Brassinosteroide

von Ralf Neumann (Laborjournal-Ausgabe 07, 1996)


Editorial
Lange gekannt, lange verkannt, Daß Pflanzen Steroide produzierend ist ein zwanzig Jahre alter Hut. Auch daß sie Zellteilung und —wachstum, sowie Differenzierungsvorgänge in Pflanzen stimulieren, wissen Pflanzenforscher schon länger. Trotzdem forderten bisher allenfalls Außenseiter Pflanzensteroide als Vollmitglied in die Riege der Pflanzenhormone aufzunehmen. Die strenge Mehrheit blieb bei den klassischen Fünf-, Auxine, Gibberelline, Cytokinine, Ethylen und Abscissinsäure. Neuerdings aber purzeln nur so Ergebnisse in die besseren Journals, die kaum noch Zweifel lassen an dem, was pflanzliche Steroide wirklich sind: die sechste Hormonklasse.

Ende der Siebziger sammelten fleißige Bienen 226 kg Rapspollen, woraus fleißige Forscher 10 mg eines Stoffes isolierten, der das Wachstum von Sproßsegmente förderte. Er erwies sich als Steroid - und da der Raps lateinisch Brassica napus heißt, nannten sie es Brassino-steroid oder Brassinolid. Heute weiß man, daß sämtliche Pflanzen Brassinosteroide produzieren. Auch wie, ist bekannt: Aus Campesterol oxidiert, reduziert und epimerisiert sich die Pflanze über einige Zwischenstufen ihre Brassinolide zurecht. Doch nicht die wenigen Brassinosteroid-Getreuen lieferten die nun umjubelten Ergebnisse, Andere vielmehr, die Wachstums- und Entwicklungsmutanten analysierten, stießen auf die Brassinolide wie Kolumbus auf Amerika. Joanne Chory in Kalifornien etwa, oder Csaba Koncz in Köln.
Editorial

Beide suchten nach dem genetischen Geheimnis zweier Arabidopsis-Mutanten, die ihnen einen Hauptschalter der lichtgesteuerten Entwicklung enthüllen sollten. Chorys det2 wie auch Koriczs cpd nämlich wuchsen im Dunkeln, als stünden sie im Licht- Grün und kurz, statt bleich und lang - de-etioliert nennt man das. Im Licht indes wuchsen sie als kurze Zwerge mit einer Reihe von Entwicklungsstörungen. Beide Teams klonierten schließlich "ihre" Gene und fanden Sequenzen mit guter Homologie zu Enzymen der Säuger-Steroidsynthese: det2 ähnelte der Steroid 5a-Reduktase, cpd als Cytochrom P4SO-Enzym einigen Steroidhydroxylasen. Beides Enzyme pflanzlicher Steroid-Synthese also? Und somit keine Steroide in den Mutanten? Wohl ja, denn als Chory und Koncz diese mit Brassinoliden fütterten, benahmen sie sich wie Wildtyp - in Dosis-abhängiger Weise. Die fünf klassischen Pflanzenhormene dagegen veränderten die mutanten Phänotypen kein bißchen.

Damit war klar: Brassinosteroide steuern allein und unabhängig komplexe pflanzliche Entwicklungsvorgänge. Wie die anderen Hormone. Zumal in zwei weiteren Winzling-Mutanten ebenfalls die Brassinolid-Synthese gestört scheint - in der Tomate dwarf und in dim, ebenfalls Arabidopsis.

Natürlich wollen jetzt alle den Wirkmechanismus wissen. Und schielen rüber zu den Tieren, wo Steroidwirkung ja schon lange entschlüsselt ist. Immerhin, Brassinolid-gesteuerte Pflanzengene kennt man schon, und Brassinolid-unempfindliche Mutanten hat man auch. Der Rezeptor ist eingekreist, könnte man meinen. Doch Vorsicht- Für vier der fünf klassischen Hormone sucht man immer noch die Rezeptoren. Seit Jahrzehnten. Allein den Ethylenrezeptor kennt man seit kurzem.


Letzte Änderungen: 19.10.2004