Summender Knockout

(02.06.2020) CRISPR/Cas macht die Honigbiene zum Modelltier für die Alterns­forschung. Ricarda Scheiner etabliert die Methode gerade in ihrem Bienenlabor in Würzburg.
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Editorial

Mit den ersten Sonnenstrahlen kehrt im Frühling auch das Summen der Bienen in Wald und Flur zurück. Neben dem süßen Honig, den uns die fleißigen Arbei­terinnen bescheren, profitieren wir vor allem auch von ihrer Funktion als Bestäuber von Nutzpflanzen. So erfüllen Bienen – gemeinsam mit anderen Insekten – eine wichtige Rolle in der Land­wirtschaft und tragen maßgeblich zur ökologischen Vielfalt bei.

Doch nicht nur das macht die Bienen zu einem spannenden Forschungs­thema. Ihr soziales Zusammen­leben ist äußerst organisiert: Bienen­königinnen, Drohnen und Arbei­terinnen erfüllen definierte Aufgaben im Bienenstaat. Schon seit langem ist Ricarda Scheiner, Professorin und Arbeits­gruppen­leiterin am Lehrstuhl für Verhaltens­physiologie und Sozio­biologie am Biozentrum der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, fasziniert vom komplexen Verhalten der Bienen. Auch beim Altern zeigen Bienen so manche Besonderheit. Um diese weiter zu erforschen, möchte Scheiner nun die CRISPR/Cas9-Technologie einsetzen. Diese ermöglicht, beteiligte Gene zielgerichtet und effizient zu manipulieren, um deren Funktion besser zu verstehen. Für die Umsetzung ihrer Forschungs­idee hat Ricarda Scheiner kürzlich von der Volkswagen­Stiftung die Zusage über eine halbe Million Euro im Rahmen einer Momentum-Förderung erhalten.

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Die Biene als Modell

Bekannt ist, dass die Zahl der Bienen – wie die der meisten Insekten – in den letzten Jahren stark gesunken ist. Während der naheliegende Ansatz zum Schutz der Bienen darin besteht, die Bedingungen in der Land­wirtschaft Bienen-freundlicher zu gestalten – beispiels­weise durch ausgewiesene Schutzgebiete – gibt es auch Forscher, die das Problem aus der anderen Richtung angehen: Bienen resistenter gegenüber ihrer Umwelt machen.

In diesem Zusammenhang wird große Hoffnung in die CRISPR/Cas9-Technologie gesetzt. In einer Master-Arbeit von 2019 aus Südkorea wurde beispiels­weise eine Möglichkeit gezeigt, den Rezeptor für das Pestizid Spinosad auszuschalten, wodurch die Bienen resistent gegen das Pflanzengift wurden. Ebenfalls im letzten Jahr berichteten amerikanische und kanadische Forscher, wie sie mittels CRISPR/Cas9 das Geschlecht der Bienen veränderten (PLoS Biol, 17(5):e3000256). Die Publikation basiert auf der Arbeit von Martin Beye und Kollegen an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, die einen effizienten Weg der Mutagenese mittels CRISPR/Cas9 in Bienen etabliert haben. Dies eröffnet, so die PLoS-Biology-Autoren, ganz neue Möglich­keiten, die Biene als Modell­organismus in der Genom­forschung zu nutzen.

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Altern ist nicht gleich altern

Warum Ricarda Scheiner die Biene nun als Modell für die Alterns­forschung nutzen will, wird schnell klar: In der Regel steht das chrono­logische Altern in Zusammenhang mit einer reduzierten kognitiven Leistung. Nicht so bei Bienen. Wie alt eine Biene werden kann, hängt von verschie­denen Faktoren ab. Mit der Aussicht auf mehr als drei Lebens­jahre werden Bienen­königinnen mit Abstand am ältesten. Aber auch bei den Arbeite­rinnen gibt es große Unterschiede: Bienen, die im Sommer schlüpfen, haben nur etwa sechs Wochen zu leben – im Gegensatz dazu werden Winterbienen bis zu 6 Monate alt. Wodurch werden die älteren Bienen vor einer kognitiven Seneszenz geschützt? „Ein wichtiger Faktor für den Schutz vor dem Verfall im Alter ist das Eidotter­vorläufer­protein Vitellogenin“, erklärt Scheiner in einer Pressemitteilung.

Das Protein spielt eine wichtige Rolle im Leben der Bienen. So ist es zum Beispiel Schlüssel­regulator einer Verhaltens­änderung im mehr oder weniger kurzen Leben einer Arbeiterbiene. Diese kümmert sich als junge Biene zunächst um die Nachkommen und die Bienen­königin im Stock. Nach einiger Zeit steigt sie zur Sammlerin auf und fliegt aus zur Nahrungssuche.

Winterbienen hingegen schlüpfen kurz vor Ende der Nahrungs­periode und kümmern sich den Winter über um die Thermo­regulation und die Königin im Stock. Obwohl sie viel älter werden, ähneln sie physiologisch und kognitiv jungen Sommer­bienen. Auffallend sind hier hohe Titer an Vitellogenin – naheliegend also die Vermutung, dass das Protein vor Alterungs­prozessen schützt. Mit Hilfe von CRISPR/Cas9 soll nun also die Funktion von Vitellogenin beim Altern von Bienen untersucht werden. „Während der Knockout von Genen bei Honig­bienen bislang nahezu unmöglich war, bietet CRISPR/Cas9 ideale Möglichkeiten, die Funktion einzelner Gene in der adulten Biene aufzuklären“, so Scheiner.

Geld für neue Wege

Die Momentum-Förderung, die Ricarda Scheiner unterstützt, richtet sich an Wissen­schaftlerinnen und Wissen­schaftler aus allen Fachgebieten, die sich in den ersten 3–5 Jahren nach Antritt ihrer Professur befinden. Im Mittelpunkt stehen kreative Konzepte und die Vielfalt von Forschung. Die Laufzeit beträgt bis zu 7 Jahre und die Fördersumme kann je nach Anforderung bis zu einer Million Euro betragen. Damit können zum Beispiel Sachmittel, Personalkosten, aber auch Auslands­aufenthalte oder Projekte für die Wissenschafts­kommunikation finanziert werden. Mit der Förderung sollen kreative Wissenschaftler wie Ricarda Scheiner langfristig Freiräume bekommen, ihr Portfolio um neue Ansätze zu erweitern.

Melanie Erzler

Foto: Pixabay/umsiedlungen