Crowd(funding) beats Corona

(30.07.2020) Viele Biotech-Start-ups arbeiten an dringend benötigten COVID-19-Diagnostika und Therapien. Dafür brauchen sie Geld, und das am besten schnell.
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Editorial

Crowdfunding bietet eine gute Möglichkeit, mit relativ geringem Aufwand entweder an Geld zu kommen oder solches zu investieren. Start-ups haben längst diese Chance für sich entdeckt. Gerade kleine Firmen, die bei Ausschrei­bungen für staatliche Fördertöpfe durchs Raster fallen, haben durch Crowdfunding die Chance, doch noch an Geld zu kommen. Auf der anderen Seite ermöglicht Crowdfunding Privat­personen, gezielt Unternehmen zu unterstützen, mit deren Produkten oder Philosophie sie sich identifizieren – und dabei mit etwas Glück sogar richtig Gewinn zu machen.

Damit nicht jede Firma das Rad neu erfinden muss, gibt es inzwischen Internet­plattformen, die sich auf die Abwicklung von Crowdfunding spezialisiert haben. Oft sind sie auf einen Geschäfts­bereich spezialisiert, beispielsweise auf Firmen, die im Umweltschutz oder im Gesund­heitssystem tätig sind. Zu letzteren gehört die in Frankfurt am Main ansässige Aescuvest GmbH, die 2014 von dem Bioinfor­matiker Patrick Pfeffer ins Leben gerufen wurde und damit die erste europäische Crowdfunding-Plattform mit Fokus Healthcare und Life Sciences war. Ihr Name ist eine Kombination aus Äskulap, dem griechischen Gott der Heilkunst, und Investment.

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Schwierige Geldbeschaffung

Die Corona-Pandemie hat viele Start-ups dazu bewogen, auf system­relevante Forschung umzusteigen und in Therapien und Diagnostika für COVID-19 zu investieren. An Fördergelder zu kommen, ist für kleine Firmen jedoch ungleich schwerer als für große und bereits am Markt etablierte, zumal „Corona-Gelder“ gerade vor allem in Richtung Impfstoff-Entwicklung fließen.

Um den Markteintritt von Unternehmen zu beschleunigen, deren Produkte zur Bekämpfung von COVID-19 dienen, hat sich Aescuvest nun mit anderen deutschen Crowdfunding-Plattformen zur #CrowdBeatsCorona-Allianz zusammen­geschlossen. „Die beteiligten Plattformen haben alle in ihren Investoren­kreisen auf die Kampagne aufmerksam gemacht“, erklärt Frank Schwarz, Kommuni­kationschef von Aescuvest, den Synergie­effekt. „Auf einigen Plattformen laufen die Angebote dann parallel, das entscheiden aber alle Plattformen von Fall zu Fall neu.“ Auf einen „Call for Innovations“ am 30. März, also nur kurze Zeit nachdem die Pandemie Deutschland erreicht hatte, bewarben sich 30 Unternehmen aus ganz Europa, von denen drei nach intensiver Begutachtung ausgewählt wurden.

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Antikörper und Virostatika

Zwei der „Gewinner“ setzen auf die Entwicklung von neuen Behandlungs­methoden. Die Kölner Proteona Antibody Protection GmbH wurde erst dieses Jahr als Reaktion auf die COVID-19-Pandemie als Teil des Mutter­konzerns Proteona mit Hauptsitz in Singapur gegründet. Insbesondere immun­geschwächte Personen sollen von der Behandlung mit Virus-neutra­lisierenden Antikörpern profitieren, die das Unternehmen gentechnisch herstellen möchte. Dazu werden einzelne B-Zell-Klone aus dem Blut geheilter COVID-19-Patienten sequenziert und ihre Antikör­pergene anschließend nachgebaut. Antikörper, die spezifisch an die für SARS-CoV-2 spezifischen Proteine E, M und S binden, werden dann im großen Maßstab produziert und in klinischen Studien untersucht.

Auf einen Wirkstoff, der die Replikation von SARS-CoV-2 hemmt, setzt die Berliner ImmunoLogik GmbH. Da dieser nicht die schnell mutierenden viralen, sondern zelluläre Strukturen im Menschen blockiert, ist das Risiko für die Entwicklung von Resistenzen gering. ImmunoLogik geht davon aus, dass sich die als IML-206 bezeichnete Substanz nicht nur gegen SARS-CoV-2, sondern gegen eine ganze Bandbreite an Coronaviren einsetzen lässt.

Probennahme im Wohnzimmer

Basis aller Therapien – und damit letztlich auch der Eindämmung der Pandemie – sind vor allem schnelle und sichere Verfahren zur Identifi­zierung von Infizierten. Allerdings kommt es gerade bei der Testung immer wieder zu Engpässen. Hier möchte die PharmGenomics GmbH aus Mainz mit einem kontakt­losen Labortest für zu Hause Abhilfe leisten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Betroffene müssen nicht zum Arzt, sondern nehmen zu Hause eine Probe und schicken diese ins Testlabor. Das Ergebnis kommt bequem per E-Mail. Der Viren- respektive Antikörper­nachweis erfolgt weitest­gehend automatisiert gemäß den Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts mittels PCR- bzw. ELISA-Verfahren.

Alle Firmen durchliefen für den „Call for Innovations“ einen intensiven Begutach­tungsprozess wie Philip Freese, Finanzchef von PharmGenomics, darlegt: „Wir mussten zunächst eine Bewerbung einreichen, die von einem unab­hängigen Experten-Gremium („Investment-Komitee“) begutachtet wurde. Nach dessen Placet haben wir vor der Geschäfts­führung präsentiert. Nachdem beide Instanzen grünes Licht gegeben hatten, mussten wir eine umfang­reiche Unter­nehmens­dokumentation vorlegen, die eingehend geprüft wurde.“

PharmGenomics ist nun die erste der drei Firmen, die bei Aescuvest zum Crowdfunding bereitsteht. „Die anderen beiden befinden sich noch in der Vorbereitung und werden in Kürze folgen“, erklärt Frank Schwarz von Aescuvest. „Die Unternehmen sind startklar und warten nur noch auf die Freigabe der Angebots­unterlagen durch die Aufsichts­behörde BaFin“ [Bundesanstalt für Finanz­dienstleitungs­aufsicht].

Aussicht auf hohe Rendite

PharmGenomics möchte über die Kampagne 500.000 Euro einsammeln, von denen bisher mehr als 67.000 Euro erreicht sind (Stand: 30.07.2020). Sollte das Ziel verfehlt werden, würden alle Investoren ihren Einsatz zurück­bekommen und PharmGenomics müsste das erforderliche Kapital auf andere Weise einwerben, wie Schwarz erklärt. Sowohl er als auch Freese sind aber zuversichtlich, dass das nicht nötig sein wird. „Durch die Kampagne haben wir bereits viel Medien­aufmerksamkeit erhalten, von den großen Tages­zeitungen der Rhein-Main-Region bis hin zu RTL“, so Freese. „Wir gehen davon aus, dass uns das Auftrieb geben wird.“

Zwar stehe das Thema „Coronatest“ im Moment nicht mehr so im Fokus, aber „so lange es keinen Impfstoff gibt, wird neben Abstand halten das Testen das wichtigste Mittel im Kampf gegen die Pandemie bleiben. Mit unserem komplett kontakt­losen Verfahren haben wir da sicher ein Ass im Ärmel, das sich im Herbst auszahlen wird.“

Bei Aescuvest fühlt sich Freese gut aufgehoben: „Aescuvest ist eine auf den Gesund­heitssektor spezialisierte Plattform, und die Investoren haben zu großen Teilen einen Bezug zur Branche, was von Vorteil für das Verständnis unseres Unternehmens und des Marktes ist. Wichtig für uns war auch, dass Aescuvest Partner von EIT Health, einer von der EU geförderten Gesund­heitsinitiative, ist. Durch die Allianz #CrowdBeatsCorona wird unsere Kampagne zudem auch über andere Plattformen beworben, aktuell bei FunderNation, Moneywell und bald auch auf Conda.“ Dennoch ist es dem PharmGenomics-Finanzchef wichtig zu betonen, dass die Firma nicht vom Erfolg des Crowdfundings abhängig ist: „Unsere Finanzierung steht insgesamt natürlich auf mehreren Säulen.“

Die Investition in ein Start-up ist ein risiko­reiches Unterfangen, aber dafür winken vergleichs­weise hohe Renditen. So bietet PharmGenomics einen Festzins von 6 Prozent pro Jahr sowie eine Gewinn­beteiligung. Interessenten registrieren sich unentgeltlich über eine E-Mail-Adresse oder ein Konto in den sozialen Medien, wählen ein Unternehmen sowie den gewünschten Investi­tionsbetrag. Bei PharmGenomics kann man ab 100 Euro einsteigen; Gebühren erhebt Aescuvest erst, wenn der Investor tatsächlich Gewinn macht. Dann noch Bankdaten angeben, Foto des Personal­ausweises hinterlegen und Betrag überweisen. Nun kann das Geld arbeiten: für den Investor, für die Corona­forschung und für unsere Gesundheit.

Larissa Tetsch

Foto: Pixabay/artbaggage





Letzte Änderungen: 30.07.2020