PCR-Blitzstart
mit Licht

(17.11.2021) Bei der PCR werden übereifrige Polymerasen häufig durch einen Hemmschuh blockiert. Viel eleganter ist ihre punktgenaue Aktivierung mit Licht.
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Editorial

„Wehe, wenn sie losgelassen“ ist der Titel eines Kultfilms – die Warnung gilt aber auch für Enzyme. Ihre Aktivität im Zaum zu halten, ist besonders wichtig, wenn sie mehrere aufweisen. Multitasker wie zum Beispiel DNA-Polymerasen mit zusätzlicher Exonuklease-Funktion können im dümmsten Fall ihr eigenes Werk vereiteln oder vernichten. Knabbern sie etwa die Primer in einem ungekühlten PCR-Ansatz weg, fehlt zum eigentlichen Amplifizieren ein wichtiger Baustein und die Polymerasen verlängern unter Umständen fehlgepaarte Artefakte.

Hot-Start-Polymerasen sind die kommerzielle Antwort auf dieses Problem. Die Enzyme kommen erst bei entsprechenden Temperaturen im Cycler auf Touren, bei denen sich zum Beispiel Antikörper von den Enzymen lösen, die sie bei niedrigen Temperaturen blockieren. Leider ist diese Kontroll­möglichkeit nur hitzebeständigen Polymerasen vorbehalten. Empfindlichere aus mesophilen Organismen, wie zum Beispiel die oft für die Amplifikation ganzer Genome eingesetzte Phi29-DNA-Polymerase, überstehen den „Hot Start“ meist nicht ohne Blessuren.

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Aktivitätsblock mit Attrappe

Andrés Manuel Vera aus Philip Tinnefelds Gruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität München hat deshalb mit seiner Kollegin Merve-Zeynep Kesici DNA-Polymerasen und andere DNA-“verarbeitende“ Enzyme entwickelt, die erst nach einem Lichtimpuls aktiv werden.

Da diese Enzyme in der Regel DNA binden, gingen die drei davon aus, dass sich ihre Aktivität mit einer DNA-Attrappe gezielt blockieren lassen müsste, die man mithilfe eines spezifischen Signals wieder von dem Enzym lösen kann. Die Münchner planten daher ein Stück DNA in Reichweite des aktiven Zentrums anzubringen, das dieses unspezifisch besetzt und den eigentlichen Substraten den Zugang verwehrt. Auf einen Lichtpuls hin sollte sich die DNA danach wieder ablösen und das aktive Zentrum freigeben.

Um diese Idee zu realisieren, schob die Gruppe dem anvisierten Enzym während der Translation eine nicht-kanonische Aminosäure unter, die als Anker für die DNA diente. Hierzu funktionalisierte sie ein Stoppcodon mit der Amber-Codon-Suppressions-Strategie um, und integrierte mit einem entsprechenden Aminoacyl-tRNA-Synthetase/tRNA-Paar die Aminosäure 4-Azido-L-Phenylalanin (azPhe) am C-Terminus des rekombinant exprimierten Enzyms. Die Bauanleitung für das Enzym berücksichtigte außerdem, dass azPhe von einem flexiblen Linker aus Serin und Glycin (GS-azPhe-SG) umgeben ist. Der Linker erzeugt die nötige Biegsamkeit des Ankers und hält ihn auf ausreichender Distanz zu funktionalen Aminosäuren des Enzyms.

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Modifizierter Rest

Via Klick-Chemie verknüpfte das Team ein 20 Nukleotide langes doppel­strängiges Oligo mit dem azPhe-Rest, das zwei Modifi­kationen enthielt: einen Photo-labilen O-Nitrophenyl-Linker sowie ganz am Ende eine DBCO-Gruppe, die mit dem Azid reagiert und das Oligo kovalent am Enzym verankert. Die Position der DBCO-Gruppe am 5‘oder 3‘-Ende hängt von der Arbeits­richtung des Enzyms ab. Bei der Pfu-Polymerase mit 3‘-5‘-Exo-Aktivität sitzt sie am 3‘-Ende, bei der Taq (5‘-3‘-exo) am 5‘-Ende. DBCO fungiert als Schutzkappe für die Oligos und bewahrt sie davor, von den Polymerasen angeknabbert zu werden. Der Photo-labile Linker ist unmittelbar vor der DBCO-Gruppe angeordnet.

Die Münchner testeten die Licht­aktivierungs-Strategie mit den DNA-Polymerasen Phi29, Taq und Pfu sowie der Endonuklease StuI. Empirisch tasteten sie sich an die optimalen Bedingungen für die Aktivierung der modifizierten Enzyme mit Licht heran und variierten die Dauer und Intensität der Bestrahlung. Bei Experimenten mit FAM-Oligos als Substrat zur Messung der Exonuklease-Aktivität bestätigte sich, dass das modifizierte Enzym erst nach einem Lichtimpuls aktiviert wird. PCRs mit Plasmid- oder genomischer DNA, die die Münchner mit unbelichteten modifizierten DNA-Polymerasen durchführten, lieferten kein messbares Amplifika­tionsprodukt. Bei der Endonuklease StuI diente ein künstlicher FAM-dsDNA-Quencher als Substrat. Auch hier konnte die modifizierte StuI den Quencher erst nach der Aktivierung durch Licht von der fluoreszierenden Gruppe trennen.

Je länger der Lichtpuls, desto höher ist der Anteil des freien Enzyms und damit dessen Aktivität. Zwei Minuten bei einer Längenwelle von 365 Nanometern reichen für die Aktivierung aus.

Andrea Pitzschke

Kesici M. et al. (2021): A simple and general approach to control the activity of DNA processing enzymes. BioRxiv, DOI: 10.1101/2021.11.08.467724

Bild: Pixabay/Geralt