Alles nur Missverständnisse?

(03.02.2020) Die Leibniz-Gemeinschaft will das Leibniz-Institut für Nutztierbiologie nicht länger fördern. Direktor Klaus Wimmers ist überrascht und enttäuscht.
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Auf der Experimentalanlage des FBN

Editorial

Die Leistungen des Instituts für Nutztierbiologie (FBN) würden stagnieren, so die Leibniz-Gemeinschaft. Arbeiten zu grundlegenden aktuellen Forschungsfragen würden nur in begrenztem Maße angegangen. Es fehle an einer überzeugenden wissenschaftlichen Gesamtstrategie, so die fundamentale Kritik. Allerdings wurden die Forschungsleistungen der sechs Institute des FBN immerhin mit gut bis sehr gut bewertet. „Dies entspricht der wissenschaftlichen Bewertung einer Reihe anderer Institute, die eine siebenjährige Förderung erhalten. Die Leibniz-Bewertungsgruppe hat zudem festgestellt, dass das FBN methodische und technologische Entwicklungen erarbeitet und Beratungsleistungen erbringt, die von Ministerien, Behörden und der Agrarindustrie nachgefragt und von den Ressort­forschungs­einrichtungen des Bundes und der Länder nicht abgedeckt werden. Das spricht für die überregionale Bedeutung des FBN und für ein gesamtstaatliches wissenschaftspolitisches Interesse an unserer Einrichtung“, so Klaus Wimmers, Direktor des Instituts.

Am Institut rumort es. Kurz vor der Evaluierung im April erhielten Mitglieder des Review Boards und des Evaluation Office per Brief Hinweise auf angebliches wissenschaftliches Fehlverhalten am FBN, die sich bei einer nachträglichen Überprüfung aber als haltlos herausstellten.

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Unberechtigte Kritik

In ihrer Bewertung kritisiert die Leibniz-Gemeinschaft, dass die Forschungspraxis am FBN zu sehr von den Möglichkeiten der umfangreichen Infrastruktur gesteuert würde. „Wir hätten gerne Magnetic Resonance Imaging etabliert, um tiefe Einblicke in die Funktion und den Stoffwechsel der Tiere zu erhalten“, berichtet Wimmers. Die Leibniz-Gemeinschaft unterstützt dieses Vorhaben leider nicht.

Letztere bemängelt zudem, dass Leitungspositionen in den vergangenen zehn Jahren hausintern besetzt worden wären. „Diese Kritik bezieht sich darauf, dass die Besetzung von Leitungspositionen der Institute des FBN nicht immer in gemeinsamer Berufung mit der Universität Rostock erfolgte“, erläutert Wimmers. „Zudem haben sich bei gemeinsamen Berufungsverfahren mit der Universität Rostock nach internationaler Ausschreibung Bewerber aus dem FBN durchgesetzt. Dies trifft auch auf meine Stelle zu“, berichtet der Institutsleiter.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des FBN bestreiten dabei schon seit geraumer Zeit einen wesentlichen Anteil der Lehre im Masterstudiengang Tierwissenschaften der Agrar- und Umweltwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock. Vier der acht Professuren im Bereich Tierwissenschaften der Fakultät wurden in gemeinsamer Berufung mit dem FBN besetzt. “Das FBN trägt auch zur Lehre in weiteren Fächern der Uni Rostock sowie weiterer Hochschulen in Berlin, Halle, Leipzig und Kiel bei“, erläutert Wimmers.

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Wichtiger Nachwuchs

Die Leibniz-Gemeinschaft kritisiert in ihrem Bericht darüber hinaus das Fehlen eines strukturierten Doktoranden­programms. Auch dass 21 Doktoranden nicht mehr am Institut angestellt seien, aber noch nicht ihre Doktorarbeit beendet hätten, wurde bemängelt. Institutsleiter Wimmers widerspricht: „Nachwuchsförderung ist uns sehr wichtig. Die meisten drittmittelgeförderten Projekte werden hier als Promotionsprojekte durchgeführt. Wir haben am FBN eine Doktorandenausbildung mit obligatorischen Qualifikations­angeboten und einem Mentoring der Promovierenden, das wir konsequent weiterentwickeln. Unsere Forschungs­einrichtung garantiert 36 Monate Anstellung auch bei kürzerer Laufzeit der Drittmittelprojekte. Eine Verlängerung der Verträge ist bei Erfüllung entsprechender Leistungsvorgaben möglich. Eine Reihe von Promovierenden hat ihre Forschungsarbeit mit Publikation erfolgreich beendet und bereits eine neue Stelle angetreten, aber noch keine kumulative Promotionsschrift bei einer Universität eingereicht. Wir betreuen zudem auch Promovierende, die externe Verträge mit Partner-Universitäten haben.“

Seit 2015 habe die Forschungseinrichtung die Anzahl der Promovierenden gegenüber der vorherigen Evaluierungsperiode fast verdoppelt – auch dank gesteigerter Einwerbung von Drittmittelprojekten. „Derzeit betreuen wir etwa 70 Doktoranden. Die geringe Anzahl an Abschlüssen ist Folge der niedrigen Anzahl an Promovierenden in der vergangenen Evaluierungsperiode 2007 bis 2013. Auch die Anzahl an Promotionsabschlüssen wird zukünftig steigen.“

Gefragte wissenschaftliche Expertise

Das 1939 gegründete Forschungsinstitut ist mit 300 Arbeitsplätzen einer der größten Arbeitgeber in der ländlichen Region Mecklenburg-Vorpommern. Es umfasst sechs untergeordnete Institute in den Disziplinen Genetik und Biometrie, Genombiologie, Fortpflanzungsbiologie, Verhaltensphysiologie, Muskelbiologie und Wachstum sowie Ernährungsphysiologie. „Wir betreiben national und international anerkannte Forschung im Spannungsfeld von Ressourceneffizienz, Umweltschutz, Klimaschutz und Tierwohl. Diese Themen haben hohe gesellschaftliche Relevanz. Das FBN ist das einzige Institut in Deutschland, das in einem gemeinsamen übergeordneten Forschungsprogramm über verschiedene Disziplinen hinweg die tierseitigen Aspekte einer nachhaltigen Landwirtschaft umfassend untersucht“, gibt Wimmers zu bedenken. „Dazu charakterisieren wir umfassend die genetischen, physiologischen und ethologischen Funktionen und Bedürfnisse von Nutztieren wie Rind, Schwein, Huhn und Ziege, aber auch von Fisch- und Insektenarten.“

Die endgültige Entscheidung über eine Förderung des FBN als Leibniz-Institut wird die Gemeinsame Wissenschaftskonferenz des Bundes und der Länder im Frühjahr 2020 fällen. „Wir würden gerne in der Leibniz-Gemeinschaft bleiben“, betont der Institutsleiter. Zusammen mit Ministerien des Bundes und des Landes Mecklenburg-Vorpommern sucht die Einrichtung nach Lösungen, um die über Jahrzehnte am Forschungsstandort Dummerstorf gewachsene einzigartige wissenschaftliche Expertise auf dem Gebiet der Nutztierbiologie zu erhalten.

Bettina Dupont

Foto: Nordlicht/FBN