Aus der Uni weg-geregelt

(20.03.2020) Aus unserer Reihe 'Anekdoten aus dem Forscherleben': Wie die Wirrungen im formaljuristischen Gestrüpp der Uni einen Forscher der Biotech-Industrie zutrieben.
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Editorial

Letzte Woche traf ich einen Biotech-Unternehmer. Eher privat und „off the record“. Dennoch kamen wir im Gespräch irgendwann auf die Gründung seiner Firma – damals vor fast 15 Jahren. Dabei sagte er plötzlich den Satz:

„Weißt du, die Uni hat es mir damals sehr leicht gemacht, die akademische Forschung zu verlassen.“

„Wie das?“, fragte ich schon fast aus Reflex. Solche Aussagen müssen einen Laborjournal-Redakteur natürlich interessieren – auch wenn er eigentlich nicht „im Dienst“ ist.

„Na ja...“, fuhr er fort. „Über zehn Jahre hatte ich damals in der Medizinischen Fakultät an ‚meinem’ Institut geforscht und gelehrt – die letzten davon als unabhängiger Leiter einer Nachwuchsgruppe. Und ich war beileibe nicht unerfolgreich, bekam Preise und warb ordentlich Drittmittel ein. Eines Tages jedoch wurde der Ordinarius meines Instituts emeritiert, und ich selbst sollte im Zuge gewisser Umstrukturierungen zunächst mal formal als Gast an die Chemische Fakultät wechseln.“

Ich musste zugeben, dass ich so etwas vorher noch nie gehört hatte.

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Medizin oder Chemie – ist doch egal

„Ja, ich auch nicht“, bestätigte mein Gesprächspartner. „Aber damals dachte ich: Was soll´s? Ob Medizin oder Chemie drüber steht, ist doch egal. Hauptsache, ich kann mit meinen Leuten die ganzen Projekte weiter machen… – Oh, mein Gott, wie naiv ich damals war!“

„Warum? Was passierte dann?“

„Meine Leute waren allesamt über DFG-Gelder eingestellt. Und das wiederum hieß, sie verblieben de jure an der Medizinischen Fakultät. Fortan verfügte offiziell also der Emeritus über sie – zumindest solange der Lehrstuhl nicht neu besetzt war. Und der sah plötzlich die unverhoffte Chance, mit ihnen doch noch ein paar eigene Dinge fertig zu bekommen.“

„Ach, du Sch…“

„Du sagst es. Ich verstand die Forscherwelt nicht mehr. Schließlich wandte ich mich an die Chefjuristin der Universität. Doch auch sie stellte klar, dass nach den Vorgaben des Hochschullehrergesetzes immer der Leiter der Einrichtung gleichsam der Vorgesetzte der dort beschäftigten Angestellten sei. Folglich hätte ich als wissenschaftlicher Angestellter ihnen gegenüber auch keinerlei Weisungsberechtigung. Zudem wäre ich ja nur Gast der Chemischen Fakultät, eine Zuordnungsentscheidung für die übrigen Mitarbeiter könne daher nur der entsprechende Professor in Abstimmung mit dem Dekan treffen. Es gehe ja schließlich immerhin um die Ressourcen einer Fakultät, schloss sie unser Gespräch.“

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Endlich eigener Herr

„Puh. Voll in die Sackgasse gefahren…“

„Ja. Aber der Ärger währte nur kurz. Ich war ja schon dabei, meine Firma zu gründen. Ich beendete also kurzum meine laufenden Projekte und kehrte der Uni zum frühestmöglichen Zeitpunkt den Rücken.“

„Und hast du später mal bereut, dass es so gekommen ist?“, fragte ich.

„Nein, das mit der Firma hat von Anfang an Spaß gemacht. Vor allem, weil ich hier mein eigener Herr war und ich mich nicht um solche verwaltungsjuristischen Vorgaben scheren musste… Ach ja, und jetzt erinnere ich mich auch wieder: Der Juristin schrieb ich nach meinem Abgang damals extra noch eine Mail, wie glücklich ich jetzt sei, dass ich mich aus diesem universitären Frust und Quatsch verabschieden konnte.“

Dem war dann an diesem Abend nichts mehr hinzuzufügen.

Ralf Neumann

(Foto: sevDesk)