Bakteriendetektor mit elektroaktivem Enzym

(30.06.2021) Spezifisch bindende DNAzyme sind wie geschaffen für Biosensoren - vor allem wenn sie RNA schneiden und Bakterien erkennen.
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Editorial

Beim Kampf gegen Krankheits­erreger ist keine Sekunde zu verlieren. Je schneller die Fieslinge in Körper­flüssigkeiten oder sonstigen Proben identifiziert werden, desto eher kann man sie bekämpfen. Um Pathogene sicher detektieren zu können, werden sie in der Regel kultiviert oder mit einer qPCR nachgewiesen. Die Kultivierung dauert Tage, die qPCR ist zwar wesentlich schneller, dafür benötigt sie teures Equipment und geschultes Personal. Wesentlich effektiver wäre es, wenn man Pathogene mit einem einfachen Gerät direkt und ohne zeitraubende Zwischen­schritte über ein elektrisches Signal aufspüren könnte.

Was zunächst utopisch klingt, könnte schon bald Realität werden – umsetzen lässt sich diese Idee zum Beispiel mit DNAzymen, die manchmal auch als Deoxy­ribozyme oder DNA-Enzyme bezeichnet werden. Die Gruppe des Biochemikers Yingfu Li von der McMaster University in Hamilton, Kanada, konstruierte bereits 2011 ein RNA-schneidendes Fluoroszenz-erzeugendes DNAzym (RFD), das extrazelluläre Bakterien­strukturen erkennt und durch ein detektier­bares Fluoreszenz­signal verrät (Angew Chem Int Ed Engl, 50(16):3751-4).

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Mit Fluorophor und Quencher

Das RFD der Kanadier besteht aus einer einzel­strängigen DNA, in die ein einzelnes Ribonukleotid als Linker integriert ist. Die beiden benachbarten DNA-Nukleotide des Ribonukleotids sind mit einem Fluorophor beziehungsweise einem Quencher gelabelt. Bindet das RFD an die Zielstruktur, wird es aktiviert und schneidet den Einzelstrang an der Stelle des Ribonukleotids. Der Quencher entfernt sich hierdurch von dem Fluorophor, der schließlich ein Fluoreszenz­signal aussendet. Wie bei den mit RFDs verwandten Aptameren fischt man RFDs, die das gewünschte Ziel am besten erkennen, mithilfe eines In-vitro-Selektions-Prozesses aus einem riesigen RFD-Pool heraus.

Noch raffinierter ist aber die elektro­nische DNAzym-Variante, die Li zusammen mit der Spezialistin für miniaturisierte biomedizinische Geräte Leyla Soleymani ebenfalls von der McMaster University entwickelte. Bei diesem elektroaktiven „RNA-cleaving DNAzyme“ oder kurz e-RCD ersetzte die Gruppe Fluorophor und Quencher des ursprünglichen RFDs durch Methylenblau, das als redoxaktives Reporter­molekül ein elektrisches Signal liefert. Der Nachweis der Pathogene findet auf einem winzigen Chip statt, der vier Goldelek­troden trägt: Release-, Capture- sowie Referenz- und Gegen­elektrode. Auf der Release-Elektrode ist das 79 Nukleotide lange e-RCD über das 3‘-Ende via Biotin-Streptavidin-Verankerung immobilisiert.

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Wanderndes Oligo

Fängt das e-RCD ein Zielmolekül ein, schneidet es an der Stelle des Ribonukleotids und spaltet hierdurch ein 24 Nukleotide langes Fragment vom 5‘-Ende ab, an dem das Methylenblau hängt. Ein zu diesem Oligonukleotid komple­mentäres einzel­strängiges DNA-Gegenstück ist über eine Thiol-Gold-Verknüpfung auf der Capture-Elektrode immobilisiert. Die Sequenz des abgespaltenen Oligos, das in Richtung Capture-Elektrode wandert, kann zugleich als Barcode verwendet werden, sodass prinzipiell mehrere Zielmoleküle und somit mehrere Pathogene parallel identifiziert werden könnten. Hybridisiert das Oligo mit der homologen Sequenz auf der Capture-Elektrode, gelangt auch die Methylenblau-Gruppe in deren Nähe und löst eine messbare Änderung des Elektroden­potentials aus.

Die Release- und Capture-Elektroden haben ein sternförmiges, feinstruk­turiertes Ende mit unzähligen, wie Dendriten abgehenden Nanokanälen. Hierdurch erhöht sich ihre Oberfläche zum Einfangen des abgespaltenen Oligos und damit auch die Sensitivität erheblich. Zehn Mikroliter der Probe werden auf den Chip aufgetragen und innerhalb einer Stunde auf einem angeschlossenen handlichen Lesegerät (Potentiostat) quantifiziert. Gemessen wird einerseits die durch das abgespaltene Methylenblau geringer werdende Stromdichte an der Release-Elektrode. Diese ist aber vergleichs­weise gering und nicht absolut spezifisch. Wesentlich stärker und spezifischer ist der sprunghafte Stromdichte-Anstieg an der Capture-Elektrode.

Hoch sensitiv und spezifisch

Je nach eingesetzter Probe, etwa präparierter Bakterien­überstand oder keim­belastete Urinprobe, stieg der Wert um den Faktor 2.000 oder 900. In realen klinischen Urinproben detektierte der e-RCD-Assay E.-coli-Keime mit einer Sensitivität von hundert Prozent und einer Spezifität von 78 Prozent. Für die Point-of-Care-Diagnostik schwebt den Kanadiern ein Chip in Form einer Einweg­patrone vor, auf welche die biologische Probe geladen, vor Ort Hitze-lysiert und danach filtriert wird. Das würde viele Labor­handgriffe ersparen und das Signal-zu-Hintergrund-Verhältnis verbessern.

Andrea Pitzschke

Pandey, R. et al. (2021): Integrating programmable DNAzymes with electrical readout for rapid and culture-free bacterial detection using a handheld platform. Nat Chem, DOI: 10.1038/s41557-021-00718-x

Bild: Angew Chem Int Ed Engl, 60(9):4782-4788