünfzehn Erreger im Sporenstadium (Sporozoiten) ab. Über das Blut gelangen die Sporen zur Leber, wo sie vermutlich über Kupffer-Zellen in Hepatozyten einwandern. Dort reifen sie zu Leberschizonten heran und vermehren sich je nach Art in zwei bis 16 Tagen massiv. Diese exoerythrozytäre Phase verläuft bei Säugetieren in der Regel symptomlos. Platzt der Leberschizont, gelangen die Merozoiten (bis zu 30.000 pro Schizont) in die Blutbahn, wo sie rote Blutkörperchen befallen (erythrozytäre Phase).

Erythrozyten bieten für intrazelluläre Pathogene nicht die üblichen Annehmlichkeiten, wie einen Zellkern und ein vesikuläres Transportsystem. Plasmodien meistern diese Herausforderung, indem sie die Blutkörperchen nach ihren Bedürfnissen ummodellieren. Von ihrer Residenz in einer speziellen Vakuole aus entlassen sie eigene Proteine in das Erythrozyten-Zytoplasma. Die Plasmodienproteine müssen hierfür die Parasitenmembran und die Vakuolenmembran passieren. Ein australisches Forscherteam um Tania de Koning-Ward des Walter und Eliza Hall Institute of Medical Research in Melbourne hat kürzlich einen Proteinkomplex (Plasmodium Translocon of exported proteins, kurz PTEX) innerhalb der Vakuolenmembran identifiziert, der eine bestimmte Aminosäuresequenz der zu exportierenden Parasitenproteine erkennt und diesen die Membranpassage ermöglicht (Nature 2009, 459:945-9).

Die Merozoiten reifen in den Erythrozyten zu Trophozoiten heran und vermehren sich erneut ungeschlechtlich. Je nach Art dauert dies ein bis drei Tage. In Primaten führt die gleichzeitige Freisetzung von Merozoiten aus vielen Blutschizonten, begleitet von der Ausschüttung toxischer Substanzen, zu den periodischen Fieberschüben bei Malaria.

Einzelne Trophozoiten entwickeln sich im Erythrozyten zu Geschlechtszellen. Wenn ein Blut saugendes Moskitoweibchen diese aufnimmt, differenzieren sie sich im Insektendarm in weibliche und männliche Keimzellen (Gametozyten), welche miteinander verschmelzen. Die Zygote wandelt sich in der Darmwand zu einer Oozyste um. In dieser bilden sich innerhalb von 8 bis 16 Tagen durch vielfache Zellteilung viele neue Sporozoiten. Die neue Plasmodiengeneration wandert in die Speicheldrüsen der Mücke und steht für den erneuten Wirtswechsel bereit.


Anpassung an den Menschen

Der ausgeklügelte Lebenszyklus des Parasiten hat sich im Lauf der Zeit perfekt an den Menschen angepasst. Ursprünglich bevorzugte Anopheles als Zwischenwirte Huftiere und Affen. Die Heimat von Anopheles sind Feuchtsavannen. Ihre Larven wachsen in besonnten Pfützen heran, wie sie während der Regenzeit auftreten. Durch das Roden der tropischen Regenwälder schuf der Mensch dauerhafte Brutstätten. Anopheles fand nun stets geeignete sonnige Wasserstellen vor. Da die ersten Bauern, die in den afrikanischen Tropenwald vordrangen, vermutlich kaum Vieh besaßen – es wäre dort von der Schlafkrankheit dezimiert worden, die ebenfalls von Moskitos übertragen wird – mussten sich die Moskitoweibchen das Blut vom Menschen holen.

Denkbar ist, dass Menschen oft von mehreren, leicht unterschiedlichen Erregerstämmen gleichzeitig infiziert wurden. Die traten nun in Konkurrenz zueinander. Vermutlich hat sich ein Parasitenstamm entwickelt, der sich im Menschen besonders rasant vermehrte und dadurch die anderen übervorteilte. So könnte im Zuge wiederholter Epidemien die hochvirulente Malaria tropica entstanden sein. Nach Schätzung der Weltgesundheitsorganisation erkranken jährlich über 300 Mio. Menschen an Malaria, neunzig Prozent davon in Schwarzafrika. Malaria ist heilbar, vorausgesetzt es sind rechtzeitig Medikamente verfügbar, gegen die die örtlichen Erreger noch keine Resistenz ausgebildet haben.





Letzte Änderungen: 06.10.2009