2021: Corona und was sonst noch war (Teil 3)

(06.01.2022) Ein weiteres Jahr mit Schließungen, geplatzten Frisörterminen, aber auch hervorragender Forschung ist vorbei. Wir blicken noch einmal zurück.
editorial_bild

Editorial

Der September steht ganz im Zeichen der Bundes­tagswahl am 26. Die amtierende Regierung wirft jedoch noch einmal mit Geld um sich, 150 Millionen Euro soll es für Medikamente gegen COVID-19 geben. Freuen dürfen sich über das finanzielle Zubrot unter anderem Corat Therapeutics, Apogenix und InflaRX. Bis ein wirksames Medikament zur Verfügung steht, muss jedoch weiter intensiv geimpft werden. In einigen Bundesländern werden die ersten Menschen geboostert, während andere immer noch mit der Erstimpfung hadern. Im Herbst fallen nicht nur die Blätter, sondern auch die Wissen­schaftspreise vom Himmel. Und in diesem Jahr räumen erwartungs­gemäß die Entwickler der mRNA-Impfstoffe ordentlich ab. Biochemikerin Katalin Karikó und ihr Kollegen Drew Weissman, Ugur Sahin und Özlem Türeci werden allein im September geradezu überschüttet: zum Beispiel mit dem Breakthrough Prize, dem Lasker Prize, dem Novo Nordisk Prize und dem Paul-Ehrlich-Preis. Letzteren feiert Karikó mit einem Stückchen leckerer Schokolade. Auf den Nobelpreis müssen sie und ihre Mitstreiter jedoch noch mindestens ein Jahr warten.

Geduldig warten mussten auch Eisbach Bio. Denn wie uns das Münchner Start-up im September auf Laborjournal Online erzählte, „hat es gedauert, die Politik von der Förderung ihres Corona-Medikaments zu überzeugen“. Nun steht es jedoch „kurz vor der Klinik“. Auch anderswo laufen Dinge nicht optimal. Etwa bei unabhängigen klinischen Studien in Deutschland, sagt der Wissen­schaftsnarr. Oder auch beim Umgang mit Fehlverhalten in der Wissenschaft: „Genug ist genug“, meinen vier Psychologen. Wem diese Missstände aufs Gemüt schlagen, der kann sich auf einen Therapie-Trip begeben, denn, wie wir recherchierten, stehen Psychedelika zur Behandlung psychischer Erkrankungen wie Depressionen derzeit ganz weit oben auf der Agenda einiger Biotech-Firmen. Oder man entschwindet einfach in die Welt der Märchen, mit unserer TA. Oder begibt sich als Ausgleich „Auf Antikörper-Jagd“.

Editorial

Obwohl es seit Sommer Warnungen über eine kaum zu bändigende Infektions­welle im Herbst und Winter gibt, wird sich im Oktober weiter locker gemacht. In Bayern öffnen nach 1,5-jähriger Pause Clubs und Diskotheken wieder: Zutritt zwar nur für Geimpfte, Genesene und Getestete, drinnen ist dann wieder alles erlaubt, ohne Maske und Abstand. In mehreren Bundesländern wird zudem die Maskenpflicht im Unterricht gestrichen. Einziger Schutz für Schüler und Lehrer: Lüften und warme Klamotten. Auch das Gesundheits­ministerium ignoriert wissenschaftliche Expertise und behauptet, dass nun ausreichend Menschen geimpft sind, um das Gesundheits­system nicht mehr zu überlasten. Grund genug also vorzuschlagen, die „epidemische Lage nationaler Tragweite“ nicht zu verlängern. Eine krasse Fehlein­schätzung, wie wir heute wissen. Und noch mehr schlechte Nachrichten, zumindest für Curevac: die Firma zieht den Zulassungs­antrag ihres COVID-19-Impfstoffs bei der EMA offiziell zurück.

Im Oktober gibt es zwei wieder­kehrende Ereignisse, die wir auch auf Laborjournal Online gebührend würdigten. Zum einen den Nobelpreis für Medizin & Physiologie, der in diesem Jahr an die Sinnesforscher David Julius und Ardem Patapoutian ging. Und zum anderen Halloween – das wir mit zwei Blut-lastigen Artikeln gruselig untermalten: Schottische Forscher hatten eine Mikro­zentrifuge zur Blutschleuder umgebaut und Greifswalder Wissenschaftler haben es geschafft, Hirudin aus Blutegeln ganz ohne Zellen herzustellen. Düster und mysteriös ist auch die Geschichte der Etrusker, doch Tübinger Forscher brachten etwas Licht ins Dunkel. Und auch die deutsche Biotech-Szene hat ihre Schattenseiten. „Ich würde nicht mehr in Deutschland gründen“, erklärt CeGaT-Geschäfts­führerin Saskia Biskup im Gespräch mit Bettina Dupont. Ein Lichtblick hingegen ist die Entwicklung der Mikropipette, die 2021 ihren 60. Geburtstag feierte.

Editorial

Im November steigen die Neuinfek­tionszahlen in Rekordhöhe, über 70.000 Neuinfektionen am Tag sind keine Seltenheit mehr. Wir erinnern uns: vor einem Jahr wurde die damalige Bundes­kanzlerin mit ihrer Prognose von 16.000 Neuinfektionen zu Weihnachten belächelt. Zum Lachen ist im November niemandem zumute. Die Kliniken sind wiedermal am Limit und die meisten Impf­zentren geschlossen. Stundenlang warten Menschen (zum Teil vergeblich) im Regen und bei frostigen Temperaturen auf ihre Erst-, Zweit- oder Booster­impfung. Auch RKI-Chef Lothar Wieler ist wütend: „Es herrscht eine Notlage in unserem Land. Wer das nicht sieht, der macht einen sehr großen Fehler.“ Dennoch reagiert die Politik weiterhin zögerlich. 2G in Restaurants und Einzelhandel wird es am Ende des Monats heißen. Schulen bleiben auf. Dabei ist gerade die Kinderinzidenz erschreckend. Aus Südafrika schwappen derweil erste besorgnis­erregende Nachrichten über eine neue Virus-Variante (B.1.1.529) zu uns hinüber, für die besonders Kinder anfällig zu sein scheinen. Es vergeht keine Woche, da wird Omikron auch in Europa nachgewiesen. Immerhin hat die Stadt Mainz Grund für gute Laune. Dank Biontech ist die Stadt schuldenfrei und hat sogar einen voraus­sichtlichen Haushalts­überschuss von rund einer Milliarde Euro. „Das Wunder von Mainz“ macht den weiteren Ausbau von Forschungs­infrastruktur möglich. In Glasgow treffen sich derweil 197 Nationen auf der UN-Klimakonferenz, um über Maßnahmen zum Klimaschutz zu verhandeln.

Auch auf Laborjournal Online sprühen Forscher vor Ideen, wie man dem Klimawandel entgegentreten kann. Zum Beispiel mit genomeditierten Bäumen: „Biowissenschaft for future“. Denn Trägheit oder Nichtstun ist eine Todsünde, die allerdings im Labor auch manchmal ausgelebt werden muss, meint jedenfalls unsere TA. Immunologe Carsten Watzl hingegen erklärt uns, wie die Welt mit dem endemisch gewordenen SARS-CoV-2-Virus aussehen könnte. Und wie sehe die wissenschaftliche Welt ohne Tierversuche aus? Die Schweiz stimmt für ihr Land darüber im Frühjahr 2022 ab. Es wird spannend. Eine weitere wichtige Abstimmung ist für April geplant. Dann soll entschieden werden, ob digitale Sequenzinformationen in das Nagoya-Protokoll aufgenommen werden. Möglicherweise könnte das den Zugriff auf Gen-Datenbanken für Forscher erheblich erschweren.

Inzwischen ist es Dezember geworden und Deutschland hat einen neuen Gesund­heitsminister: Karl Lauterbach. Der legt gleichmal vor: „Die Gesund­heitspolitik kann aus meiner Sicht nur erfolgreich sein, wenn sie sich an der evidenz­basierten Medizin orientiert. Die wichtigste Aufgabe für das Haus ist, die Pandemie zu beenden.“ Leider ist diese Aufgabe alles andere als leicht. In Großbritannien, in Dänemark und Norwegen, auch in Deutschland breitet sich die Omikron-Variante von SARS-CoV-2 immer weiter aus. Und erste Tests deuten darauf hin, dass eine Zweifach-Impfung nur wenig Schutz bietet. Das bestätigen auch Weihnachts­feiern in Norwegen und Spanien, die sich als Super­spreader-Ereignisse erweisen. Diese und andere Zusammen­künfte tragen dazu bei, dass die Neuinfek­tionszahlen in Europa durch die Decke gehen. Mehr als 200.000 Neuinfektionen verzeichnet beispielsweise Frankreich am 30. Dezember. Deutschlands Ämter und Behörden sind da noch in der Weihnachts­ruhe, die Zahlen bleiben vergleichs­weise niedrig. Zum Glück wird das Impfen über die Feiertage nicht komplett eingestellt. Bereits nach 3 Monaten kann nun geboostert werden. Und auch die Wirtschaft ist unter dem Motto #ZusammenGegenCorona in die Impfkampagne eingestiegen. Mit bekannten Werbeslogans in neuem Gewand: „Willst du viel, impf mit Stil“, „Dann geh doch zum Impfen!“ oder „Hans Impfglück“. Einen weiteren Booster bekommt die Kampagne durch die Zulassung von Nuvaxovid, dem in Sf-9-Zellen produzierten Protein­impfstoff von Novavax.

Ein Impf-Trio hatten wir auch auf Laborjournal Online parat: zunächst wühlte sich Karin Hollricher durch Studien zur Vakzin-Effektivität und dem Nachlassen des Impfschutzes. Infektions­biologe Luka Cicin-Sain erzählte Henrik Müller mehr über das alternde Immun­system und, dass „Senioren mehrfach von Dritt­impfungen profitieren“. Schließlich fragte Larissa Tetsch in Tübingen nach, was es mit dem Vakzin-Novum für Immun­geschwächte auf sich hat. Aber auch dem Haupt­darsteller der Pandemie schauten wir tiefer ins Genom und entdeckten, dass die Omikron-Variante wohl keine kalten Nasen zur Vermehrung braucht. Und US-amerikanische Forscher beschrieben, wie sie im Scheiben­labor mehrere Viren-Gene gleichzeitig nachweisen können. Zur Entspannung schauten wir „Genetik im Kino“. Und dann war das Jahr auch schon wieder vorüber.

Kathleen Gransalke

Alle Zitate stammen aus dem Meldungen-Archiv der Tagesschau.

Bild: AdobeStock/orawan & Laborjournal