Im Slalom zur sgRNA-Bibliothek

(20.10.2021) Mit einem neuen abgespeckten Protokoll kommt man einfacher und schneller zu enzymatisch hergestellten, treffsicheren sgRNA-Bibliotheken.
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Editorial

Wer in seinem Lieblings­organismus Funktionen von Genen entschlüsseln will, greift meist zu CRISPR-basierten Verfahren. Mitunter geht es um hunderte Gene oder um Screenings ganzer Genome. Am liebsten hätte man dafür zehntausende sgRNAs zur Verfügung, die jeweils eine ganz bestimmte Sequenz im Genom anvisieren und die Cas9-Nuklease zu dieser führen.

Im kleinen Maßstab kann man sich einzelne Zielgene herauspicken, passende sgRNAs am Computer designen und eine Firma beauftragen, die sie chemisch synthetisiert. Abgesehen davon, dass dieses Vorgehen langwierig und teuer ist, setzt es auch voraus, dass man die potenziellen Ziel­sequenzen kennt. Effizienter und auch kosten­günstiger sind enzymatisch hergestellte sgRNA-Bibliotheken. Die entsprechenden Methoden sind aber recht kompliziert und können zu Bibliotheken führen, bei denen am Ende nur ein Bruchteil der generierten sgRNAs tatsächlich funktioniert.

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Raffinierte Details

Jonathan T. Hills Team an der Universität Utah entwickelte einen optimierten enzymatischen Syntheseweg, der treffsichere sgRNA-Bibliotheken liefert. Die Technik der US-Amerikaner nennt sich „sgRNA Library Assembly by Ligation on Magnetic Beads“ oder kurz SLALOM. Um einen schnellen Überblick über die mit vielen raffinierten molekular­biologischen Details gespickte Technik zu erlangen, lohnt sich ein Blick auf die schema­tische Darstellung von SLALOM in Abbildung 1 des Papers.

Am Anfang steht biologisches Material, etwa von einer E.-coli-Kultur oder einem Schwarm Zebra­bärblingen. Aus diesem isoliert man entweder die genomische DNA oder die mRNA, die in eine normalisierte cDNA-Bibliothek weiter­verarbeitet wird. Startet man mit mRNA statt genomischer DNA, erhöht sich die Wahrschein­lichkeit mit den gewonnenen sgRNAs tatsächlich aktive Gene manipulieren zu können.

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Kügelchen mit Bauplan

Die doppelsträngige DNA wird mit dem Enzym HpaII verdaut, dessen kurzes und entsprechend häufiges Erken­nungsmotif (CGGG) dem Consensus des Protospacer Adjacent Motifs (PAM) von Cas9 entspricht (NGG). DNA-Fragmente mit einem Protospacer-Motif (das vor dem NGG lag) werden hierdurch vorselektioniert. An das von HpaII erzeugte klebrige Ende wird im nächsten Schritt ein sgRNA-Adapter ligiert. Dabei handelt es sich um zwei unter­schiedlich lange, überwiegend komple­mentäre Oligos, die durch Erhitzen sowie Abkühlen doppel­strängig gemacht wurden. Sie enthalten im inneren Abschnitt die für sgRNAs typische und für deren Funktio­nalität entscheidende Repeat-Anti-Repeat-Struktur. Am 5‘-Ende sitzt auf dem Adapter ein Erkennungs­motif für das TypII-Restriktions­enzym MmeI, am 3‘-Ende trägt er einen einzel­strängigen Überhang, der zur einfacheren Isolierung und Aufreinigung dient. Die Sequenz des Überhangs passt komplementär zu biotinylierten Oligo­nukleotiden, die auf der Oberfläche magnetischer Streptavidin-ummantelter Kügelchen immobilisiert wurden.

Das MmeI-Motif ist ein ganz besonderer Kniff im Konzept von SLALOM: Das Restrik­tionsenzym schneidet 18 bis 20 Basenpaare strom­aufwärts seiner Erkennungs­sequenz und trennt hierdurch den Spacer vom restlichen Teil der DNA-Fragmente ab. Zurück bleiben Magnet­kügelchen mit daran baumelnden Anhängseln aus doppel­strängiger DNA. Sie tragen das sgRNA-Scaffold (Repeat-Anti-Repeat-Grundstruktur) sowie individuelle 18 bis 20 Basenpaare lange DNA-Fragmente, die (Proto-)Spacer repräsentieren. In anderen Worten: An den Kügelchen hängt der komplette Bauplan der sgRNA-Bibliothek. Dass MmeI klebrige Enden hinterlässt, ist sehr praktisch, denn an das 5‘-Ende kann hierdurch einfach ein weiterer Adapter in Form des T7-Promoters ligiert werden.

In drei Stunden fertig

Im letzten Schritt müssen dann nur noch die Lücken mit einem Nick-Repair geschlossen und das finale Produkt von den Magnet­kügelchen abgelöst werden. Diese Aufgaben übernimmt die Strand Displacing Polymerase I (alternativ geht auch Bst 3.0). Dank der Magnet­kügelchen lässt sich die sgRNA-Bibliothek einfach und mit hohen Ausbeuten isolieren – das ist insbesondere bei wenig Ausgangs­material ein wichtiges Kriterium. Ein Mikrogramm DNA oder cDNA genügen für das insgesamt dreistündige Protokoll. Der T7-Promoter ermöglicht die In-vitro-Transkription der sgRNA-Bibliothek, alternativ kann man auch einen U6-Promoter für die Transkription in vivo einsetzen.

Die Inkubation der sgRNAs mit Cas9 liefert die entsprechenden Ribonukleo­protein-Komplexe, die man zum Beispiel Zebra­bärbling-Embryonen injizieren kann. Die Effekte der genetischen Manipulation durch die sgRNA-Bibliothek sind dann nach zwei Tagen unter dem Mikroskop zu erkennen.

Andrea Pitzschke

Yates J. et al. (2021): A simple and rapid method for enzymatic synthesis of CRISPR-Cas9 sgRNA libraries. Nucleic Acids Research, DOI: doi: 10.1093/nar/gkab838

Bild: Pixabay/Totolowe