Der Schüttler-Nichtverkäufer

(12.10.2021) Das Telefon klingelt, der Laborgeräte-Vertreter ist dran. Die Kauflust unserer TA hält sich jedoch in Grenzen.
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Editorial

Firmen, die Laborbedarf verkaufen, gibt es schon eine ganze Latte. Manchmal kommt mir der Markt sogar regelrecht übersättigt vor. Trotzdem drängen immer neue auf den Markt, und gelegentlich stehen deren Vertreter dann eines Tages bei uns im Labor. Untrügliches Zeichen dafür ist zumeist das höfliche Klopfen an der Tür.

Manche von ihnen rufen sogar vorher an, um einen Termin zu vereinbaren. Da ich das sehr sympathisch finde – schließlich haben auch wir TAs unseren Terminplan –, lasse ich mich gewöhnlich darauf ein.

Allerdings findet immer öfter gleich das gesamte Verkaufs­gespräch am Telefon statt …

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Der heutige Telefon­vertreter hat den Bogen jedoch noch nicht so ganz raus.

„Hätten Sie Interesse an unseren neuen Produkten?“, erkundigt er sich mit Grabesstimme.

„Was sind denn das für Produkte?“, frage ich milde interessiert.

„Heizplatten und Schüttler.“

„Aha! Und was können die Besonderes, Ihre Schüttler?“

Sein Schulterzucken dröhnt durch den Hörer.

„Das sind ganz normale Schüttler.“

Dieser Slogan weckt in mir ebenso große Kauflust wie ein Markt­verkäufer, der hinter dem Tresen seiner Bude sitzt und auf seinem Handy herumtippt.

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Ich kenne mich im Marketing ja nicht so wahnsinnig gut aus, aber als potenzieller Kunde erwarte ich von einem Verkäufer etwas mehr Begeisterung für die von ihm vertriebenen Produkte. Und wenn er den Job nur fürs tägliche Butterbrot macht, dann soll er halt wenigstens so tun.

Er soll mich mitreißen, die Vorteile heraus­stellen. Sodass ich sabbernd vor Gier mit der ausgedruckten Katalogseite zu unserem Chef ins Büro renne: „Guck mal, Chef, guck mal! Diese supergeilen Schüttler müssen wir unbedingt kaufen! Dann geht uns nie wieder ein Experiment schief, und wir kriegen nächstes Jahr den Nobelpreis!“

So geht für mich Werbung! Bei etwas mehr Enthusiasmus seinerseits hätte ich einen Schütt­lerkauf womöglich durchaus in Erwägung gezogen. Man kauft im Leben schließlich mehr als genug Sachen, die eigentlich nicht geplant waren. Siehe Quengelware.

Da sich im Labor aber gewöhnlich niemand auf den Boden wirft und plärrt: „Ich will aber eine Heizplaaatteee!!!“, müssen die Labor­ausrüster hier andere Wege gehen – und Verkäufer einstellen, die die Kunden mit Samtstimme am Telefon zum Kauf verführen.

Statt ihm, so wie er mir, die knallharte Wahrheit zu sagen, wähle ich also den diplomatischen Ausweg.

„Könnten Sie mir bitte einen Katalog zuschicken, damit ich mir die Produkte mal in Ruhe anschauen kann?“

„Gut, mache ich.“

Bestimmt ist es ein harter Broterwerb, tagein tagaus Ware anzupreisen, die man selbst wahr­scheinlich nicht besonders spannend findet. Nur sollte man das den Kunden nicht spüren lassen.

Ich jedenfalls hatte nach diesem Telefonat keine Lust mehr auf Heizplatten und Schüttler. Nicht auf linksdrehende oder biologisch abbaubare, geschweige denn energie­sparende oder solche mit Sprach­steuerung – und schon gar nicht auf ganz normale.

Maike Ruprecht

Bild: Laborjournal

Diese Kolumne erschien zuerst in Laborjournal 10-2021.


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