Licht an, Keim aus

(06.08.2020) Die Photoaktivatoren des Regensburger Start-ups Dyphox produzieren unter normalem Raumlicht reaktions­freudigen, antimikro­biellen Singulett-Sauerstoff.
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Editorial

Warum das alltagstauglich ist, erklärt Wirtschafts­ingenieur und Geschäftsführer Xaver Auer [abgebildet].

Herr Auer, Ihre Firma heißt TriOptoTec, die Webseite firmiert allerdings unter Dyphox, was gleichzeitig der Name Ihrer Technologie ist. Wie heißt das Unternehmen denn jetzt und warum?
Xaver Auer: Umbenennungen gibt es in der Historie vieler Unternehmen. TriOptoTec ist ein von Wissen­schaftlern kreiertes Kunstwort. Tri steht für die drei Bestandteile der Technologie, nämlich Farbstoff, Sauerstoff und Licht, Opto, weil es ein opto­physikalisches Verfahren ist, und Tec für Technologie. Statt TriOptoTec haben wir etwas griffigeres gesucht und sind bei Dyphox gelandet. Dy steht für das englische Wort für Farbstoff und phox ist ein Kunstwort zum Thema Photo­dynamik. Somit heißen wir im Handels­register TriOptoTec GmbH, vermarkten uns aber unter Dyphox.

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Gerade jetzt in Corona-Zeiten sind Oberflächen-Desinfektionen sicherlich besonders gefragt. Aber Dyphox gibt es ja bereits länger. Wofür wurde es ursprünglich entwickelt?
Auer: Wir sind ein Spin-off der Universitäts­klinik Regensburg. Dort in der Dermatologie ist die Arbeits­gruppe von Wolfgang Bäumler angesiedelt, die sich mit der Erforschung von Licht- und Photo­therapien beschäftigt hat. Bei der photo­dynamischen Therapie werden sogenannte Photo­kataly­satoren oder Photo­aktiva­toren eingesetzt. Das sind Farbstoffe, die Energie aus Licht aufnehmen und diese unmittelbar an den sie umgebenden Luft­sauerstoff weitergeben. Dieser wird zu Singulett-Sauerstoff angeregt, der zwar kurzlebig, aber auch sehr reaktions­freudig ist. Dieses Prinzip wird zum Beispiel bei Haut­erkrankungen oder Bronchial­karzinomen eingesetzt. Singulett-Sauerstoff inaktiviert aber ebenso Bakterien, Viren, Pilze und Sporen durch Oxidation der äußeren Schichten der Organismen. Die Frage war also: Wie hilft uns das etwa bei nosokomialen Infektionen? Man geht davon aus, dass sich in Deutschland jedes Jahr etwa 600.000 Menschen im Krankenhaus mit Bakterien oder Viren infizieren. Die wiederum verbreiten sich über Oberflächen: Patienten­wagen, Tastaturen, medizinische Geräte oder Türklinken.

Also war die Idee, diese Farbstoffe auf die Oberflächen aufzubringen?
Auer: Genau. Dafür mussten die Forscher neue Farbstoff­moleküle entwickeln. Denn auf Oberflächen müssen sie langlebiger sein und mit weniger Licht auskommen als zum Beispiel in einer Tumor­therapie. Dort setzt man gezielt eine Lichtquelle ein, während Oberflächen nur normalem Raumlicht ausgesetzt sind. Es wurden drei passende Farbstoff­gruppen identifiziert und patentiert. Der nächste Schritt war, die Firma zu gründen und Produkte auf den Markt zu bringen.

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In der photodynamischen Therapie werden oft Porphyrine eingesetzt. Um welche Farbstoff­gruppen handelt es sich denn bei den Molekülen von Dyphox?
Auer: Porphyrine sind stark farbgebend, da wird eine Oberfläche zum Beispiel schnell gelb. Außerdem sind sie nicht lagerstabil. Beides möchte man natürlich nicht. Wir nutzen unter anderem Phenalenone, das sind im Grunde Pflanzen­wirkstoff-Ableitungen mit einem sehr hohen Wirkungs­grad. Energie, die wir über Licht reinstecken, kommt zu nahezu 100 Prozent wieder heraus. Bei Porphyrinen liegt die Ausbeute zwischen 60 und 80 Prozent.

Antibakterielle Oberflächen­beschichtungen gibt es ja bereits. Was ist der Vorteil von Dyphox?
Auer: Das Prinzip der antimikrobiellen Oberflächen ist nicht neu, ja. Aber alle heute bekannten Verfahren wie Silber, Kupfer, Titandioxid oder klassische Biozide haben Nachteile und funktionieren oft nur unter Labor­bedingungen. Nehmen wir Silber. In Labortests tötet Silber mehr als 99 Prozent der Keime. Aber es ist Flüssigkeit nötig, um Silberionen herauszulösen und zu transportieren. Nur dann kann Silber in Bakterien eindringen und sie zerstören. Auf trockenen Oberflächen findet kein Ionen­transfer statt. Die meisten Oberflächen im Gesund­heits­wesen sind aber nun einmal trocken. Wir sind die einzigen Anbieter am Markt mit einer Anwendung, die die Keimlast auf trockenen Oberflächen signifikant reduziert und dabei auch alltags­tauglich ist, was wir in einer breit angelegten Studie in zwei Regensburger Kranken­häusern nachweisen konnten. Ein weiterer Vorteil ist, dass der aktivierte Sauerstoff bereits nach Millisekunden wieder in seinen Ursprungs­zustand zurückfällt, bis dahin aber seine Umgebung stark oxidiert hat. Bakterien können also keine Resistenzen bilden, dafür ist der Prozess viel zu schnell.

Wie lange sind die Farbstoffe denn in Beschichtungen stabil? Oder anders gefragt: Wie oft muss man Oberflächen nachbehandeln?
Auer: Unser Photo­aktivator funktioniert in Wandfarben, Lacken oder Elastomeren, also zum Beispiel Kunststoff­schläuchen. Einzige Voraussetzung ist, dass die Beschichtung nicht zu hoch vernetzt ist, denn es muss ja ein Gas­austausch stattfinden. Wir haben eine transparente Polymer­beschichtung entwickelt, die sich einfach auf nahezu alle Oberflächen auftragen lässt und bei Raum­temperatur aushärtet. Die Photo­aktivatoren darin sind etwa ein Jahr lang stabil. Dann muss die Behandlung wiederholt werden, was aber aufgrund von mechanischer Belastung sowieso sinnvoll ist.

Wo – außer in Kliniken – sind photo­dynamische Beschichtungen sinnvoll?
Auer: Wir verkaufen die Additive, also die Farbstoffe, an Wandfarben- und Lackhersteller bereits seit Anfang 2019, unsere eigene Beschichtung seit Ende 2019. Der Fokus liegt bisher klar im Gesund­heitswesen, also zum Beispiel Arztpraxen, Alten- und Pflegeheime. Aber wir sehen Dyphox auch in anderen sensiblen Bereichen, wie öffentliche Verkehrs­mittel, also Bus und Bahn, oder Autobahn­raststätten und öffentliche Toiletten. Einfach überall dort, wo Menschen viel Oberflächen berühren.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief Dyphox
Gründung: eigentlich schon 2010, aber aktiv erst seit 2017
Sitz: Regensburg
Mitarbeiter: Aktuell 16, bis Oktober wird auf 20 aufgestockt
Produkt: Photodynamischer Katalysator zur Keimabtötung auf trockenen Oberflächen

Bilder (2): Dyphox