Transformation mit Sprühflasche

(20.11.2019) Fast schon erschreckend einfach: Zukünftig könnte es möglich sein, Pflanzen durch simples Besprühen der Blätter genetisch zu modifizieren.
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Editorial

Agrobacterium tumefaciens, Genkanone oder PEG-induzierte Proto­plasten-Transfor­mation sind die üblichen Methoden, um DNA in Pflanzen einzu­schleusen und diese genetisch zu modifi­zieren. Leider sind diese Verfahren recht ineffi­zient und sehr kost­spielig.

Ein Team um die Pflanzen­forscherin Heather Whitney von der Universität Bristol hat einen erstaunlich einfachen Weg gefunden, DNA in Pflanzen zu verfrachten: Das Team funktio­na­lisierte sogenannte Carbon-Dots (CDs) als Träger, die Plasmide in Pflanzen­zellen transportieren. Für die Synthese der ungiftigen, wasser­löslichen CDs nutzten die Forscher einen sehr einfachen und kosten­günstigen Weg, bei dem in einer nur drei­minütigen Reaktion in der Mikro­welle aus Kohlen­hydrat-Ausgangs­material mit Aminen funktio­nalisierte Carbon-Dots entstehen. Die CDs wurden in weiteren Reak­tionen pegyliert und ans­chließend mit verschiedenen spektro­skopischen Methoden charakte­risiert. Die Engländer wiesen mittels dynamischer Licht­streuung nach, dass die pegylierten CDs mit Plasmiden einen Komplex bilden, in dem die positive Ladung der expo­nierten Amine mit der partiell negativ geladenen Plasmid-DNA wechselwirkt.

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Dots in der Pflanzenzelle

Doch wie bekommt man die Carbon-Dots mit den Plasmiden in die Pflanzen­zelle rein? Indem man die Pflanzen einfach mit einer gewöhn­lichen Sprüh­flasche besprüht. Die Carbon-Dots finden ihren Weg ganz allein in die Zellen, und das ganz ohne vorher die Pflanzen­blätter beschädigen zu müssen. Dass die CDs wirklich aufge­nommen worden waren, überprüfte Whitneys Gruppe auf einfache Weise: Die Forscher wiesen die CDs durch ihre Fluo­reszenz bei 475 nm in den Pflanzen nach. In Kontroll­pflanzen sahen sie dagegen keine Fluo­reszenz. Außerdem stellte das Team fest, dass sich die CDs nicht in den Chloro­plasten ansam­melten, sondern sich innerhalb der soma­tischen Zellen verteilten.

So weit so gut, doch wie sieht es mit der prak­tischen Anwen­dung aus? Gar nicht so schlecht, wie ein weiteres Experi­ment der Gruppe zeigt. Whitneys Mitar­beiter besprühten verschie­dene Pflanzen­arten mit CD-Plasmid­komplexen, die ein GFP-Gen mit einer Kernlokali­sations-Sequenz trugen. Die CDs transpor­tierten das Plasmid in die Pflanzen­zellen und das GFP-Protein machte sich wie gewünscht auf den Weg in den Kern. Fehlten in den Kontrollen CDs oder Plasmide, blieb das GFP-Signal im Kern aus. Das Experiment funktio­nierte mit verschie­denen Pflanzen­arten, darunter die wichtigen Getreide­kulturen Weizen, Mais und Gerste sowie die als „Orphan Crop“ geltende Hirse. In Weizen erreichte die Gruppe eine Trans­formations­effizienz von knapp dreißig Prozent.

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Deletion im Weizengenom

Neben GFP trug das Plasmid auch das für Cas9 codierende Gen und eine guideRNA (gRNA), mit dem Ziel, eine Deletion in das Pflanzen­genom einzu­führen. Die gRNA war gegen zwei Abschnitte in den SPO11-Genen von Weizen gerichtet, die etwa 250 bp aus­einander lagen, um die dazwischen­liegende Sequenz auszu­schneiden. Nach Aufsprühen der entspre­chenden CD-Plasmid-Komplexe fand das Forscher­team ein PCR-Produkt von SPO11, das 230 Basen­paare kürzer war, als das nicht-editierte Gen. Die Carbon-Dots funktio­nierten also auch bei der Genedi­tierung von Pflanzen.

Die Vorteile von CDs liegen laut Whitney und ihrem Team auf der Hand: Sie lassen sich aus natürlich vorkom­menden ungif­tigen Materi­alien herstellen, oder kommen sogar selbst natürlich vor. Die Herstellung ist leicht, schnell und kosten­günstig und benötigt nicht viel an tech­nischer Aus­stattung. Zudem sind sie einfach anzu­wenden und ermög­lichen es, verschie­dene Pflanzen­arten wie Modell­orga­nismen oder Getreide­pflanzen genetisch zu modifi­zieren. Und zu guter Letzt wirkt sich die Transfor­mation mit den CDs nicht negativ auf die Photo­synthese oder das Wachs­tum der Pflanzen aus.

Miriam Colindres

Doyle C. et al. (2019): A simple method for spray-on gene editing in planta. BioRxiv, DOI: 10.1101/805036