Mit Pyramiden-PCR
auf Rekordjagd

(03.02.2022) Zwanzig Sekunden statt 2 Minuten pro Zyklus. Dank Schweizer Ingenieurskunst bringt das Start-up Diaxxo Tempo – und Farbe – in die Virus-Diagnostik.
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Editorial

Seit Corona weiß die ganze Welt: PCR-Tests sind integraler Bestandteil der Diagnostik von Infektions­krankheiten. Denn die PCR ist einfach die zuverlässigste Methode, um die genaue Art oder auch Menge des Erregers festzustellen. Auch minimale Mengen des pathogenen Bakteriums oder Virus können dank der hohen Sensitivität und Spezifität sicher nachgewiesen werden.

Bis ein Patient jedoch nach Probennahme seine Diagnose erhält, vergehen meist mehrere – für den weiteren Krank­heits­verlauf oft entscheidende – Tage. Das liegt daran, dass die Polymerase-Kettenreaktion meist nicht direkt vor Ort in der Arztpraxis oder aktuell in einem Testzentrum durchgeführt werden kann. Gesammelte Proben müssen erst ihren Weg in ein Diagnostik-Labor finden und auch dort dauert es seine Zeit, je nach Proben­aufkommen, bis letztlich das Ergebnis vorliegt. Und auch dieses muss dann erst wieder zurück zum behandelnden Arzt und damit Patienten gelangen. Wertvolle Zeit, die verstreicht.

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Raus aus dem Labor

Das muss doch auch anders gehen, dachten sich die Zürcher ETH-Forscher Michele Gregorini und Philippe Bechtold. Zusammen mit ihrem Arbeits­gruppen­leiter Wendelin Stark am Department für Chemie und Angewandte Biowissenschaften hatten sie die Vision, ein Gerät zu entwickeln, mit dem sich PCR-Tests auch außerhalb von Laboren durchführen lassen und zwar einfacher und schneller als mit herkömmlichen Thermocyclern.

Und tatsächlich ist es den Forschern gelungen, ein PCR-Gerät zu entwickeln, mit dem sich die Dauer einer PCR-Analyse auf knapp 20 Minuten verkürzen lässt. Ein Zyklus dauert dabei nur etwa 20 Sekunden statt normal etwa zweieinhalb Minuten. „Wir haben es geschafft, die PCR direkt auf einer Metall­oberfläche laufen zu lassen. Das hat uns ermöglicht, die bisherigen Wärme­übergangs­limitationen der großen Plastik-PCR-Gefäße zu durchbrechen“, erzählt Bechtold stolz.

Da Metall Wärme besser leitet als Plastik können die Reaktions­ansätze so viel schneller aufgeheizt und abgekühlt werden. Die drei Temperatur­schritte innerhalb der Zyklen laufen also viel schneller ab. Außerdem konnten Bechtold und Co. die Proben­vorbereitung auf unter 5 Minuten verkürzen. „Wir haben alle Reagenzien eingetrocknet, was dem Anwender später aufwendiges Zusammen­mischen erspart“, berichtet Bechtold. Die gefrier­getrockneten Reagenzien befinden sich schon fertig portioniert auf einer vorbereiteten Metall-Kartusche. Man pipettiert lediglich die Patienten­probe dazu, setzt die Metall-Kartusche ins PCR-Gerät ein und schon startet die Reaktion. „Durch das Eintrocknen der Reagenzien sind die Tests sogar unter tropischen Bedingungen wochenlang haltbar“, fügt Bechtold noch hinzu.

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Lieber bunt als grau und langweilig

Und nicht nur das – sogar billiger wird die „PCR in Rekordzeit“. „Günstig können wir vor allem sein, da wir die Reaktions­volumina reduzieren, denn die Enzyme sind die Haupt-Kostentreiber pro Reaktion“, erklärt der Forscher. Auch optisch unterscheidet sich das PCR-Gerät der Zürcher deutlich von den gängigen Cyclern. Es sieht aus wie eine Pyramide und ist in vielen bunten Farben erhältlich. Technische Hintergründe hat die spezielle Pyramiden­form aber nicht. „Es ging uns ganz einfach darum, dass Laborgeräte keine langweiligen grauen Kisten sein müssen. Deshalb die auffällige Form und die bunten Farben“, so Gregorini.

Vor fünf Jahren, als Bechtold und Gregorini anfingen, das PCR-Gerät zu entwickeln, haben beide nicht unbedingt daran gedacht, einmal ein neues Medizinprodukt auf den Markt zu bringen. Dennoch: Im November 2020 war es so weit und sie gründeten ihr Start-up Diaxxo. Mittlerweile beschäftigt das Unternehmen 12 Mitarbeiter plus einige Studenten. Maschinen­bauer Gregorini, der das Gerät entworfen hat, ist als CEO verantwortlich für alles Technische, während Bioingenieur Bechtold als CTO für alle biologischen und chemischen Frage­stellungen zuständig ist. Wendelin Stark steht ihnen beratend zur Seite. Und was hat es mit dem Namen und dem Logo von Diaxxo auf sich? „Wir wollten Diagnose reinbringen und etwas mit einer Doppelhelix haben, um DNA darzustellen“, verrät uns Bechtold.

Corona entfachte Feuer

Zum schnellen Erfolg der PCR-Pyramide hat auch die Corona-Pandemie beigetragen. „Erst mit der COVID-19-Pandemie haben wir richtig verstanden, wie viel Impact wir haben können“, berichten die Forscher. „Davor wussten wir zwar, dass wir was Cooles entwickelt haben, aber erst dann war das Feuer wirklich entflammt. Wir haben dadurch Fördergelder zugesagt bekommen, die wohl sonst nicht so einfach erreichbar gewesen wären.“

Die größte Hürde, die es aktuell für die Jungunter­nehmer zu überwinden gilt, ist die Zulassung ihres PCR-Geräts als Medizinprodukt. „Momentan ist das Gerät Research-use-only, also nicht in der Human­diagnostik eingesetzt“, erzählt Bechtold. „Wir hatten Partner wie das Schweizer Tropeninstitut, welches die Geräte für eine Studie zur Diagnose und Bekämpfung von Bilharziose auf Sansibar eingesetzt hat. Da waren wir einfach die beste Lösung, um mobile Labore in Schulen auf der Insel aufzubauen. Morgens wurde das Labor aufgebaut, die Proben wurden gesammelt und über den Tag hinweg gemessen, um abends die Resultate und Medikamente abgeben zu können. So konnten bis zu 200 Kinder am Tag gemessen werden.“

Mit der Medizin­produkte­zulassung rechnen die Zürcher in den nächsten 1-2 Monaten, speziell mit der Anwendung für SARS-CoV-2. Anschließend wollen sie weitere Tests auf den Markt bringen. „Unser Ziel ist es, PCR überall und jedem zugänglich zu machen, sei es hier bei jedem Arzt oder in Entwicklungs­ländern, zumindest aber in jedem Spital“, erzählt Gregorini. „Wir sind uns natürlich bewusst, dass dies kein leichtes Unterfangen ist und sind dement­sprechend auf der Suche nach Partnern, um unsere Technologie noch schneller zu kommerzialisieren.“

Eva Glink

Bild: ETH/Alessandro Della Bella


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