Das neongrüne
Portal

(17.05.2022) … befindet sich in der Uni-Mensa und ist meistens geschlossen. Das sorgt bei unserer TA allerdings für reichlich Spannung.
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Editorial

Ein Großmeister der Spannungs­literatur soll einst gesagt haben: „Es gibt nichts Beängsti­genderes als eine geschlossene Tür.“ Damit hatte er recht.

Im hinteren Bereich unserer Mensa gibt es eine solche Tür. Sie führt in die Küchenräume. Und wenn sie nicht gerade von den Mensa-Mitarbeitern passiert wird, ist sie geschlossen.

Seit ein paar Wochen fürchte ich mich vor dieser Tür, denn sie öffnet sich nicht zur Küche, sondern zur Mensa hin. Jahrelang bin ich arglos daran vorbei­gegangen, habe sie kaum zur Kenntnis genommen. Bis meine Kollegin bei einem gemeinsamen Mittagessen beiläufig bemerkte: „Ich gehe überhaupt nicht gern mit einem vollen Tablett in der Hand an dieser Tür vorbei. Man weiß nie, wann sie aufgeht!“

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Ich aß meine Nudeln mit leisem Gruseln. Erst jetzt wurde mir klar, wie sehr ich diese Tür all die Jahre unterschätzt hatte. Da lag sie also auf der Lauer, gut getarnt, im selben Neongrün gestrichen wie die sie umgebende Wand. Praktisch unsichtbar. Wie ein lauernder Gepard, dessen Konturen sich im hohen Gras der Savanne auflösen.

Nachdem ich ein paar Nudeln lang darüber nachgedacht hatte, stand für mich fest: Meine Kollegin hat recht. Die Tür harrt ahnungsloser Gäste, denen sie beim Aufgehen das vollbeladene Tablett aus der Hand schlagen kann. Hatte ich ein Glück, dass sie mich in all den Jahren meiner Ahnungs­losigkeit nicht erwischt hatte.

Jetzt war ich jedenfalls gewarnt und ging möglichst rasch an der lauernden Tür vorbei. Mit angespannten Muskeln, wie eine zum Sprung bereite Gazelle.

Eine geschlossene Tür erzeugt also tatsächlich Spannung. Jedenfalls Körper­spannung.Ob der Großmeister das allerdings wirklich so gemeint hat? Er führte die spannungs­steigernde Wirkung geschlossener Türen wohl eher auf die Ungewissheit zurück, die durch den verstellten Blick entsteht. Was wir fürchten ist ja eigentlich nicht die geschlossene Tür, sondern das Unbekannte dahinter.

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In meinem Fall machte das die Sachlage aber nicht wirklich besser. Gewiss, die Wahrschein­lichkeit ist groß, dass hinter der neongrünen Tür alles mit rechten Dingen zugeht, aber davon lässt sich die menschliche Phantasie nicht aufhalten.

Befindet sich hinter der Tür vielleicht ein Dimensions­portal, die Pforte des Todes oder tatsächlich eine Küche? Und wenn ja, welcher Art ist diese? Möglicherweise kommt man durch die Tür ja geradewegs in Teufels Küche.

Andererseits ist das, was aus der Tür herauskommt, in diesem Fall völlig unwichtig. Wer auch immer aus der Tür tritt, ob Außerirdischer, Sensenmann oder Mensa-Mitarbeiter, jeder von denen schlüge mir ohne Unterschied mit dem Türblatt das Tablett aus der Hand. Denn mit einem voll beladenen Essens­tablett in den Händen gestaltet sich ein Ausweich­sprung selbst für die gelenkigste Gazelle in der Savanne schwierig.

Maike Ruprecht


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