In streng geheimer
Mission

(12.04.2022) Ein Kollege ist spurlos verschwunden. Wo kann er nur sein? – fragt sich nicht nur unsere TA in ihrer aktuellen Kolumne.
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Editorial

Soeben habe ich um ein Haar den guten Ruf eines Kollegen auf immerdar ruiniert – und ihm ein lasterhaftes Image angehängt.

Alles begann mit einer ganz harmlosen Antwort auf eine ganz harmlose Frage. Die harmlose Frage hatte eine unserer Master-Studentinnen zur freien Beantwortung in den Raum gestellt und lautete: „Wo ist Timo?“

Die harmlose Antwort kam von mir: „Der kann nicht weit sein. Meines Wissens hat er keinen geheimen Ort, wo er hingeht.“

Dieser Antwort folgte allgemeines Kichern.

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Gerade als wir alle wieder unserem üblichen Treiben nachgehen wollen, zwinkert uns ein Doktorand im Vorbeigehen verschmitzt zu: „Woher weißt du das so genau?“

„Ich darf nicht darüber sprechen“, drehe ich den neckischen Spieß um.

Er bleibt abrupt stehen.

„Warum nicht?“

„Diese Information ist streng vertraulich“, erwidere ich. Doch jetzt wird er erst recht neugierig.

„Sag doch mal!“

„Es ist besser für dich, wenn du es nicht weißt.“

Er verzieht die Mundwinkel. „Dann gehe ich mal an die Sterilbank und pipettiere meinen Wachstums­assay“, brummt er und geht endgültig zur Tür.

„Sollten du oder eine deiner Cyano­bakterien dabei gefangen werden, werde ich jegliche Kenntnis von deiner Operation abstreiten“, rufe ich ihm nach.

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Oh, Mann – was denkt der bloß, was ich mit ‚geheimen Orten‘ gemeint habe? Dass Timo gelegentlich ein geheimes Liebesnest irgendwo auf dem Campus für ein Stelldichein aufsucht? Oder einen geheimen Ort, zu dem nur Auserwählte Zugang haben? Eine universitäre Area 51 mit Betten statt UFOs und Liebenden statt Aliens?

Alles woran ich gedacht hatte, drehte sich um die Arbeit. Gewächshaus, Mensa, Keller – an solche Orte hatte ich gedacht. Ich schwöre!

Viele meiner Kollegen haben solche Orte, die sie regelmäßig aufsuchen und deren Bezeichnung sie bei Aufbruch quasi codiert in den Raum rufen. Es wäre ja auch überflüssig, beispielsweise jedes Mal den vollen Satz auszusprechen: „Ich gehe rüber zur Arbeitsgruppe Sowieso und schau nach meinen Proteinkristallen.“ Dreimal die Woche müsste unsere Doktorandin, die gerade an der Kristallisation ihres Proteins arbeitet, das tun. Stattdessen sagt sie nur: „Ich geh runter!“ Und alle wissen Bescheid.

Wenn ich einen Kollegen aus dem Labor links nebenan suche, und es heißt: „Der ist unten!“ – dann weiß ich, ich finde ihn im Isotopenlabor eine Treppe tiefer.

Und meine TA-Kollegin geht sehr oft „rüber“ – womit sie das Gebäude des benachbarten Max-Planck-Instituts meint.

Wobei, weiß ich das wirklich sicher? Wäre einer dieser Kollegen tatsächlich in geheimer Mission unterwegs, dürfte er wohl kaum darüber sprechen. Vielleicht bezeichnet „unten“ doch ein geheimes Liebesnest im Keller, und „rüber“ ein Geheimlabor im Nachbargebäude.

Zehn Minuten später komme ich rein zufällig an den Sterilbänken vorbei. Timo ist nicht da! Da bleibt nur noch eine Frage offen: Ist Timo nun Geheim-Schwerenöter oder Geheim-Agent?

Übrigens: Dieser Text wird sich in fünf Sekunden selbst zerstören …

Maike Ruprecht


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