Freundliche Übernahme

(23.05.2019) Auf dem Weg zum globalen Multi-Omics-Unternehmen lassen sich die „Cytometry Automation Guys“ des Leipziger Zellkraftwerks von US-Amerikanern aufkaufen.
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Editorial

Zellen tragen – je nach Art und Aktivie­rungs­zustand – ein unterschiedliches Sortiment an Oberflächenmolekülen, anhand dem man sie unterscheiden kann. Das ist natürlich perfekt für findige Forscher, die auf diese Weise bestimmte Zelltypen in Geweben aufspüren, Zellen in Subpopu­lationen aufteilen oder anhand der Zellmarker entscheiden, ob bestimmte Zellen entartet sind. Die Ver­messung der Zelle anhand von Biomarkern ist deshalb längst ein eigenes Forschungs­feld, die Zytometrie.

Auf diese Aufgabe hat sich die Leipziger Zellkraftwerk GmbH spezialisiert, die 2014 von Christian Hennig, Jan Detmers und Jochen Brinkmann als Spin-off der Medizinischen Hochschule Hannover gegründet wurde. Alle drei kannten sich da bereits in der Biotech-Branche aus, Brinkmann als Software-Entwickler, Detmers als CEO bei Chimera Biotec und Hennig als Gründer und CEO bei Genovoxx. „Wir haben Unternehmergene,“ fasst letzterer zusammen. „Wir haben riesen Spaß daran, Start-ups aufzubauen und gedeihen zu lassen.“ 2011 bewarben sich Hennig und Brinkmann für eine GoBio-Förderung, die ihnen dann zusammen mit dem später hinzugestoßenen Detmers die Gründung von Zellkraftwerk ermöglichte. Deren Anteile für die Medizi­nische Hochschule Hannover hält die Ascenion GmbH, als Technologietransfer-Partner.

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Alles aus einer Hand

Der Name Zellkraftwerk ist ungewöhnlich und bleibt damit im Gedächtnis: „Wir wollten keinen neuen Kunstnamen, sondern etwas Knarziges, das sich im englischsprachigen Raum schwer aussprechen lässt“, so der Gründer. Inzwischen arbeitet Zellkraftwerk für fast alle großen Pharma-Unternehmen dieser Welt als Dienstleister für präklinische und klinische Studien. Dabei stellt die Firma komplette Workflows für die quantitative Bio­marker-Analytik auf Zellen und Geweben zur Verfügung – von der Probenvorbereitung bis zur Report-Erstellung. Neben Geräten und Verbrauchsmaterial bietet Zellkraftwerk dafür eine ausgefeilte Auswertungs-Software wie Hennig erklärt: „Mit Hilfe unserer Software verwandeln wir unsere Geräte in intelligente, miteinander und mit den Menschen kommunizierende Roboter.“

Im Zentrum der Produktpalette steht der Zellscanner ONE, mit dessen Hilfe sich durch ein spezielles Proben- und Färbemanagement mehr als 100 Marker für eine einzelne Zelle bestimmen lassen. Dabei können Biomarker mit einem sehr großen dynamischen Bereich von 4,2 Milliarden Graustufen aufgenommen werden, was besonders bei der quantitativen Biomarker-Analytik auf Geweben wichtig ist. Laut Zellkraftwerk handelt es sich beim Zellscanner um den einzigen HDR-Zell- und Gewebescanner der Welt, der alle Arbeitsschritte von der Rejustierung der Proben, der Fokussierung, Bildaufnahme und der Bildverarbeitung vollautomatisch durchführt.

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Der Cytobot kann alles

Soll auch die Färbung der Proben automatisiert werden, kann der Kunde auf den Cytobot zurückgreifen. „Der Cytobot hat bis zu drei Zellscanner für die Messung in einem Gerät vereint“, betont Hennig. Durch ihre modulare Auslegung sind alle Systeme beliebig kombinier- und erweiterbar wie der Firmengründer darlegt: „So kann man beispielsweise den Zellscanner um ein „Videocytometry“-Modul erweitern und damit über lange Zeiträume viele verschiedene Biomarker immer wieder an lebenden Zellen messen.“

Neben der Analyse von lebenden Zellen lassen sich quantitative Biomarker-Analysen in Gewebeschnitten auf Einzelzell-Ebene und von Zellen in Lösungen durchführen. „Alle diese Messungen können mit einer theoretisch unbegrenzten Anzahl an Markern, je nach Bedürfnis der Nutzer, durchgeführt werden“, so der Chefstratege vom Zellkraftwerk. Im Vergleich zum FACS, dem wohl bekanntesten Instrument zur Zellsortierung, bleiben beim Zellscanner die Zellen aus einer Flüssigprobe nach der Analyse auf dem verwendeten Chip kleben. Dort bleiben sie bis zu zwei Jahre stabil und können immer wieder analysiert werden. Für große Forschungseinrichtungen und pharmazeutische Unternehmen betreibt Zellkraftwerk außerdem ein Auftragsforschungslabor zur Betreuung klinischer Studien.

Neue Märkte erobern

Fünf Jahre nach der Firmengründung wird das Unternehmen mit seinen 16 Mitarbeitern nun von der US-amerikanischen Firma Canopy Biosciences für einen unbekannten Kaufpreis übernommen. Laut Pressemitteilung wollen Zellkraftwerk und Canopy Biosciences gemeinsam ein „Multi-Omics“-Unternehmen gründen.

Die Amerikaner, selbst erst 2016 gegründet, beschäftigen sich bislang vor allem mit der Analyse und Manipulation von Nukleinsäuren. Zu diesem Portfolio sollen nun die zell­basierten Methoden von Zellkraftwerk hinzukommen. Für die Leipziger bietet sich dadurch die Möglichkeit, „den Einsatz unserer „industrial internet technology“ auf Produkte jenseits der Zellanalytik, also auf die Analytik von RNA, DNA und Proteinen, zu erweitern,“ wie Hennig erklärt.

Außerdem soll die Übernahme durch das US-amerikanische Unternehmen dabei helfen, den großen amerikanischen Markt zu erschließen. In Leipzig soll sich dadurch aber erst einmal nichts ändern: „Die Zellkraftwerk GmbH bleibt als eigenständige Einheit erhalten, ohne Veränderungen des Personals. Die Anpassungen im Rahmen der Erweiterung des Marktes nach Amerika werden sich im Laufe des Jahres abzeichnen.“ Wenn alles gut läuft, werden das wohl Anpassungen nach oben sein.

Larissa Tetsch