Gemeinsame Sache

(17.12.2020) Nicht erst seit der Pandemie spielt Österreichs Biotech-Branche groß auf. Grund genug, sich nun in einem eigenen Lobby­verband zusammenzutun.
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Editorial

Erst im letzten Jahr stellten wir fest, dass sich Österreichs Life-Science-Landschaft in den „vergan­genen Jahren auffällig gut entwickelt habe“. Das bestätigte auch der „Life-Science-Report Austria 2018“: In den letzten drei Jahren wuchs die Zahl der Firmen in der Biotech­nologie-, Pharma- und Medizin­technik-Branche um 94 auf insgesamt 917. Gemeinsam setzten die öster­reichischen Biotech-Unternehmen 22,4 Milliarden Euro um. Marlis Müllner von der Austrian Business Agency hatte dafür auch eine Erklärung: „Österreich ist ein Förderland, wir haben eine breit aufgestellte Forschungs­förderung. Die Unter­nehmen sehen, dass sie profitieren, wenn sie hier in Österreich forschen. Sie werden dies­bezüglich in vielerlei Hinsicht unterstützt“ (LJ 3-19:32–35).

Gute Förderung ist aber nur eine Zutat für lang­fristigen Erfolg, eine weitere ist, sich zusammen­zuschließen, Interessen zu bündeln und gemeinsame Sache zu machen. Genau das will man mit „Biotech Austria“ erreichen. „Das Ziel des Verbands ist es, die Zusammen­arbeit zwischen Politik, Wissen­schaft und der Biotech-Branche zu stärken und zu fördern“, heißt es in der dazu­gehörigen Presse­mitteilung. Man wolle zukünftig mit einer Stimme sprechen. Und zwar einer „gewichtigen“, um Rahmen­bedingungen noch weiter zu verbessern und Synergie­effekte zu nutzen. In Deutschland gibt es übrigens bereits seit 2004 den Branchen­verband der Biotechnologie-Industrie, BIO Deutschland.

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Große Schlagkraft

Hinter der öster­reichischen Initiative stehen die vier Firmen Apeiron Biologics, Haplogen Bioscience, Hookipa Pharma und Lexogen. „Die Biotech-Branche ist ein sehr wichtiger Wirtschafts­sektor in Österreich“, erklärt Peter Llewellyn-Davies, Präsident des neu gegründeten Verbands und CEO von Apeiron Biologics, in einer Presse­mitteilung. „Biotech­nologie spielt eine immense Rolle für das Wohl­ergehen der Menschen, die öffent­liche Gesundheit und damit für die Wirtschaft. In diesem Jahr hat die Corona-Pandemie nochmal allen verdeutlicht, wie lebens­wichtig die Innova­tionen der Biotech­nologie sind. Die Entwicklung und Zulassung des ersten SARS-CoV-2 Impfstoffs in weniger als einem Jahr zeigt die großen Potentiale und die Schlagkraft unserer Industrie.“

Apropos SARS-CoV-2, da haben zwei der vier Firmen auch konkret etwas zu bieten. Apeiron Biologics beispiels­weise einen Wirkstoff-Kandidaten namens APN01, der als lösliche ACE2-Variante (im Gegensatz z. B. zum Fusions­protein von Formycon, LJ berichtete) virale Partikel bindet und somit verhindert, dass diese an das „echte“ ACE2 auf der Wirtszell­oberfläche andocken und die Zelle infizieren. Anfang Dezember vermeldete Apeiron, dass inzwischen die Patienten­rekrutierung für eine Phase-2-Studie mit APN01 abgeschlossen ist. Ergebnisse sollen im ersten Quartal 2021 bekannt­gegeben werden.

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Neue Chance für Remdesivir?

Vielleicht wirkt Apeirons ACE2-Kandidat im Duett sogar besser? Und zwar mit dem fast schon aussor­tierten Remdesivir. Das legt zumindest eine kürzlich veröffent­lichte Studie nahe, die eine solche Kombinations­therapie an Vero-E6-Zellen und Nieren­organoiden untersucht hat und zum Schluss kam: „Human soluble ACE2 improves the effect of remdesivir in SARS-CoV-2 infection“ (EMBO Mol Med:e13426).

Das wäre nicht die erste Beo­bachtung dieser Art. Auch in Kombination mit dem Arthritis-Medikament Baricitinib, einem Janus-Kinase-Inhibitor, soll Remdesivir effektiver sein und die Genesung beschleunigen (NEJM, 10.1056/NEJMoa2031994). Die Daten aus klinischen Studien waren so über­zeugend, dass die FDA bereits im November dieser Präparat-Kombi eine Notfall­zulassung für die Behand­lung von hospita­lisierten COVID-19-Patienten erteilte. Ist das die Rückkehr von Remdesivir? Den Hersteller Gilead Sciences würde es zumindest freuen.

Zurück nach Österreich. Auch Lexogen ist in der Pandemie kreativ geworden und hat neuerdings einen Massentest-tauglichen SARS-CoV-2-Test auf NGS-Basis im Angebot. Bis zu 36.864 Proben können, laut Firma, gleichzeitig innerhalb von 20 Stunden analysiert werden. Ansonsten kümmern sich die „RNA Experts“ eher um Transkriptom-Analysen aller Art.

Viren überall

Auch bei den beiden anderen Firmen, die im Biotech-Austria-Vorstand vertreten sind, stehen Viren im Mittelpunkt. Haplogen hat beispiels­weise Picorna-, Rhino-, Grippe- und Hepatitis-B-Viren den Kampf angesagt. Dabei zielen sie auf der Suche nach Wirk­stoffen nicht auf das Virus selbst ab, sondern haben Ziele des Wirtes, sogenannte Host Factors, im Blick. Hookipa hingegen nutzt Arenaviren als Vektor, um Virus- oder Tumor-spezifische Gene zu dendri­tischen Zellen zu bringen – damit diese dann die cytotoxische T-Zell-Antwort in Gang setzen. Zwei Wirkstoff-Kandidaten hat Hookipa bereits in die klinische Prüfung (Phasen 1 und 2) gebracht.

Neben diesen vier sind 16 weitere Biotech-Firma aktuell im Biotech-Austria-Lobby­verband organisiert. Darunter einige, über die Laborjournal in der Vergangen­heit bereits berichtete: Allcyte, Ares Genetics, Marinomed und Phagomed.

Kathleen Gransalke

Bild: Pixabay/Chickenonline (Österreich-Fahne) & Pixabay/ArtsyBee (Medikamente)