Impulsiver Schnelltest
(09.09.2020) Die britische Regierung setzt zur Bewältigung der SARS-CoV-2-Pandemie auf den qRT-PCR-basierten CovidNudge-Test. Was kann die Maschine?
CovidNudge wurde vom britischen Start-up DnaNudge entwickelt, das der Medizin-Ingenieur Chris Toumazou vom Imperial College London vor einigen Jahren mitgründete. 2019 brachte die Firma das tragbare Genotypisierungs-Gerät DNANudge auf den Markt, das Profilanalysen von Genen ermöglicht, die mit ernährungsabhängigen Krankheiten wie Diabetes oder Fettleibigkeit zusammenhängen. Das Genprofil soll die persönlichen Krankheitsrisiken aufdecken und den Anstoß („Nudge“) dazu geben, die Ernährung entsprechend umzustellen.
DNANudge besteht im Wesentlichen aus einer rotierenden Scheibe, auf der die Proben in verschiedenen Segmenten zunächst lysiert und gewaschen werden. Anschließend gelangen sie zu einem Chip-Modul, in dem entsprechende Markergene mit einer PCR amplifiziert und mit einem optischen System nachgewiesen werden (hier geht's zum Patent).
Rotierendes Karussell
Für den SARS-CoV-2-Nachweis musste Toumazous Team das Ganze nur etwas modifizieren (medRxiv, DOI: 10.1101/2020.08.13.20174193). Die Konstruktion besteht aus einer Einweg-Kartusche, in der alle nötigen Reagenzien enthalten sind. Die Kartusche wird auf die sogenannte NudgeBox aufgesteckt, die als Rotor, Thermocycler und Druckregulierer fungiert (siehe Bild). Sie ähnelt einem Karussell, das in unterschiedliche Segmente unterteilt ist. Je nach Rotation entleeren die einzelnen Abteile ihre Flüssigkeit in das Zentrum des rotierenden Karussells.
Das Abstrichstäbchen wird in einen Schlitz gesteckt und automatisch abgeschnitten, so dass nur die Spitze mit der Probe in der Kartusche verbleibt, die sich danach schließt. Anschließend wird die in der Spitze des Stäbchens enthaltene RNA durch einen Lysepuffer freigesetzt und von einer Silica-Fritte aufgefangen. Das scheibenförmige Karussell dreht sich weiter, wodurch die RNA mit Waschpuffer gereinigt und mit Elutionspuffer wieder abgelöst wird. Sie landet schließlich im letzten Segment der Scheibe, das einen lyophilisierten RT-qPCR-Master-Mix enthält, der sich in der RNA-haltigen Flüssigkeit auflöst. Das Karussell bewegt sich danach noch einen letzten Schritt weiter und befördert die Mischung in die Wells einer winzigen Mikrotiterplatte, die Zielgen-spezifische Primer und Fluoreszenz-Proben enthalten. Mit einem entsprechenden Temperaturprogramm werden die Zielgene schließlich mit einer qRT-PCR amplifiziert.
Platz für Replikate
Die 72 Wells der Mikrotiterplatte bieten genügend Platz für Replikate und erlauben es, mehrere Zielsequenzen zu testen. In jeweils sechs bis acht unsortiert auf der Platte verteilten Wells werden SARS-CoV-2-Marker bestimmt, unter anderem vom Nukleokapsid-Gen (n1, n2, n3). Als Kontrolle dient das humane RNaseP-Gen. Von sieben Virus-Sequenzen erwiesen sich bei Spike-in-Experimenten und Probenanalysen drei als besonders geeignet (Detektionsgrenze: 5 bis 50 Kopien/µl beziehungsweise 10.000 Viruspartikel pro Abstrich). Die freigewordenen Plätze könnte man für die Bestimmung weiterer Viren nutzen, etwa FluA, FluB oder RSV.
Wie zuverlässig ist CovidNudge? Offensichtlich nicht wesentlich weniger als die klassische qRT-PCR. Von 386 Proben, die aus Patienten-Gruppen mit hoher (25 Prozent) oder niedriger (3 Prozent) Infektionsrate stammten, wurden durchschnittlich 94,4 Prozent korrekt als positiv oder negativ eingeordnet. Die Spezifität lag bei nahezu 100 Prozent.
Die britische Regierung scheint zumindest ziemlich überzeugt von CovidNudge zu sein. Sie orderte Anfang August 5,8 Millionen Testkits für 161 Millionen britische Pfund (etwa 177 Millionen Euro) und will sie in den Krankenhäusern des National Health Services einsetzen.
Andrea Pitzschke
Foto: DnaNudge