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(22.10.2020) Um weiter zu wachsen, ist es manchmal sinnvoll, seine Firma zu verkaufen – so Holger Eickhoff, Gründer des Mikrodispensier-Spezialisten und MPG-Spin-offs Scienion.
Scienions Technologien basieren auf Arbeiten der Gruppe von Hans Lehrach am Max-Planck-Institut für molekulare Genetik in Berlin. Die Max-Planck-Gesellschaft (MPG) patentierte Teile der Technologie und brachte sie in die 2001 ausgegründete Scienion ein, in der seitdem Holger Eickhoff als Gründer und Vorstand tätig ist. „Angefangen haben wir mit Geräten zur Microarray-Produktion“, erinnert er sich.
Und dafür muss man auch sehr kleine Mengen an Flüssigkeiten umverteilen. Sehr klein bedeutet in diesem Fall bis in den Nano- und Pikoliterbereich hinein. „Unsere Maschinen funktionieren ähnlich wie Tintendrucker. Nur, dass wir keine Tinte drucken, sondern funktionale Moleküle wie DNA, Peptide oder Antikörper“, erklärt Eickhoff. Mit dieser Technologie konnten unsere Kunden schnell auch andere Biosensoren und Schnellteststreifen entwickeln, wie etwa für Schwangerschaftstests.“ Und Eickhoff ergänzt: „Über die Jahre haben wir es sogar geschafft, einzelne, lebende Zellen zu drucken, eine Kerntechnologie für die Zukunft in hochaufgelöster Diagnostik und regenerativer Medizin“.
Von Berlin in die Welt
Als die ersten Firmenräume in Berlin zu eng wurden, expandierte das Start-up zunächst nach Dortmund und dann in die ganze Welt. Heute gibt es Scienion in Deutschland, Großbritannien und den USA mit insgesamt mehr als 130 Mitarbeitern. Die Firma verkauft sowohl die Maschinen als auch die zugehörigen Dienstleistungen an ihre Kunden, die für Geräte der Precision-Dispensing-Spezialisten zwischen 50.000 und mehreren Millionen Euro zahlen.
Erfolgreiche Unternehmen wecken immer auch Begehrlichkeiten. So ist im letzten Jahr neben anderen Interessenten auch die schwedische Cellink auf Scienion aufmerksam geworden und konnte schließlich im Sommer dieses Jahres alle Firmenanteile aufkaufen. Bereits 2019 hatte sich Cellink für umgerechnet 30 Millionen Euro die Expertise der Freiburger Cytena gesichert, die seit 2014 mit ihren Einzelzell-Druckern auf dem Markt sind. Auch Cellink ist auf den 3D-Druck von biologischen Materialien spezialisiert und verkauft alles vom 3D-Drucker bis zur Druckertinte, in der sich lebende Zellen wohlfühlen. Mit dem Kauf von Scienion soll das Portfolio von Cellink nun in Richtung Diagnostik und Pharmakologie erweitert werden. 80 Millionen Euro haben die Schweden dafür hingeblättert.
Anteile zu Geld gemacht
Auch die Max-Planck-Gesellschaft kriegt was vom Millionen-Batzen ab. Denn die Gründungspatente, die der MPG gehörten, hatte sie an Scienion auslizenziert – im Austausch gegen Firmenanteile. Einige der Patente sind inzwischen abgelaufen, die Anteile aber waren geblieben und deren Erlös kann die Max-Planck-Gesellschaft jetzt wieder in Forschung investieren. Laut Jahresbericht hat die MPG im letzten Jahr übrigens rund 20 Millionen Euro aus Lizenz- und Know-how-Verträgen erlöst.
Die Übernahme durch Cellink scheint dabei keine klassische Angelegenheit zu sein, in der es vornehmlich um Geistiges Eigentum bzw Know-how geht und das Start-up im Grunde genommen aufgelöst wird. Das glaubt zumindest Holger Eickhoff, der die Scienion weiterhin führen wird. „Die Zeichen stehen auf Wachstum bei Scienion. Wir sind operational eine sehr starke Firma und werden nicht verschwinden, sondern wachsen,“ sagt er uns.
Rares spart Bares
Dabei hat er weitere Anwendungen speziell für die Einzelzell-Genomik und -Proteomik im Blick. „Scienion entwickelt neue Technologien im Single-Cell-Handling, die aber sehr teuer sind, und welche Cellink nun finanzieren wird“, erklärt der Vorstand. Denn wenn es um sehr kleine Volumen oder einzelne Zellen geht, ist Scienion ein „global player“, wie es Eickhoff beschreibt. Und er betont: „Mit unserer Technologie können wir nicht nur die einzelnen Zellen studieren, sondern auch Wirkstoffe darauf geben und deren Effekt untersuchen“. Durch die geringen benötigten Mengen spare man sogar Bares. „Milliliter reichen bei uns für Jahre!“, sagt Eickhoff. Außerdem können die Mikro-Dispensierer auch einzelne und vor allem seltene Zellen isolieren und untersuchen, welche sonst in der Masse untergehen würden.
Auch die COVID-19-Pandemie bedeutete für Scienion keinen Rückschlag. Ganz im Gegenteil. Holger Eickhoff berichtet, dass seine Firma einige Millionen COVID-19-Tests herstellen wird und dazu noch Maschinen verkauft, damit die Testkapazität in Diagnostik-Unternehmen massiv ausgeweitet werden kann. „Es wird nicht langweilig“, meint Vorstand Eickhoff, der sich auf eine noch steilere Wachstumskurve innerhalb der neuen Mutterfirma Cellink einstellt.
Karin Lauschke
Foto: Pixabay/Free-Photos