Die Verwechsler – eine Patentrechts-Geschichte

(20.09.2019) HIGHLIGHTS AUS 25 JAHREN LABOR­JOURNAL: Siegfried Bär berichtete 2006, was einer erleben kann, wenn er in der Diplomarbeit auf eine patentfähige Erfindung stößt.
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Editorial

Der promovierte Diplomingenieur Stefan Apenberg ist heute Patentanwaltskandidat in einer Patentanwaltskanzlei. Noch vor einigen Jahren schien er eine wissenschaftliche Karriere vor sich zu haben. So schrieb ihm sein Doktorvater an der TU Darmstadt, Peter Friedl, im März 2004 in sein »Vorläufiges Arbeitszeugnis«:

„Mein erster Kontakt zu Herrn Apenberg erfolgte im Rahmen des Fortgeschrittenen-Praktikums Biotechnologie. Dort fiel er mir gleich als einer der leistungsstärksten Teilnehmer auf, und ich war froh, dass ich ihn für ein Vertiefungspraktikum und nachfolgend die Diplomarbeit in meiner Arbeitsgruppe gewinnen konnte.

Er zeigte dann, dass die in ihn gesetzten Hoffnungen voll gerechtfertigt waren. (...) Die von ihm erzielten Ergebnisse sind hervorragend und konnten nur durch seine überlegte Arbeitsweise und einen enormen Arbeitseifer in der zur Verfügung stehenden Zeit erhalten werden.“

Gutes Zeugnis für gute Ergebnisse

Das ist ein gutes Zeugnis – vor allem wenn man berücksichtigt, was diesem Zeugnis vorausging.

Von Juni bis Dezember 2001 arbeitete Stefan Apenberg ohne Bezahlung an seiner Diplomarbeit im Labor Friedl. Es gelang ihm, mit primären Endothelzellkulturen nachzuweisen, „dass durch fluktuierendes Spannen und Entspannen der Zellen sowohl die Apoptose als auch die Proliferation wie auch die Expression des IAP gänzlich unterdrückt werden und dass cytoskelettale Spannung ein lebensnotwendiger Reiz für die Zellen ist“. Er habe damit den molekularen Mechanismus der spannungsregulierten Apoptose festgehalten und bewiesen, sagt Stefan Apenberg. Entscheidend für die Ergebnisse sei eine von ihm entwickelte pulsierende Streckapparatur gewesen. Damit konnten auf Silikon-Folien gezüchtete Zellen mechanisch gestreckt und der Einfluss mechanischer Reize auf die Apoptoserate untersucht werden. Die Diplomarbeit vom 12.12.2000 wurde mit „Sehr gut“ bewertet.

Editorial

Am 26.2.2001 meldete die Firma CytoTools das Patent DE 101 09 136 an. Als Erfinder wurden Peter Friedl, Mark Freyberg und Dirk Kaiser genannt. Freyberg und Kaiser sind ehemalige Doktoranden Friedls (Promotion Kaisers im Jahr 2000, Promotion Freybergs 1999), der wiederum Mitinhaber von CytoTools ist. Freyberg und Kaiser sind heute Geschäftsführer von CytoTools.

In der Patentschrift geht es um die Verwendung von Substanzen in Wundheilmitteln. Sie sollen die Bindung von Thrombospondin-1 hemmen. Dadurch soll die Apoptose von an der Wundheilung beteiligten Zellen während der Proliferationsphase der Heilung gehemmt – und diese damit gefördert werden.

Die Patentschrift enthält wortwörtliche Teile der Diplomarbeit Apenbergs mit Tabellen und Figuren. Allerdings wurden darin die primären Endothelzellen (HUVEC), die Apenberg verwendet hatte, gegen die Fibroblastenzelllinie (MRC-5) ausgetauscht. Apenberg wusste nicht, dass seine Diplomarbeit in der Patentschrift verwendet worden war.

Patentschrift ohne Erfinder?

Er begann im Februar 2001 mit seiner Doktorarbeit bei CytoTools. Betreuer war wiederum Peter Friedl. Im August 2002 wechselte Apenberg ganz zu Friedl, da ihn die Firma nicht mehr bezahlen konnte.

Am 12. September 2002 wurde das Patent offengelegt. Apenberg las die Patentschrift. Er war nicht als Erfinder benannt worden, obwohl ihm das von Freyberg versprochen worden sei. Dabei hätten Freyberg und Kaiser zu der Patentschrift nichts Neues beigetragen. Was die Schrift von den beiden enthalte, sei schon veröffentlicht gewesen. Zudem könne es nicht angehen, in seinen Figuren und Tabellen einfach HUVEC zu streichen und MRC-5 einzusetzen. Apenberg war zornig.

Editorial

Ende Oktober 2002 rief er den Ombudsmann der TU Darmstadt, Gerhard Pahl, an. Der forderte Diplomarbeit und Patentschrift an und prüfte beides. In einem persönlichen Gespräch am 1.11.2002 teilte Pahl Apenberg mit, dass nach seiner Ansicht ein Rechtsanspruch auf Ernennung als Erfinder nicht bestehe. Aufgabenstellung, Stoff und Untersuchungsmethoden seien vorgegeben gewesen, und eine eigenständige erfinderische Leistung liege nicht vor.

Auch Peter Friedl meinte auf Rückfrage von Laborjournal, Apenberg habe mit dem erfinderischen Akt nichts zu tun gehabt. Der sei weit vor seiner Zeit getätigt worden. Er, Friedl, hätte zusammen mit Freyberg und Kaiser schon 1999 die Idee entwickelt, zu untersuchen, ob der von ihnen entdeckte Mechanismus in Endothelzellen auch bei Fibroblasten Anwendung fände. Auslöser sei ein Paper von Grinell et al. in Exp. Cell Res. von 1999 gewesen (Bd. 248(2): 608-619). Als medizinisch relevanten Prozess hätten sie die Wundheilung zugeordnet. Die Idee mit den Silikonfolien stamme von Freyberg.

Nur nicht die Promotion gefährden

Nach Auskunft seines Patentanwalts entscheide allein die Mitgestaltung beim erfinderischen Akt darüber, ob jemand Erfinder sei. Das sei anders als bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Dort sollte jeder Mitarbeiter, dessen Experimente in der Veröffentlichung stehen, Mitautor sein. Für das Patent seien Apenbergs Daten nur zusätzliche Fallbeispiele gewesen, ein paar Fettaugen auf der Suppe. Die habe man dann ja auch ohne weiteres streichen können und dennoch das Patent erhalten.

Die Ansicht Pahls, die sich im wesentlichen mit der von Friedl deckt, hatte Apenberg im November 2002 akzeptiert. Er habe aber nur nachgegeben, weil er seine Promotion in Gefahr sah, sagte er Laborjournal. Es stimme zwar, dass Friedl ihm Thema, Zelllinie und Arbeitsplatz überlassen habe, jedoch sei es ihm erst durch die Entwicklung der pulsierenden Streckapparatur gelungen, den Beweis zu führen, „dass cytoskelettale Spannung ein lebensnotwendiger Reiz für die Zellen ist...“.

Eine Betreuung durch Friedl habe zudem nicht stattgefunden, die habe vielmehr ein Doktorand geleistet. So findet sich im Vorwort von Apenbergs Diplomarbeit folgende Anerkennung:

„Herrn Professor Dr. P. Friedl danke ich herzlich für die Überlassung des sehr interessanten Themas und die Bereitstellung des Arbeitsplatzes.

Herr Dipl. Biol. Rüdiger Graf betreute meine Arbeit. Ihm danke ich für die konstruktiven Diskussionen und wertvollen Ratschläge, die wesentlich zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.“

Peter Friedl widerspricht dem: Konzeption der experimentellen Strategie und einzelner Experimente sowie die Interpretation der erhaltenen Ergebnisse erfolgten selbstverständlich unter meiner Betreuung. Die Einweisung in die praktische Durchführung erfolgte durch den Doktoranden, der natürlich ebenfalls mit in die erstgenannten Diskussionen eingebunden war.“

Die vertauschten Zellen

Wenn Apenberg auch im November 2002 in der Patentfrage zähneknirschend nachgab, es blieb die Frage der vertauschten Zellen. Apenberg machte Ombudsmann Pahl darauf aufmerksam. Der versprach, der Sache nachzugehen. Eine Woche nach dem Treffen mit Pahl erklärte Apenberg, die vertauschten Zellen nicht weiter verfolgen zu wollen. Ein Streit mit seinem Doktorvater könne ihn die Promotion kosten.

Pahl jedoch beriet sich am 7.1.2003 mit Präsident und Kanzler. Es wurde beschlossen, die Angelegenheit aufzuklären. Pahl teilte dies Apenberg mit – und der erwiderte, dass er Friedl schon am 17.12.2002 auf die vertauschten Zellen angesprochen habe.

Am 24.1.2003 kam es zu einem Gespräch zwischen Pahl und Friedl. Friedl erklärte, Freyberg habe Teile von Apenbergs HUVEC Versuchen mit MRC-5 nachgefahren. Freyberg hätte vergleichbare Ergebnisse gefunden, die in die Patentschrift hätten aufgenommen werden sollen. Durch eine Verwechslung bei den Patentanwälten seien jedoch die Daten und Diagramme der Arbeit Apenberg aufgenommen worden.

Pahl gab sich mit dieser Auskunft nicht zufrieden. Er wollte das Laborbuch mit den Experimenten sehen. Freyberg legte es am 30.1.2003 vor. Danach hatte er Teile von Apenbergs HUVEC-Experimenten in der Zeit vom 20.11.2000 bis Ende Januar 2001 mit MRC-5 wiederholt. Freyberg war auch bereit, die Patentschrift zu korrigieren, doch wollte er die Patenterteilung und den Prioritätstag nicht gefährden. Ein Austausch der Daten und Diagramme sei nicht zwingend, weil die Unterschiede in den Ergebnissen mit HUVEC bzw. MRC-5 Zellen gering seien. Er wolle das mit den Patentanwälten abklären.

Zwei Wochen später teilte Freyberg Pahl mit, dass Apenbergs Untersuchungen bei CytoTools möglicherweise unbrauchbar seien. Pahl hielt daraufhin eine Gegenüberstellung der Beteiligten für notwendig. Kurz darauf ließ Freyberg Pahl einen Brief an seine Patentanwälte zukommen, in dem diese beauftragt wurden, in der Regionalisierungsphase des Patents die entsprechenden Korrekturen vorzunehmen bzw. Apenbergs Beispiele zu streichen. In der Tat wurden am 18.4.2005 beim Europäischen Patentamt die entsprechenden Korrekturen beantragt.

Zu der Gegenüberstellung kam es am 13.3.2003. Freyberg legte obigen Brief an die Patentanwälte vor. Zudem sprach er Apenbergs CytoTool-Versuche an. Die seien wegen eines Defektes der Apparatur unbrauchbar. Apenberg wies das zurück. Er habe die Apparatur mit Kontrollexperimenten überprüft und keinen Hinweis auf einen Defekt erhalten.

Apenberg war jedoch – nach dreimaligem Nachfragen Pahls – damit einverstanden, die Angelegenheit mit der Patentbereinigung als erledigt zu betrachten.

Pahl machte die Kontrahenten abschließend darauf aufmerksam, dass es jedem frei stünde, die Einberufung einer Kommission zu beantragen.

Scheinbar erledigt...

Wohl scheint Gerhard Pahl dabei jedoch nicht gewesen zu sein, denn er schrieb in die Wertung seines Berichts vom 17.3.2003: Ungeachtet dessen ist es mir unverständlich, dass die vorgetragene Verwechslung der Daten bei der Abfassung und Kontrolle der Patentschrift nicht bemerkt worden ist und die Patentschrift nicht rechtzeitig korrigiert wurde.“ Die Erfinderbenennung kritisierte Pahl mit den Worten: Zu bemängeln ist auch das Binnenverhältnis in der Betreuung des Diplomkandidaten bzw. Promovenden hinsichtlich umfassender Information, Führung und Kontrolle durch den bzw. die wissenschaftlich Verantwortlichen. Eine rechtzeitige, offene Aufklärung über eine mögliche oder nicht mögliche Aufnahme als Erfinder sowie über die weiteren Verwertungsabsichten geleisteter Arbeiten sollten im Zuge vertrauensvoller Zusammenarbeit selbstverständlich sein.“

Damit schien die Angelegenheit erledigt.

Für Stefan Apenberg war sie es nicht. Er glaubte nicht, dass Freyberg die Experimente mit MRC-5 wiederholt hatte. Der Grund: Freyberg hätte dazu das Fluoreszenzmikroskop benützen müssen. Dessen Benutzerliste zeigt aber für den Zeitraum November 2000 bis Ende Januar 2001 den Namen Freyberg nicht an. Die ehemalige Zellkultur-TA von Friedl teilte Laborjournal zudem mit, dass sie Herrn Freyberg zu dieser Zeit nicht in der Zellkultur bei der Arbeit gesehen habe.

Zum Misstrauen Apenbergs trug auch bei, dass eine Figur aus dem Laborbuch der Diplomandin Ursula Reidel (S. 137 vom 3.8.98) als Abb. 6.3.3 in der Dissertation von Dirk Kaiser auftaucht, ohne dass in der Bildlegende auf die Herkunft hingewiesen wird. Schließlich ist die Abb. 6.3.2, ein Western-Blot, in der Dissertation Kaisers identisch mit der Abb. 46 in der Dissertation Freybergs. Auch die drei Zellfotos in Abb. 6.2.7. der Dissertation Kaisers sind identisch mit denjenigen in Abb. 38 der Dissertation Freybergs. Bei der Legende von Abb. 6.2.7 ist die Rede von 7 bzw. zweimal 28 Tagen in Kultur, bei der Legende von Abb. 38 von 3 bzw. zweimal 14 Tagen. Bei keiner Abbildung wird erwähnt, dass sie von jemand anderem übernommen wurde.

Am 12. Juli 2004 wurde Stefan Apenberg promoviert. Danach, im August 2004, wandte er sich an Friedl. Der aber habe mit ihm nicht reden wollen, sagt Apenberg. Als er einen Anwalt einschaltete, habe er ebenfalls nichts erreicht. Im November 2004 habe er daher an den Präsidenten der TU Darmstadt geschrieben. Er, Apenberg, bestehe auf einer Untersuchung, denn ihm sei die Aussage, die Angelegenheit sei erledigt, unter sittenwidrigen Umständen entlockt worden. Man habe seine schwache Stellung als Doktorand ausgenutzt. Friedl habe ihm vor der Besprechung am 13.3.2003 in einem Gespräch unter vier Augen mit Abmahnung oder Rauswurf gedroht, falls er, Apenberg, noch einmal behaupten würde, Freyberg habe die MRC-5 Experimente nie durchgeführt. Er, Apenberg, sei von Friedl abhängig gewesen und habe daher nicht die Einberufung einer Kommission fordern können. Er habe gefürchtet, dass seine Promotion platze – was bedeutet hätte, zwei Jahre seiner Karriere in den Sand zu setzen. Dies habe er damals auch Ombudsmann Pahl gesagt.

Apenbergs Darstellung des Vier-Augen-Gesprächs vor der Besprechung am 13.3.2003 bezeichnet Peter Friedl als eine glatte Lüge, welche für seine Argumentation – sittenwidriges Ausnützen von Zwangsumständen – natürlich von essentieller Bedeutung ist“.

Auch die anderen Umstände des Falles sehen Friedl und Freyberg anders. Freyberg will Apenberg nie versprochen haben, ihn als Miterfinder zu nennen. Ein Diplomand arbeite unter Anleitung, und Herr Apenberg habe nichts Erfinderisches beigetragen. Er, Freyberg, habe sehr wohl die Experimente mit den MRC-5 Zellen gemacht. Allerdings habe er sich nicht in die Benutzerliste des Fluoreszenzmikroskops eingetragen, weil er nur kurz daran gearbeitet habe, und die Liste sowieso unvollständig war. Wenn ihn die TA nicht im Labor gesehen habe, so liege das daran, dass die sich strikt an die Arbeitszeiten des öffentlichen Dienstes gehalten habe.

Die doppelt auftauchenden Abbildungen erklärt Peter Friedl so: Diplomanden arbeiten bei ihm stets mit Doktoranden zusammen und werden von ihnen bemuttert. Teile der Diplomarbeiten werden dann gegebenenfalls auch für Dissertationen verwendet. Das gälte auch für den Fall, dass ein Problemkomplex von unterschiedlichen Seiten her von zwei Doktoranden bearbeitet wird. Die Abb. 6.3.2 habe Kaiser von Freyberg übernommen. Der Grund sei gewesen, dass Kaiser Überstände für den Blot bereitgestellt und den Blot dann als gemeinsames Experiment betrachtet habe.

Stefan Apenberg hat gegen diese Erklärungen wiederum etwas einzuwenden – und vermutlich werden Friedl und Freyberg auch das zu kontern wissen. Kurzum: Es war nicht zu entscheiden, was es mit Freybergs angeblichem Versprechen der Miterfinderschaft und seinen MRC-5 Versuchen auf sich hat.

Warum die gleiche Abbildung bei Kaiser eine andere Legende hat als bei Freyberg, dafür hatte Peter Friedl indes keine Erklärung. Herr Freyberg wiederum antwortete auf eine entsprechende Anfrage nicht.

Zuvor aber hatte er Laborjournal des Sensationsjournalismus bezichtigt. Als Sensationsjournalist könnte man versucht sein, aus der seltsamen Tatsache – gleiche Abbildung, verschiedene Legenden – eine der bei den Medien so beliebten Fälschungsgeschichten zu stricken. Das tue ich nicht, weil ich den Eindruck habe, dass es sich nicht um Fälschung, sondern um Schlamperei handelt. Allerdings muss sich Freyberg nicht wundern, dass Apenberg ihm misstraut.

Beschränken wir uns auf die Frage der Erfinderschaft. Offensichtlich sind Kenntnisse des Patentrechts unter Diplomanden, Doktoranden und – wie mir Herr Friedl versicherte – auch unter Professoren nur rudimentär verbreitet.

Dies gilt anscheinend sogar für Patentanwälte. Weder Apenberg, der seit eineinhalb Jahren in einer Patentanwaltskanzlei arbeitet, noch ein von Laborjournal befragter Patentanwalt waren in der Lage, auf Anhieb die doch einigermaßen zentrale Frage zu beantworten, was denn ein „erfinderischer Akt“ sei. Man muss selber nachschlagen – und das habe ich getan im Lehrbuch „Patentrecht“ von Rudolf Kraßer, 5. Auflage 2004, Seiten 337-341.

„Erfinden heißt eine neue, nicht naheliegende Lehre zum technischen Handeln erkennen“, schreibt Kraßer. Miterfinder ist nicht, „wer nach den Angaben eines anderen Versuchsbedingungen überwacht, Messwerte registriert, den Bau von Versuchsanordnungen oder Prototypen ausführt usw.“ Solche Personen sind lediglich Gehilfen. Andererseits kann die Anerkennung eines Beteiligten als Miterfinder nicht davon abhängig gemacht werden, dass sein Beitrag für sich genommen eine erfinderische Tätigkeit bedeutet. Es sei jedoch eine geistige Mitarbeit bei der Problemlösung zu fordern, und dieser geistige Beitrag müsse ein selbstständiger sein. Die herkömmliche Lehre verlangt zudem, dass dieser selbstständige geistige Beitrag auch ein schöpferischer sei – wobei unklar ist was „schöpferisch“ bedeutet.

Die herkömmliche Lehre ist demgemäß umstritten und scheint durch eine neue Lehre abgelöst zu werden. So verlangen manche Juristen eine Mitwirkung durch Gedankengänge, die das Durchschnittskönnen auf dem betreffenden Gebiet übersteigen. Wieder andere verstehen unter Miterfinderschaft, dass die Miterfinder in gemeinsamem geistigem Schaffen an der Konzeption der erfinderischen Idee gearbeitet haben und jeder selbständig und nicht nach den Weisungen eines anderen tätig geworden ist“. Letzteres scheint die zurzeit vorherrschende Meinung zu sein – den Eindruck vermittelt jedenfalls das Lehrbuch.

Was aber ist nun die erfinderische Idee beim Patent Nr. DE 101 09 136 A1?

Nach der Patentschrift: Verwendung von Substanzen als aktives Prinzip in Wundheilmitteln, dadurch gekennzeichnet, dass diese Substanzen entweder an IAP und/oder Integrin avbx und/oder an Thrombospondin-1 so binden, dass die Bindung zwischen Thrombospondin-1 und IAP und/oder Integrin avbx inhibiert wird.“

In Gottes Hand

An der Idee, solche Substanzen zur Wundheilung zu verwenden, war Stefan Apenberg nicht beteiligt. Die Einstellung von Friedl und Pahl zur Miterfinderschaft Apenbergs scheint also berechtigt – wenn dies auch mangels Klarheit der juristischen Begriffe und Sachverhalte nicht über jeden Zweifel erhaben sein dürfte. Wie heißt es doch: Vor Gericht und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.

Es bleibt die Frage, ob es rechtens ist, dass die Arbeit eines unbezahlten Diplomanden einer Universität ohne dessen Einwilligung von einer privaten Firma für eine Patentschrift verwendet wird. Auch dies wäre wohl eine Frage für eine juristische Doktorarbeit.

Auf jeden Fall: Lassen Sie sich, wenn Ihnen eine Miterfinderschaft versprochen wird, dies schriftlich und vor Zeugen geben. Stefan Apenberg empfiehlt heute, dass Diplomanden bzw. Doktoranden den Weg zu Patentinformationszentren oder Patentanwälten nicht scheuen sollten, wenn sie der Meinung sind, eine Erfindung gemacht zu haben, bevor sie diese publizieren oder anderweitige Verhandlungen führen.

Und noch etwas: Professoren sollten in Patentfragen von vornherein klare Verhältnisse schaffen. Das vermeidet endlose Weiterungen, Anklagen und Beschuldigungen.

Siegfried Bär



Letzte Änderungen: 19.09.2019