Messerscharf

(03.12.2020) Humane T-Zell-Rezeptoren aus transgenen Mäusen – T-knife aus Berlin geht neue Wege, um adoptive T-Zell-Therapien zu verbessern.
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Was das alles mit Messern zu tun hat, erklärt Immunologin Elisa Kieback (Foto), Mitgründerin und Geschäfts­führerin des Biotech-Start-ups.

Frau Kieback, T-knife hat im August eine 66 Millionen Euro-Investi­tionsrunde abgeschlossen. Damit ist Ihre Firma Spitzen­reiter im Jahr 2020 unter den Biotech-Start-ups. Mit diesem Finanz­polster können Sie eine ganze Weile beruhigt entwickeln, oder?
Elisa Kieback: Ja, das war wirklich ein großer Erfolg.

Offensichtlich haben Sie die Investoren mit Ihrer Idee überzeugt. Es geht um T-Zell-Therapien. Was daran ist neu zu vergleich­baren Ansätzen?
Kieback: Wir entwickeln eine Zelltherapie zur Behandlung von Tumor-Erkrankungen. Dafür nutzen wir Patienten-eigene T-Zellen und program­mieren sie um, verändern sie also genetisch. Sie erhalten einen spezifischen Rezeptor, der Tumorzellen gezielter erkennt. Dann erhalten die Patienten diese veränderten T-Zellen zurück, die dann optima­lerweise Krebszellen eliminieren. T-knifes Kern­technologie ist die Entwicklung dieser humanen T-Zell-Rezeptoren, HuTCRs. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen stammen unsere TCRs aus transgenen Mäusen.

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Welchen Vorteil bietet das?
Kieback: Wir erreichen dadurch eine sehr hohe Spezifität, denn durch die Entstehung in dem Organismus Maus durchlaufen die Rezeptoren einen natürlichen Reifungs­prozess. Das Immun­system der Maus selektioniert viele unspezifische Rezeptoren heraus und reichert solche an, die spezifisch für das humane Antigen sind. Ein Vorteil ist außerdem, dass die Maus keine immuno­logische Toleranz gegen die menschlichen Targets, die Tumormarker, hat. Genau das ist ja aber oft das Problem bei Krebs-Erkran­kungen, dass Tumorzellen vom eigenen Immunsystem nicht als fremd erkannt und dement­sprechend nicht bekämpft werden.

Also individuelle TCRs aus der Maus?
Kieback: Man muss sich das so vorstellen, dass wir zwar die Zell­produkte individuell für den Patienten herstellen, aber die Rezeptoren designen wir so, dass sie immer für eine große Patienten­gruppe zur Verfügung stehen. Wir generieren einen spezifischen T-Zell-Rezeptor in der Maus, charak­terisieren ihn und verwenden ihn dann – zukünftig – für viele Patienten, die alle den gleichen Tumormarker tragen.

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Das heißt, was genau unterscheidet Ihre Mauslinien?
Kieback: Wir Menschen sind immuno­logisch ja auch unterschiedlich. Wir haben verschiedene HLAs [Humanes Leukozyten-Antigen, Anm. d. Red.], also die Moleküle, die später der T-Zelle und dem TCR das Tumor-Antigen auf der Zellober­fläche präsentieren. Jede Mauslinie trägt einen Rezeptor, der spezifisch für einen konkreten HLA ist. In der ersten Mauslinie, die wir entwickelt haben, können wir zum Beispiel Produkte für Menschen entwickeln, die HLA-A2-positiv sind, das sind etwa 40 bis 50 Prozent der kauka­sischen Bevölkerung. Mit unseren unter­schiedlichen Mauslinien können wir später also viele verschie­dene Patienten-Populationen erreichen.

Wie haben es die Mäuse denn von der Academia in die Industrie geschafft?
Kieback: Die Entwicklung dieser Maus im Labor von Thomas Blanken­stein vom Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin dauerte fast zehn Jahre. Irgendwann war klar, dass diese Plattform, also diese Maus, ein riesiges Potential hat, um mehr als nur ein Produkt daraus zu entwickeln. Dafür braucht es aber entspre­chendes Kapital und auch Personal, das lässt sich nicht in einer akade­mischen Forschungs­gruppe entwickeln. 2016 haben wir eine erste klinische Studie mit modifi­zierten T-Zellen gestartet und haben schnell gemerkt, wie heraus­fordernd und schwierig das im akade­mischen Umfeld ist. Mit einer Venture-Capital-finanzierten Firma können wir dies viel effizienter umsetzen. Also haben wir 2017 T-knife gegründet.

Wer ist wir?
Kieback: Wir waren zu dritt: Thomas Blanken­stein bleibt aber weiterhin der akade­mischen Forschung treu, Holger Specht hat beim Einwerben von Venture Capital geholfen und ist jetzt Gesell­schafter, und ich. Als einzige der Gründer bin ich operativ in der Firma tätig, als Geschäfts­führerin.

Der große Geldsegen kam ja nun aber erst dieses Jahr. Wie haben Sie sich denn bis zum August 2020 finanziert?
Kieback: Wir wurden vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung gefördert. Für diese initiale, akademische Studie hatten wir 4 Millionen Euro zur Verfügung. Das war aber alles noch am Max-Delbrück-Centrum. Für T-knife haben wir dann gleich zu Beginn eine Seed-Finan­zierung abschließen können, mit Boehringer Ingelheim Venture Fund und Andera Partners. Diese zwei Investoren sind auch jetzt wieder mit dabei. Das ist ein gutes Signal, denn ich denke, dass die Investoren das Potential der Plattform verstanden haben und auch das, was es von den anderen TCR-Therapie-Techno­logien unterscheidet.

Sprechen wir über den Firmen­namen. Das T in T-knife lässt sich schnell erklären. Aber was hat es mit dem Messer auf sich?
Kieback: Die Idee für den Namen stammt tatsächlich von Thomas Blanken­stein. Das T steht offensichtlich für T-Zelle oder TCR. „Knife“ symbolisiert das chirurgische Messer, das präzise den Tumor heraus­schneidet, während es das gesunde Gewebe intakt lässt.

Das klingt durchdacht. Oder war es ein Geistesblitz?
Kieback: Soviel ich weiß, hat er mit dieser Idee schon sehr lange gelebt. Sein Traum war: Wenn ich irgendwann einmal eine Firma gründe, dann soll sie T-knife heißen. [lacht] Es gab keine Marketing-Agentur, die das erarbeitet hat oder dergleichen. Na ja, und so war der Name schon lange vor der Firma da.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief T-knife
Gründung: 2017, aber erst seit 2018 richtig aktiv
Sitz: Berlin
Mitarbeiter: 22
Produkt: In Mäusen generierte humane T-Zell-Rezeptoren für T-Zell-basierte Krebstherapien

Sie möchten mehr über T-knife und humane TCRs erfahren? Dann lesen Sie das Firmen­porträt über das Berliner Start-up in der demnächst erscheinenden Print­ausgabe von Laborjournal (12/2020).

Bild: Pixabay/moritz320 (Messer) & T-knife (E. Kieback)



Letzte Änderungen: 03.12.2020