Vakzin-Novum für
Immungeschwächte

(13.12.2021) Manche Menschen bilden nach einer Impfung nicht genügend Antikörper. Ein Impfstoff, der T-Zellen stimuliert, soll sie vor COVID-19 schützen.
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Editorial

Das Prinzip der Impfung basiert darauf, eine möglichst umfassende humorale Immunantwort auszulösen, also B-Zellen zur Bildung von Antikörpern anzuregen. Der Antikörper-Titer gilt deshalb auch als Maß für die Immunität gegen eine bestimmte Krankheit. Bei manchen Menschen ist jedoch die Fähigkeit, Antikörper zu bilden, eingeschränkt – entweder aufgrund einer angeborenen Immun­schwäche oder weil B-Zellen nach einer Erkrankung oder deren Behandlung nicht mehr richtig funktionieren.

Glücklicherweise verlässt sich der Körper nicht alleine auf die humorale Immunabwehr, sondern greift zusätzlich auf zelluläre Komponenten zurück. Wichtige Protagonisten sind hier unter anderem die zytotoxischen T-Zellen, die infizierte oder entartete Zellen angreifen und aus dem Verkehr ziehen, oder die T-Helferzellen vom Typ 1, die die Aktivität von Antigen-präsentierenden Makrophagen stimulieren. Herkömmliche Impfstoffe aktivieren diese zellulären Abwehr­mechanismen jedoch nur schwach. Am Universitäts­klinikum Tübingen arbeitet man an dem ersten Impfstoff gegen COVID-19, der statt auf B-Zellen auf T-Zellen setzt und damit eine Alternative für Menschen mit Immun­schwäche darstellt.

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Transfer aus der Krebstherapie

Entwickelt wurde der neue Impfstoff CoVac-1 in der Klinischen Koopera­tionseinheit (KKE) Translationale Immunologie, einer Abteilung der Uniklinik, die eigen­entwickelte Immun­therapien direkt zum Patienten bringen und in klinischen Studien erproben soll. „Die Idee basiert auf unseren Arbeiten in der Krebs­immuntherapie“, erklärt Juliane Walz, die an der KKE als Oberärztin arbeitet und zusätzlich die Arbeitsgruppe Peptid-basierte Immun­therapie leitet. „Wir entwickeln hier seit Jahren therapeutische Peptid­impfstoffe für Krebspatienten mit dem Ziel, das Immunsystem und hier insbesondere die T-Zellen gegen Tumorzellen zu richten.“

Maßgeblich für die Entwicklung des neuen Impfstoffs waren Vorarbeiten von Hans-Georg Rammensee, der der Abteilung Immunologie am Inter­fakultären Institut für Zellbiologie der Uni Tübingen vorsteht. „Hans-Georg Rammensee arbeitet seit vielen Jahrzehnten an der Entwicklung therapeutischer und prophy­laktischer Impfstoffe gegen Krebs­erkrankungen und hat die entscheidenden Grundlagen für diese Entwicklungen entdeckt und erst­beschrieben“, so Walz. Der Impfstoff sei insofern ein Novum, als es bisher noch keine zugelassenen Peptid­impfstoffe zur spezifischen Aktivierung der T-Zell-Antwort gäbe. Vereinzelte Studien existieren jedoch bereits, wie beispielsweise für Infektionen mit dem Cytome­galievirus.

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Robuste Antwort durch Peptidgemisch

Auf der Suche nach geeigneten Zielen für den Impfstoff isolierte das Forscherteam aus dem Blut von Genesenen gezielt die Peptide, die für eine Langzeit-Immunität nach durch­gemachter Krankheit verantwortlich sind. Eine Mischung verschiedener Antigene soll verhindern, dass der Impfstoff durch Mutationen des Virus­erbguts seine Wirksamkeit verliert, wie die Fachärztin für Innere Medizin sowie Hämatologie und Onkologie darlegt. „Unser Impfstoff CoVac-1 ist ein Pepid-basierter Impfstoff, der aus verschiedenen T-Zell-Epitopen von SARS-CoV-2 besteht. Im Gegensatz zu bereits zugelassenen COVID-19-Impfstoffen richtet sich unser Impfstoff nicht nur gegen das Spike-Protein, sondern enthält Peptide aus verschie­densten Virus­proteinen. Das ermöglicht eine breitere T-Zell-Antwort.“

Ein Glücksfall ist, dass der Impfstoff direkt im Wirkstoff­peptidlabor der Uniklinik Tübingen hergestellt werden kann, das über eine langjährige Erfahrung mit der Impfstoff­herstellung verfügt.

Pilotstudie abgeschlossen

Eine erste klinische Pilotstudie mit gesunden Probanden zwischen 18-80 Jahren ist bereits abgeschlossen. Die kürzlich in Nature publizierten Ergebnisse belegen eine gute Verträg­lichkeit und eine potente Aktivierung der T-Zell-Antwort gegen SARS-CoV-2. Insgesamt wurden 36 Probanden einmal geimpft; nach vier Wochen ließ sich eine breite T-Zell-Immun­antwort nachweisen, die sogar stärker war als vergleichbare Immun­reaktionen bei natürlicher Infektion. Auch bei Folge­untersuchungen nach drei Monaten war die T-Zell-Immunantwort noch nachweisbar. Die häufigsten Neben­wirkungen waren Müdigkeit und leichte Kopfschmerzen, wie sie auch bei anderen Impfungen auftreten.

Eine Verhärtung an der Einstichstelle werteten die Mediziner als gutes Zeichen wie Erstautor Jonas Heitmann erklärt: „Diese Lokal­reaktion wird für unseren Impfstoff erwartet und ist gewünscht. Sie ist Ausdruck der Bildung eines Depots an der Impfstelle, das einen schnellen Abbau des Impfstoffs verhindert und so eine langanhal­tende Immun­reaktion ermöglicht.“ Die Analyse der CoVac-1-Peptide deutet daraufhin, dass der Impfstoff auch bei den zurzeit vorherr­schenden SARS-CoV-2-Varianten wirksam sein sollte.

Probanden gesucht!

Aufgrund der Ergebnisse dieser Phase-1-Studie ist bereits im Juni eine Phase-2-Studie angelaufen, bei der die Wirksamkeit des Impfstoffs an Menschen mit angeborener oder erworbener Immun­schwäche getestet werden soll. Hier stehen insbesondere Patienten mit Leukämie oder Lymphom-Erkrankung im Vordergrund. Interessierte Patienten können sich am Universitäts­klinikum in Tübingen, aber auch an Standorten in Frankfurt und Berlin zur Teilnahme anmelden. Zur Studie gehört eine Eingangs­untersuchung, der Impftermin und in den folgenden sechs Monaten ein monatlicher Kontroll­termin. Weitere Informationen finden sich unter www.medizin.uni-tuebingen.de/go/covac-1-studie oder per E-Mail unter covid.kke(at)med-uni.tuebingen.de

Larissa Tetsch

Heitmann J. et al. (2021): A COVID-19 peptide vaccine for the induction of SARS-CoV-2 T cell immunity. Nature, DOI: 10.1038/s41586-021-04232-5

Bild: Pixabay/Alexandra_Koch


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Letzte Änderungen: 13.12.2021