Editorial

Ribophagie

von Petra Stöcker (Laborjournal-Ausgabe 6, 2008)


Ribosom

Ribosom bei der Arbeit

Bei einer Diät ist Eingemachtes tabu - nicht so bei Hunger-leidenden Zellen. Sie gehen bei Nährstoffmangel ans Eingemachte, sogar an ihre Organellen. In eukaryotischen Zellen werden Proteine und Organellen entweder schnell und einfach über das Ubiquitin-Proteasom System (UPS) oder durch den so genannten "Autophagie"-Prozess in der Vakuole entsorgt (vergleiche LJ 3/2005, Seite 32).

Diese Verdauung zelleigener Strukturen läuft in mehreren Schritten ab und betrifft teils unspezifisch, teils spezifisch Protein-Aggregate und fehlkonstruierte oder überschüssige Organellen. Man kennt das von angeschlagenen Mitochondrien. Die werden durch so genannte "Mitophagie" sorgsam in Autophagosomen eingehüllt und aus dem Verkehr gezogen, um oxidativen Schaden für die Zelle zu vermeiden.


Energieintensiver Prozess

Nun hat das Team um Claudine Kraft und Matthias Peter vom Institut für Biochemie an der ETH Zürich einen weiteren Typ der selektiven Autophagie speziell für Ribosomen entdeckt, den sie "Ribophagie" tauften (Nat Cell Biol 10(5):602-10).

Ribosomen synthetisieren in Abhängigkeit von Magnesium, Translationsfaktoren und mRNA Proteine. Ribosomen bestehen typischerweise aus der großen und der kleinen Untereinheit (die jeweils wieder aus mehreren Proteinen und RNAs bestehen). Die kleine Untereinheit ist für die Erkennung der mRNA zuständig, die große Untereinheit verknüpft einzelne Aminosäuren zu einer Kette (Peptidyltransferaseaktivität).

Die eigentliche Katalyse besorgt die ribosomale RNA (rRNA). Beide Untereinheiten (60S und 40S bei Eukaryoten, 50S und 30S bei Prokaryoten) werden bei Eukaryoten unter großem Kraftaufwand in den Nucleoli innerhalb der Zellkerne gebildet und dann durch die Kernporen ins Zytoplasma geleitet. Sowohl die Biogenese der Ribosomen als auch ihre Übersetzungsarbeit zählen zu den energieaufwendigsten zellulären Prozessen. Klar, dass diese Prozesse bei Nährstoffknappheit zu den ersten gehören, die gekappt werden. In "fetten" Zeiten dagegen bilden eukaryo-tische Zellen mehr als 2.000 ribosomale Einheiten pro Minute, womit Ribosomen knapp fünfzig Prozent des Proteinanteils in wachsenden Zellen ausmachen.

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"Erwachsene" Ribosomen sind stabil (Halbwertszeit von mehreren Tagen). Deshalb müssen Mechanismen existieren, die in mageren Zeiten die energieräuberischen Organellen abbauen. Die Zürcher Forscher enthielten den Zellen der Paradehefe Saccharomyces cerevisiae sämtliche Nährstoffe vor. Zusätzlich markierten sie kleine und große Ribosomen-Untereinheiten mit dem grün fluoreszierenden Protein GFP. Ubiquitin als Schutz Nach etwa fünfzehn bis zwanzig Stunden des Hungerns sammelte sich der grüne Schein in der Vakuole an. Aber vielleicht werden Ribosomen zufällig durch unselektive, schüttgutartige Aufnahme von Zytoplasma in die Autophagosomen beseitigt? Dagegen sprach ein Vergleich der Geschwindigkeit des Abbaus ribosomaler mit der von zytoplasmatischen Proteinen. Die Organell-Proteine hatten klar die Nase vorn, was für deren selektiven Abbau spricht. Doch ohne das Polypeptid Ubiquitin (Ub) geht's auch dabei nicht.

Im Normalfall wird ein dem Untergang geweihtes Eiweiß mit mehreren Molekülen Ub markiert (poly-ubiquitinyliert), um dann im Proteasom fein und klein gehackt zu werden. Nach den Ergebnissen der Zürcher Wissenschaftler schützt jedoch eine Mono-Ubiquitinierung der ribosomalen Untereinheiten die ausgereiften Ribosomen vor dem zellulären Selbstverdau.

Diese Mono-Ubiquitinierung ist als Regulation eines Autophagie-Prozesses neu. Eine Ubiquitin-Protease Ubp3p und ihre regulatorische Untereinheit Bre5p, die zusammen Ubiquitin von Proteinen abspalten, nimmt denn auch bei der Ribophagie eine zentrale Rolle ein. Hefemutanten mit fehlendem oder katalytisch defektem Protease-Gen betrieben keine selektive Ribophagie, sondern halfen sich durch unselektiven Massen-Abbau zytoplasmatischer Proteine.

Den Startschuss für die Ribophagie gibt allerdings nicht ein allgemeiner autophagischer Abbauprozess. Es muss vielmehr von einem Zusammenspiel der Mechanismen von Autophagie und Ub-Proteasom-Abbau ausgegangen werden. Kraft und Peter haben in ihren Untersuchungen verschiedene Gene dieser Abbauwege mutiert, mal Autophagie, mal Ribophagie und so weiter, und konnten dennoch eine Ansammlung von GFP-markierten Ribosomen-Untereinheiten in den Vakuolen zur Zerkleinerung feststellen.

Obwohl beide Ribosomen-Untereinheiten die Ribophagie durchlaufen, wird nur der Abbau der großen 60S-Untereinheit durch die aktive Ubp3p/Bre5p-Ub-Protease reguliert. Die kleine Untereinheit bedient sich wohl eines anderweitig kontrollierten Mechanismus.


Anpassung an Hungerzeiten

In Hungerzeiten werden die beiden Untereinheiten zuerst voneinander getrennt. Die größere 60S-Einheit wird für den selektiven Abbau markiert, indem der Enzymkomplex Ubp3p/Bre5p das Ub-Molekül direkt von der 60S-Einheit oder einem ihm anhängenden Protein abschneidet. Dies geschieht entweder vor oder nach der Aufnahme in ein Transportbläschen, welches dann seine Fracht zum enzymatischen Abbau in eine Zellvakuole überführt.

Demnach hilft der spezifische Abbauweg der Ribophagie der Zelle dabei, sich schnell an Hungerperioden anzupassen. Zudem stellt der Abbau von überschüssigen Ribosomen der wachsenden Zelle Baumaterial zur Verfügung. Schließlich werden in einer Art Qualitätsmanagement der Translation beschädigte Ribosomen recycelt.







Letzte Änderungen: 25.07.2008