Neuer Gegner,
neue Waffen

(24.01.2022) Nur ein therapeutischer Antikörper ist derzeit in der Lage, Omikron außer Gefecht zu setzen. Antivirale Alternativen stehen schon in den Startlöchern.
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Editorial

Mehreren Präparaten mit monoklonalen Antikörpern, die eine Infektion mit SARS-CoV-2 eindämmen und schwere Symptome verhindern können, wurde im letzten Jahr eine Notfall­zulassung in den USA erteilt. Auch die europäische Zulassungs­behörde EMA autorisierte einige davon für eine Therapie, andere sind in der Rolling-Review-Prozedur, einem beschleunigten Zulassungs­verfahren.

Angesichts der Omikron-Welle überprüften mehrere Arbeitsgruppen die Wirkung solcher Antikörper gegen die neue Variante, und zwar die Kombi­präparate Bamlavinimab und Etesivimab von AbCellera/Eli Lilly, Casirivimab und Imdevimab von Regeneron/Roche, Tixagevimab und Cilgavimab von AstraZeneca sowie die Monotherapien mit Regdanvimab von Celltrion, Adentrevimab (AGD20) von Adagio sowie Sotrovimab, das von VirBiotechnology und GlaxoSmithKline entwickelt wurde. Fazit: diese monoklonalen Antikörper wirken fast oder gar nicht gegen Omikron – mit Ausnahme von Sotrovimab, das auch diese Variante ähnlich gut neutralisiert wie Delta (siehe u. a. Nat Med, 19;1-6; Nature, DOI: 10.1038/s41586-021-04389-z; Cell, DOI: 10.1016/j.cell.2021.12.046 und MedRxiv, DOI: 10.1101/2021.12.13.21267761).

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Gut gebunden

Das lässt sich leicht erklären, denn Sotrovimab ist das einzige Molekül, das nicht an der Rezeptor-Binde-Domäne (RBD) des Spike-Proteins ansetzt, sondern an einer konservierten Stelle, die bei der Omikron-Variante nicht mutiert ist. Zu diesen Ergebnissen kamen beispielsweise Teams vom Institut Pasteur, der Universität Oxford und von der Prefectual University of Medicine in Kyoto.

Es wurden auch die Seren genesener oder geimpfter Personen bzw. solchen, die beides waren, überprüft. Die französische Gruppe konnte eine messbare Wirkung nur in Seren von Personen nachweisen, die genesen und einmal mit Comirnaty von Biontech/Pfizer geimpft waren, wobei die Impfung nicht länger als einen Monat her war. In Seren von dreifach Comirnaty-Geimpften fanden sie einen Monat nach der letzten Spritze eine reduzierte, aber immerhin noch messbare Wirkung, während sie in den Seren zweifach mit Vaxzevria von AstraZeneca oder Comirnaty Geimpfter fünf Monate nach der letzten Impfung keinerlei nennenswerte neutralisierende Antikörper detektieren konnten. Die Gruppe in Oxford stellte fest, dass es egal war, ob die Genesenen sich mit Alpha, Beta, Gamma oder Delta infiziert hatten. Die Mutationen am RBD des S-Proteins der Omikron-Variante lassen also die Antikörper, die Infizierte oder Geimpfte als Abwehr bilden, kläglich scheitern – mit Ausnahme von Sotrovimab eben.

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Super- und Omikron-Neutralisatoren

Im Wettlauf zwischen Virus­evolution und Immunabwehr ist Letztere nicht völlig hilflos: Kanika Vanshylla aus der Arbeitsgruppe von Florian Klein vom Institut für Virologie der Universität in Köln und Kollegen mehrerer Universitäten entdeckten kürzlich „ultrapotent broadly neutralizing antibodies“ (Cell Host & Microbe, 30, 69-82). Darunter war auch der Antikörper R40-1G8, der an zwei Konfor­mationen des RBD binden kann, in seiner Up- wie auch in der Down-Form. R40-1G8 stammt aus einem Screen nach neutra­lisierenden Antikörpern bei so genannten „Elite Neutralizers“. Dies sind Genesene, die als Antwort auf die Infektion besonders viele und sehr wirksame Antikörper bilden.

Fast 60 Kandidaten ließ die Forscher­gruppe gegen fünf Variants of Concern antreten, nämlich B.1.1.7 (Alpha), B.1.351 (Beta), B.1.429 (Epsilon), B.1.617 und B.1.617.2 (Delta); außerdem gegen eine NTD-Escape-Mutante sowie gegen 17 bekannte RBD-Escape-Mutanten. 23 Kandidaten konnten alle 24 Varianten neutralisieren – ebenso wie S309, der Elter von Sotrovimab. Ob die Super-Antikörper auch gegen Omikron helfen, wurde bisher nicht bekannt.

Einen Omikron-Neutralisator fanden Forscher von der Icahn School of Medicine in Mount Sinai (USA) und Sorrento Therapeutics (BioRXiv, DOI: 10.1101/2022.01.19.476998). Aus geimpften Mäusen isolierten Mitautor Florian Krammer und Co. jede Menge S-Protein bindende Antikörper, darunter auch STI-9167, der Omikron und seine Variante Omikron R346K neutralisiert. Intranasal appliziert, schützte er Mäuse vor Symptomen und reduzierte die Viruslast in der Lunge unter die Nachweis­grenze. STI-9167 soll nun in klinischen Studien geprüft werden.

Alles auf DARPin

Nicht nur Antikörper, auch DARPins können SARS-CoV-2 binden und neutralisieren. DARPin leitet sich von Designed Ankyrin Repeat Protein ab. Es sind künstliche Peptide, die Antigene binden können. Forscher der Schweizer Firma Molecular Partners, der Universität Lausanne und anderer Arbeits­gruppen entwickelten ein Molekül namens Ensovibep. Es neutralisiert auch Omikron-Varianten, und zwar sowohl die Variante Q493R wie auch Q493K, sehr wirkungsvoll, sogar besser als S309, dem Elter von Sotrovimab (BioRXiv, DOI: 10.1101/2021.02.03.429164). Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass Ensovibep drei aneinander gekoppelte DARPins enthält, die an unter­schiedlichen Positionen des RBD binden. Es müssten also schon drei potente Escape-Varianten in einem S-Protein gleichzeitig entstehen, um die Bindung von Ensovibep zu verhindern.

Novartis übernahm die Entwicklung und Prüfung von Ensovibep. Im Rahmen des Phase-2-Teils der EMPATHY-Studie wurde Ensovibep im Doppel­blindversuch an 407 nicht hospitalisierten Erkrankten geprüft. Die Ergebnisse teilte Novartis in einer Presse­erklärung mit. Von dem mit Placebo behandelten, erkrankten 99 Personen mussten sechs in ein Krankenhaus, zwei davon starben. Von den 301 Infizierten im Verum-Arm wurden vier in eine Klinik eingewiesen, zwei davon mussten auf der Intensivstation behandelt werden, niemand starb. Diese Studiengruppe war also noch nicht sehr groß, man muss nun abwarten, wie die mit gut 1.500 Patienten geplante Phase-3-Studie ausgeht.

Karin Hollricher

Bild: Pixabay/lenahelfinger


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