Läuft wie geschmiert

(14.07.2022) Das Hamburger Start-up Colipi lässt Hefen für sich arbeiten, um Lebens­mittel- und Kosmetikindustrie mit nachhaltigen Fetten und Ölen zu versorgen.
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Editorial

Der Clou: Die Hefe-Fermentation wird mit einem Prozess gekoppelt, bei dem entstehendes Kohlenstoff­dioxid direkt wieder umgesetzt und somit gebunden wird. Colipi-CEO Maximilian Webers (im Bild) über Lebens­mittellücken, Okara und weinrote Margarine.

Herr Webers, wenn in den Medien über Colipi berichtet wird, geht es um Palmöl. Ist das Colipis Fokus?
Maximilian Webers: Es war keine strategische Entscheidung, ausschließlich Palmöl zu ersetzen. Wir wollen generell pflanzliche Öle substituieren. Bei den Menschen spielt Palmöl aktuell einfach eine größere Rolle, ist mehr im Bewusstsein als etwa Sojaöl. Chemisch gesehen können wir aber beide Öle nachbilden, genauso wie Kakao- oder Sheabutter.

Warum brauchen wir denn überhaupt Ersatz für diese Fette und Öle?
Webers: Der Ölverbrauch weltweit steigt und wird weiter wachsen. Gleichzeitig nehmen – vor allem wegen des Klimawandels – die Erträge pro Fläche ab. Hinzu kommen ökologische Hebel wie der Verzicht auf Spritzmittel oder übermäßige Düngung, die ebenfalls den „Crop Yield“ pro Fläche senken. Wir haben also mehr Nachfrage auf der einen und weniger Produktion auf der anderen Seite. Das wird in den nächsten Jahren zu einer großen Lebensmittel­lücke führen. Hier können Colipi und andere Biotechnologie-Firmen Öle und Proteine beisteuern, um diese Lücke zu schließen. Biotechnologie hat das Potenzial, nachhaltig und trotzdem marktwirt­schaftlich zu produzieren. Daran glauben wir.

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Sie sagen ‚wir‘. Gegründet haben sie zu viert. Wie kam es dazu?
Webers: Im Jahr 2020 rief mich Philipp Arbter an. Wir hatten uns 2009 während des Biotechnologie-Studiums in Berlin kennengelernt und sind seitdem befreundet. Ich hatte zwischenzeitlich einen Abschluss in Wirtschafts­wissenschaften gemacht und bei verschiedenen Firmen im Projekt­management gearbeitet. Philipp sagte: „Ich habe jetzt meine Doktorarbeit so gut wie fertig und möchte die Technologie, die ich in den letzten Jahren entwickelt habe, vermarkten. Bist du dabei?“ Wollte ich. Unsere zwei Mitgründer Jonas Heuer und Tyll Utesch haben wie Philipp am Institute of Bioprocess and Biosystems Engineering der TU Hamburg promoviert, sie waren quasi Labornachbarn. Damit war unser Gründungs­team komplett. Wir haben uns dann auf ein EXIST-Forschungs­transfer-Stipendium beworben und im zweiten Durchlauf auch bekommen. Im Juli 2021 kam die Zusage, seit November 2021 arbeiten wir Vollzeit am Projekt Colipi.

Was bedeutet der Name Colipi?
Webers: Colipi ist ein Kunstwort. Wir wollen unsere Öle als „Carbondioxide Neutral Lipids“ produzieren, daraus wurde irgendwann CO2-free Lipids. Das ist aber recht umständlich und mit der indizierten Zwei nicht wirklich überzeugend. Also haben wir weiter gekürzt und sind bei Colipids gelandet. Das war uns noch immer zu wissen­schaftlich – für die Allgemeinheit. So wurde Colipi draus.

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… was nicht nur klingt wie „Kolibri“. Der Vogel ist auch Teil des Logos.
Webers: Ja, wir haben uns damals angeguckt, gegrinst und festgestellt: Was für ein niedlich klingender Name, der auch noch an einen Vogel erinnert. Tatsächlich hat Colipi aber mit dem Kolibri nichts zu tun, außer natürlich, dass wir mit unseren Ölen Regenwald retten wollen, auch den, in dem Kolibris leben.

Auf Ihrer Website schreiben Sie: „Yeast oils are superior to both fossil and vegetable alternatives“. Jetzt sagen Sie, dass Ihre Öle Regenwald retten. Das sind hehre Ziele. Wie wollen Sie das erreichen?
Webers: Ich denke, über fossile Öle müssen wir nicht reden. Sie sind endlich und haben eine wirklich schlechte CO2-Bilanz. Aber auch pflanzliche Öle sind nicht optimal. Pflanzen binden zwar erst einmal Kohlenstoff­dioxid, wenn sie wachsen. Ölpflanzen wie Raps oder Palmen benötigen aber gigantische Anbauflächen und mitunter große Mengen an Dünger. Damit ist die Ökobilanz auch wieder hin. Für unsere Öle benötigen wir keine großen Ackerflächen, denn die Hefen wachsen im Bioreaktor. Und einen besseren CO2-Fußabdruck erreichen wir, indem wir zwei Prozesse koppeln: Die Hefe-Fermentation, bei der die Hefen nutzbare Lipide synthetisieren, und ein Carbon Capturing, bei dem Bakterien entstandenes CO2 in Anwesenheit von Wasser- und Sauerstoff direkt wieder zu komplexen Kohlen­hydraten umsetzen.

Letzteres ist kniffelig. Warum?
Webers: Die Fermentation mit oleogenen Hefen wie typischerweise Yarrowia lipolytica, Rhodosporidium toruloides oder Trichosporon oleaginous ist nicht neu. Wir optimieren die Wachstums­bedingungen, etwa die Verfügbarkeit bestimmter Nährstoffe sowie Faktoren wir pH-Wert und Temperatur. Hier gibt es kaum ein technisches Risiko zu skalieren. Aber wir wollen den gesamten Prozess nachhaltig gestalten und uns so von anderen Start-ups absetzen. Wir decarbonisieren den Hefeprozess mit einem parallelen bakteriellen CO2-Capturing. Ansonsten sind Hefen und Bakterien nämlich ganz schöne CO2-Schleudern. Aus dem Zucker der Nahrung machen Hefen 50 Prozent Kohlenstoff­dioxid und 50 Prozent Biomasse, davon bis zu 70 Prozent Öl. Das bedeutet aber auch, dass ohne das Carbon Capturing der CO2-Fußabdruck unserer Öle nicht besser wäre als der pflanzlicher Öle. Das Capturing auf industrielle Maßstäbe zu skalieren, ist aktuell noch der Knackpunkt. Es fehlen Erfahrungs­werte, hier müssen wir noch tüfteln und weiter­entwickeln.

Nachhaltig soll nicht nur die CO2-Bilanz werden. Welche Ideen gibt es sonst noch?
Webers: Wir experimentieren mit verschiedenen Kohlenstoff-Quellen für unsere Hefe, etwa Melasse, ein Neben­erzeugnis aus der industriellen Zucker­produktion, oder Okara, das als Nebenprodukt bei der Herstellung von etwa Tofu anfällt. Denn es bringt ja nichts, die Hefen mit aufwendig aufbereitetem Zucker zu füttern, für dessen Produktion man gleichzeitig wieder große Zuckerrüben- oder Zuckerrohr­felder benötigt. Außerdem wollen wir unsere Öle in Europa, optimalerweise lokal in Deutschland, herstellen, um kurze Lieferketten zu gewährleisten.

Welche Lipide, in welcher Form, produziert Rhodosporidium toruloides?
Webers: In den Hefen sind die Lipide in Vesikeln, Liposomen, eingeschlossen, wie kleine Fettbläschen. Es sind Triacyl­glycerole, die chemisch den gängigen Fetten und Ölen – wie eben Kakaobutter oder Palmöl – sehr ähnlich sind.

Das heißt, Sie können diese Lipide – nach einer Aufreinigung – direkt nutzen?
Webers: Genau. Auch Palmöl muss zunächst aufgereinigt werden, denn in seiner natürlichen Form ist es rot, wegen verschiedener Carotinoide. Und niemand möchte weinrote Margarine oder grell orange­farbene Creme. Lipide aus Hefen verhalten sich hier aber genauso wie die pflanzlichen Öle.

Sie können also auf bestehende Prozesse der Öl-verarbeitenden Industrie zurückgreifen, ohne Modifikationen?
Webers: Das ist richtig, wir haben das bereits getestet. Zum Beispiel haben wir unser Öl bereits verseift und man kann sich wunderbar damit die Hände waschen. In einer Creme eines Kosmetik­konzerns sind zudem fünf Prozent Colipi-Öl. Auch das hat ohne Probleme funktioniert. Wir sind in Gesprächen mit zahlreichen Kosmetik­firmen, die alle sehr interessiert an den Lipiden aus Hefen sind.

Das hat nun aber recht wenig mit „Lebensmittel­lücke“ zu tun, oder? Beschränkt Colipi sich erst einmal auf die Anwendung der Öle in Kosmetika?
Webers: Nein, unser großes Ziel ist die Lebensmittel­industrie. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, die Ölpreise zu reduzieren und alle nötigen Zulassungen zu erhalten. Für Lebensmittel gibt es den recht aufwendigen European-Novel-Food-Prozess, der zudem bis zu 24 Monaten dauert. Das ist eine große Hürde, vor allem rechtlicher Natur. Außerdem spielt Verfügbarkeit eine Rolle. Für Lebensmittel brauchen wie nicht mit ein paar Kilos oder Tonnen Öl anzufangen, da sollten es schon ein paar Hundert Tonnen sein. In der Zwischenzeit adressieren wir eben auch die Kosmetik­industrie.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief Colipi
Gründung: 2022
Sitz: Hamburg
Mitarbeiter: Vier Personen Vollzeit + zwei Hiwis
Produkt: Öle – für Kosmetika und Lebensmittel – aus Hefe

Bild: Pixabay/skyqxb & Colipi (Porträt)


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Letzte Änderungen: 12.07.2022