Basisdemokratische
Optogenetik

(09.03.2022) Beleuchtungs-Equipment für optogenetische Experimente ist teuer. Ein günstiger und unkomplizierter Eigenbau aus Bern könnte eine Alternative sein.
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Editorial

Anstelle eines Feuerwerks bot Innsbruck zu Silvester ein leuchtendes Gesamt­kunstwert. Fassaden berühmter Gebäude wurden über Nacht zu riesigen Projektions­flächen für abwechs­lungsreiche Lichtkreationen, die beim Publikum viele „Ahs“ und „Ohs“ auslösten. Noch diffizilere Lichteffekte und Reaktionen entstehen, wenn die Projektions­fläche keine Fassade, sondern eine Mikrotiter­platte ist – vorausgesetzt, die darin sitzenden Zellen haben die passende optogenetische Ausstattung.

LED-Lämpchen sind klein genug, um in jedes Well einer 96-Well-Platte individuelle Lichtsignale zu senden. Kommerzielle Geräte hierfür gibt es zwar, ihre Preise sind aber ziemlich happig. Wer sie sich nicht leisten kann, nutzt stattdessen meist das Fluoreszenz­mikroskop. Die Lichtstrahlen des Mikroskops regen Licht-responsive Elemente (Aktuatoren) an, die in der Zelle eine Reaktion auslösen, die zum Beispiel mithilfe fluores­zierender Reporter­moleküle verfolgt werden kann. Leider ist das beleuchtete Feld aber ziemlich klein – und das Mikroskop mitunter stundenlang blockiert. Für größere Kulturen sind lange LED-Streifen eine mögliche Option, doch mangels Bildauf­zeichnung können die ausgelösten Reaktionen nicht „live“, sondern nur biochemisch nach Zellaufschluss gemessen werden.

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Kein 3D-Drucker nötig

Um auch Gruppen mit kleinerem Budget optogenetische Experimente zu ermöglichen, konstruierte Olivier Pertz’ Team an der Universität Bern ein sogenanntes „LED Illumination Tool for Optogenetic Stimulation“ oder kurz LITOS, das man für wenig Geld selbst herstellen kann. Das Gerät der Schweizer besteht aus einfachen Komponenten für etwa 140 Euro, die sich ohne Lötkolben oder 3D-Drucker zusammen­bauen lassen und für die Steuerung keine Programmier­kenntnisse erfordern.

LITOS enthält eine Leiterplatte als Kontrolleinheit (Printed Circuit Board, PCB) sowie eine handelsübliche LED-Matrix mit 2.048 LED-Lämpchen (siehe Bild). Letztere sind im Abstand von drei Millimetern auf einer Gesamtfläche von 96x192 Millimetern in 32x64 Arrays angeordnet. Das bietet ausreichend Platz, um gängige 6-, 12-, 24-, oder 96-Well-Platten, zwei Petrischalen oder einen Kulturkolben zu beleuchten. Verzichtet man jeweils auf die kürzere Randzeile (Proben­positionen 2x8), kann man auch zwei 96-Well-Platten nebeneinander platzieren. Die einzelnen Wells dieser 16x20-Matrix werden dann von jeweils vier LEDs beleuchtet.

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Eine Zeile pro Lämpchen

Alle Kommandos an die LED-Matrix gehen vom Microcontroller der PCB aus, der mit einem WLAN-Modul versehen und mit der LED-Matrix verbunden ist. Außerdem enthält er ein kleines Display, einen USB-Anschluss sowie vier Tasten zur Bedienung. Mit diesen werden die Beleuchtungs-Experimente gestartet und gestoppt oder die Kontur der zu beleuchtenden Fläche festgelegt, etwa ein bestimmtes Plattenformat.

Die zugehörige Software ist einfach zu bedienen und verlangt nur Excel-Grund­kenntnisse. Befehle an einzelne Lämpchen-Positionen werden in die zugehörige Zelle einer csv-Datei eingetragen. Für jedes Lämpchen steht in der Tabelle eine Zeile, für jede Art des Befehls eine Spalte. Befehle sind: Zeitpunkt und Dauer des Lichts, die Farbe (rot, grün oder blau) sowie die Intensität. Über zusätzliche Spalten können auch kompliziertere Beleuchtungs­abfolgen, etwa sich wiederholende Zyklen, abgespielt werden. Die fertige Choreografie wird in der ausgefüllten csv-Datei gespeichert und dann an den Microcontroller übermittelt. Das Display des PCB bestätigt anschließend den Empfang und die Herkunft (IP-Adresse) der Befehle. Mithilfe des WLAN-Moduls kann man die csv-Datei aus der Ferne verschicken, und auch verfolgen, welche Beleuchtung gerade aktiv ist.

Test mit MAPK-Signalweg

Wie bewährt sich LITOS bei optogene­tischen Experimenten? Die Schweizer testeten dies anhand von Maus-Fibroblasten sowie Säuger-Epithelzellen, die jeweils mit einem etablierten optogenetischen Modul zur Analyse der zellulären Mitogen-aktivierten Proteinkinase (MAPK)-Signalleitung versehen waren. Als Signal-leitende Lichtantenne fungierte der optogenetische Aktuator optoFGFR, der die Blaulicht-sensitive Domäne CRY2 enthält und per Myrostoyl-Tag in der Zellmembran verankert ist. Unter Licht arrangieren sich die Proteine zu Multimeren, autophos­phorylieren und aktivieren den MAPK-Signalweg. Die MAPK phosphoryliert daraufhin das Reporter­substrat KTR-mRuby2red, woraufhin das Fusionsprotein vorübergehend vom Zellkern ins Cytosol wandert. Aus dem Verhältnis von Cytosol- zu Zellkern-Fluoreszenz lässt sich auf die MAPK-Aktivität jeder einzelnen Zelle rückschließen.

Zur Fluoreszenz-Detektion fixierte die Gruppe die Zellen zum gewünschten Zeitpunkt mit Paraform­aldehyd und erfasste die Bilder mit einem Fluoreszenz­mikroskop. Die Aufnahmen wertete sie anschließend mit einer von ihr entwickelten automatisierten Bildanalyse-Pipeline aus (Dev Cell, 56(12):1712-26.e6).

Warme Proben

Nach einem Lichtreiz von zehn Sekunden verlagerte sich die MAPK-Fluoreszenz vorübergehend in den Kern. Sie entsprach damit der zu erwartenden Dynamik. Jede Zelle, ob in der Mitte oder am Rand eines Wells, reagierte gleich. Die einzelnen Wells wurden auch nicht von den Lichtsignalen benachbarter Wells gestört (kein Spillover). Will man einzelne Wells unterschiedlich lange belichten, sollte man das individuelle Startsignal so festlegen, dass alle gleichzeitig enden. Die Zellfixierung und Analyse geht dann effizienter und in einem Aufwasch.

LEDs werden zwar nicht heiß wie klassische Glühlampen. Dennoch besteht die Gefahr, dass die Proben warm werden, da die Strom-durchflossene LED-Matrix selbst im Dunkel-Modus eine geringe Grundwärme produziert. Damit die Zellen nicht unnötig „gegrillt“ werden, ist LITOS mit einem kleinen Transistor ausgestattet, der elektrischen Strom nur dann zur Matrix leitet, wenn die LEDs ihn tatsächlich benötigen. Für länger dauernde Experimente raten die Schweizer dennoch zu stabileren optogene­tischen Modulen, wie zum Beispiel das „Improved Iight Inducible Dimer-System“ (iLID) von Seth Zimmerman et al. (Biochemistry, 55(37): 5264–71).

Andrea Pitzschke

Höhener T. et al. (2022): LITOS – a versatile LED illumination tool for optogenetic stimulation. BioRxiv, DOI: 10.1101/2022.03.02.482623

Bild: Github Pertzlab



Letzte Änderungen: 09.03.2022