Blutwaschmaschine mit Magnet

(28.05.2020) Magnetische Nanopartikel fischen krankmachende Stoffe aus dem Blut von Sepsis-Patienten: Das ist das Konzept des Zürcher Start-ups Hemotune.
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Editorial

Der gelernte Bänker und studierte Bioingenieur Lukas Langenegger leitet die Firma und erklärt, warum diese Technologie so wichtig ist.

Herr Langenegger, Sie entwickeln in Ihrer Firma Hemotune eine Maschine, die einem Dialysegerät ähnlich das Blut von Sepsis-Patienten reinigt. Wie genau funktioniert das?
Lukas Langenegger: Wir nutzen magnetische Partikel, die selektiv an verschiedene Zielsubstanzen binden. Unsere Nanopartikel sind etwa dreimal stärker magnetisch als vergleichbare Partikel aus Eisenoxid, die zum Beispiel in der In-vitro-Diagnostik oder im Labor verwendet werden. Das erlaubt es uns, die Partikel samt den Zielsubstanzen auch bei hohen Flussraten vollständig aus dem Blut zu entfernen.

Da muss ich kurz nachhaken: Warum sind die Partikel stärker magnetisch?
Langenegger: Es sind in einem patentierten Prozess hergestellte Eisen-Partikel, d. h. sie haben einen metallischen Eisenkern, der direkt bei der Produktion von einer Kohlenstoff-Schicht umhüllt wird. Die schützt den magnetischen Eisenkern davor, oxidiert zu werden. Denn Rost verringert die magnetische Funktionalität. Das Patientenblut wird also in der Dialysegerät-ähnlichen Einheit mit den Partikeln vermischt. Zuvor wurden diese mit Affinitäts­molekülen gekoppelt, etwa Antikörpern oder Peptiden. Die funktio­nalisierten Magnetpartikel binden dann hochselektiv und sehr effizient ihre Zielsubstanzen, beispielsweise LPS, Lipopolysaccharide, ein typischer, bakterieller Giftstoff. Das Blut fließt an einer magnetischen Separations­einheit vorbei, die Magnetpartikel und Zielsubstanzen entfernt, zurück in das Blutsystem des Patienten.

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Was ist der Vorteil gegenüber einer herkömmlichen Dialyse?
Langenegger: Unsere Technik ist auf die Behandlung von septischen Schockpatienten zugeschnitten, die in einer Immun­suppressions­phase sind. Am Anfang einer Sepsis kommt es zu einer überschießenden systemischen Immunreaktion. Viele Patienten fallen nach dieser ersten Phase in eine Sepsis-induzierte Immun­suppression, das heißt, das Immunsystem ist nicht mehr handlungsfähig. Oft sterben Sepsis-Patienten dann an Sekundär­infektionen. Wir holen die Patienten aus der Immunparalyse, um wieder eine normale Immunsystem­funktion herzustellen und die Patienten zu stabilisieren.

Ihr Gerät wird also auf Intensivstationen stehen?
Langenegger: Das Angebot richtet sich an Kliniken mit großen Intensivstationen, ja. Um einmal Zahlen zu nennen: Anfang 2020 gab es eine Publikation in Lancet (395:200-11), die zeigt, dass weltweit jedes Jahr elf Millionen Todesfälle im Zusammenhang mit Sepsis stehen. Das ist vergleichbar mit der Anzahl an Todesfällen, welche jährlich durch Krebs verursacht werden. Sepsis geht einher mit der Zerstörung des Immunsystems, was zu multiplem Organversagen und schlussendlich zum Tod führt. Die Mortalitätsrate auch in gut entwickelten Gesundheitssystemen wie der Schweiz liegen bei 25 % oder sogar darüber. Sepsis ist komplex, es passieren viele Dinge parallel. In der Vergangenheit hat man sich auf einzelne Wirkungspfade konzentriert. Mit unserem Ansatz können wir mehrere Zielsubstanzen parallel und trotzdem selektiv ansprechen. Ein solcher Multitarget Approach wäre mit pharma­zeutischen Ansätzen regulatorisch kaum auf den Markt zu bringen.

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Wie weit sind Sie mit der Entwicklung eines anwendungstauglichen Apparates?
Langenegger: Wir sind in der präklinischen Phase. Unser Prototyp hat jetzt eine Flussrate, die für den Menschen funktioniert. Jetzt müssen wir diesen technischen Prototypen in ein Seriengerät weiterentwickeln, das allen regulatorischen Anforderungen für Medizinprodukte entspricht. Unser Ziel ist es, in der zweiten Hälfte 2022 mit einer klinischen Studie zu beginnen.

Das bedeutet vermutlich, dass Sie momentan deutlich mehr Geld ausgeben als einnehmen. Wie finanziert sich Ihre Firma?
Langenegger: Absolut. Wir nehmen an verschiedenen EU-Projekten teil, wir haben Förderprojekte der Schweizer Innovations­förderung sowie starke Unterstützung von Wyss Zürich. Außerdem sind wir gerade dabei, eine Finanzierungs­runde mit klassischen Risiko­kapital­gebern abzuschließen, um die nächsten Schritte zu finanzieren. Allerdings haben wir den Vorteil, dass unsere Technik extrakorporal, also außerhalb des Körpers, funktioniert. Wir müssen also nicht mit Antikörpern oder Wirkstoffen in den Patienten­körper hinein. Während die Entwicklung von neuen Medikamenten mittlerweile Milliarden kostet, ist die Zulassung eines Medizin­produktes vergleichsweise unkompliziert, schneller und günstiger.

In alter Tradition frage ich auch Sie heute: Warum heißt Ihre Firma Hemotune?
Langenegger: Hemo kommt vom Griechischen und heißt Blut, einem der wichtigsten Kommunikations­kanäle des Körpers. Fast alle Krankheiten haben irgendwann mal etwas mit dem Blut zu tun. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, die Zusammen­setzung des Blutes zu modulieren. Wir machen sozusagen das Feintuning und entfernen selektiv verschiedene Substanzen gleichzeitig und durchbrechen so Wirkmechanismen, die für Krankheiten relevant sind. Darum haben wir uns im Gründerteam für diesen zusammen­gesetzten Namen Hemotune entschieden.

Sie sprechen das Hemotune-Gründerteam an. Sie haben 2017 nicht allein gegründet, wer war noch dabei?
Langenegger: Operativ gegründet habe ich gemeinsam mit Carlos Mora und Corinne Hofer. Wir waren alle Doktoranden in der Forschungs­gruppe von Wendelin Stark an der ETH Zürich. Mit uns im Labor war auch Robert Grass, der quasi den magnetischen Kern entwickelt hat. Gemeinsam mit Inge Herrmann, die die aktiven Schichten um den Kern hinzugefügt hat, hat er auch die ersten Tierstudien durchgeführt. Beide arbeiten nach wie vor akademisch, unterstützen uns aber als wissenschaftlicher Beirat.

Die Fragen stellte Sigrid März

Foto: Pixabay/allinonemovie (Blut), WyssZurich (Langenegger)

Steckbrief Hemotune
Gründung: 2017
Sitz: Zürich (Schweiz)
Mitarbeiter: 12
Produkt: Magnetpartikel-basierte Blutwaschmaschine für Sepsis-Patienten