Spitzenservice

(05.06.2020) Aus unserer Reihe 'Anekdoten aus dem Forscherleben': Wer kann kaum eigene Projekte bearbeiten, sammelt aber trotzdem haufenweise Zitate? – Klar, der Leiter einer Serviceeinheit.
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Editorial

Forscher Zirngibl leitet die Serviceeinheit „Proteinanalytik“ an einem der größten europäischen Forschungszentren. Was man alles mit Proteinen anstellen kann, er und seine Leute machen es gut – und machen es oft.

Schon seit Langem ist seine Gruppe mit ihrem Service nicht nur für die Teams aus seinem Hause da. Nein, regelmäßig treffen auch aufbereitete Proben aus ganz Europa bei Zirngibl ein. Und allzu oft hat er keinen Schimmer, worum es in den einzelnen Projekten überhaupt geht – schlichtweg, weil es ihm die Auftraggeber in den meisten Fällen gar nicht mitteilen. „Bitte Sequenz sowie posttranslationale Modifikationen ermitteln. Und möglichst noch 3D-Struktur.“ Das ist oftmals alles, was die Absender zu ihren Proben dazuschreiben.

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Immer das Gleiche mit wechselnden Proben

Sicher, Zirngibl hat auch sein eigenes kleines Protein-Projekt. Doch leider kommt er nur noch selten dazu. So gut ist seine Ausstattung, so zuverlässig sein Team, dass es nur so kracht vor Aufträgen. Und der Service für die anderen ist schließlich Hauptzweck und Daseinsberechtigung seiner Abteilung. Dafür, und nur dafür, ist er eingestellt. Und so steht es auch im Strukturplan des Instituts geschrieben.

Längst hat Zirngibl sich also damit abgefunden, immer das Gleiche mit wechselnden Proben zu tun – und am Ende nicht viel mehr als ein Rädchen zu sein, dass sich vor allem für die Ideen anderer zu drehen hat.

Doch eines verschafft ihm dennoch immer wieder diebische Befriedigung. Immerhin sind die Kollegen alle so nett, seinen Namen mit auf die Veröffentlichungen zu setzen, für die er die eine oder andere Probe durch seine Geräte schickte. Was er selbst natürlich auch nur rechtmäßig findet, da er mit seinen Leuten ja ganz konkrete Daten beisteuert. Klar steht er zwar immer irgendwo in der Mitte der Autorenliste, doch kommt auf diese Art doch ganz schön was zusammen. Weit mehr jedenfalls als beim normalen Durchschnitts-Biochemiker. Und in schöner Regelmäßigkeit steht sein Name gar in einem High-Impact-Journal.

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Nobelpreisträger abgehängt

Also klickt sich Zirngibl auch immer wieder mal in die Zitations-Datenbanken ein – meistens gerade dann, wenn ihn der Blues ob seines „Diener-Daseins“ besonders heftig packt. Dann schaut er, wie viele Zitierungen der weltweiten Forscher-Community auf seinen Namen fallen – und vergleicht seine Quote mit denjenigen einiger zufällig ausgewählter Nobelpreisträger oder anderer Forschungs-Promis. So gut wie immer schlägt er sie mit seinen Zitationszahlen um Längen.

Das weiß er zwar schon lange – aber es „schwarz auf weiß“ auf dem Monitor zu sehen, tut jedes Mal von neuem gut...

Ralf Neumann

Illustr.: PNGWING / LJ

(Die einzelnen Geschichten dieser Kolumne sind uns in aller Regel nicht genau so, aber doch sehr ähnlich referiert worden.)