Holzhammer ade

(09.05.2019) In Denzlingen tüfteln die Macher von AVA Lifescience an super-spezifischen mono­­klonalen Antikörpern für eine personali­sierte Diagnose und Therapie.
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Editorial

Laborjournal fragt: Warum heißt Ihre Firma Ava Lifescience? Die Gründer Ulrich Birsner (CEO) und Marcus Dühren-von Minden (CSO) kennen die Antwort.

Herr Birsner, im Jahr 2003 sind Sie aus Ihrer Firma Genescan ausgestiegen, seit 2017 starten Sie mit AVA Lifescience neu durch. Was haben Sie in der Zwischenzeit gemacht?

Ulrich Birsner: Ich habe einen alten Bauernhof im Schwarzwald umgebaut und familientauglich gemacht. Außerdem habe ich mir in Südfrankreich einen kleinen Winzerhof gekauft und Träubchen gezupft. Ich habe es mir einfach fünf Jahre lang gut gehen lassen und mich ein bisschen besonnen, ganz einfach.

2003 plus fünf Jahre, da komme ich auf 2008. Bis 2017 ist aber immer noch ein relativ langer Zeitraum...

Birsner: Da gebe ich Ihnen Recht. Wir hatten zwischendurch eine weitere Basis hier in Denzlingen, die Apara Bioscience GmbH. Das ist eigentlich eine Ausgründung aus der Genescan, denn von dort hatte ich einige Mitarbeiter mitgenommen. Wir haben bei Apara das betrieben, was wir können, nämlich Peptide, Oligos und modifizierte Biomoleküle herstellen. Ich habe irgendwann ehemalige Kollegen aus der Max-Planck-Gesellschaft an der Tankstelle getroffen, im Ernst. Wir haben beschlossen, uns zusammenzusetzen, zurück zu den Wurzeln. Denn wir hatten den Traum, zielspezifischere monoklonale Antikörper zu erschaffen. 2016 hatten wir dann den Durchbruch und das Ganze mit einigen Patenten untermauert. Ein Jahr später haben wir dann die AVA gegründet.

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‘Ava‘ ist germanischen Ursprungs und bedeutet ‚Kraft‘. Ist das Grund für den Namen Ihrer Firma? Oder ist es eine gar versteckte Ode an die US-amerikanische Schauspielerin Ava Gardner?

Birsner: Ganz ehrlich, das kommt wirklich von Ava Gardner. Wir wollten weit oben im Alphabet stehen, und eine meine Lieblingsschauspielerinnen war die Ava. Aber wenn Sie das mit der Kraft erwähnen, natürlich strotzen wir vor Kraft (lachen beide). Wir setzen uns zusammen aus alten Hasen und jungen Forschern, und wir sind uns unseres Potentials bewusst. Die Technologie, die wir hier entwickelt haben, wird in Zukunft Einfluss auf uns alle haben.

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Ulrich Birsner und …

Das sind hehre Ziele. Auf Ihrer Webseite schreiben Sie: „Eine moderne Diagnostik muss nicht nur die Erkrankung als solche erkennen, sondern sollte zudem eine passende Therapieempfehlung für den Patienten mitliefern.“ Welche Idee steckt dahinter?

Marcus Dühren-von Minden: Inzwischen schaut man ein Stück weit genauer hin und sagt nicht einfach: Das ist die Erkrankung X oder Erkrankung Y, dazu gibt es Therapie Z. Nein, es werden Subgruppen identifiziert. Denn nicht jeder Erkrankte reagiert gleich gut auf eine bestimmte Standardtherapie. Auch der Kostenträger ist daran interessiert, im Vorhinein zu wissen, bei welchen Patienten eine Therapie funktioniert. Eine gute Diagnostik sollte daher nicht nur feststellen, um welche allgemeine Erkrankung es sich handelt, sondern um welche Subgruppe genau. Nur dann können wir dem Arzt und dem Patienten mit auf den Weg geben: Okay, diese Therapie ist für diesen Subtyp gut.

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Stichwort: Personalisierte Medizin oder Therapie.

Dühren-von Minden: Genau. Das ist die spezialisierteste Art und Weise, personalisiert auf das einzelne Individuum.

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… Marcus Dühren-von Minden. Credit: AVA Lifescience

Es gibt inzwischen über achtzig zugelassene monoklonale therapeutische Antikörper, die meisten gegen Krebs und chronische Entzündungen. Sie bewerben AVA-mAb01 als „erstes Produkt der NextGenMonoclonals-Plattformtechnologie“ mit hoher Tumorspezifität für eine zielgerichtete Therapie. Aber auch AVA-mAb01 richtet sich gegen Oberflächenproteine maligner B-Zellen, wie zum Beispiel Guselkumab von Janssen oder Blinatumomab von Amgen, die beide gegen den B-Zell-Marker CD19 gerichtet sind. Was unterscheidet Ihren Therapieansatz?

Dühren-von Minden: Natürlich ist es so, dass es bereits monoklonale Antikörper gibt, die auch in der Therapie eingesetzt werden. Sie sprechen CD19 als Beispiel an. Der springende Punkt ist, dass es sich um ein tumorassoziiertes Ziel handelt, das auch auf nicht-malignen B-Zellen exprimiert wird. Das bedeutet, wenn ich damit eine Therapie einleite, dann treffe ich alle B-Zellen. Die Patienten haben also nachher keine B-Zellen mehr. Wir haben einen Antikörper, der ein Target anvisiert, welches auf eine B-Zellen-Untergruppe der Chronischen Lymphatischen Leukämie abzielt. Es gibt im Augenblick nichts, was tumorspezifischer ist. Darüber haben wir die Möglichkeit, die malignen B-Zellen des Subtyps zu eliminieren, aber wir ignorieren dabei alle anderen B-Zellen, und das ist der große Vorteil.

Birsner: Ich drücke das immer plakativer aus: Wo bisher der Holzhammer genommen und alles zerschlagen wird, gehen wir zielgerichtet mit einem Laser nur auf das maligne Molekül los. So hoffen wir, dass der Patient in Zukunft geheilt wird und nicht, wie beispielsweise bei anderen Therapien, nachher noch eine Immuntherapie benötigt oder unter starken Nebenwirkungen zu leiden hat.

Die Fragen stellte Sigrid März

Steckbrief AVA Lifescience

Gründung: 2017

Sitz: Denzlingen

Mitarbeiter: 19

Produkt: Hochselektive monoklonale Antikörper


In der aktuellen Printausgabe (05/2019) sprechen Ulrich Birsner und Marcus Dühren-von Minden mit Laborjournal über Firmengründungen, die deutsche Biotech-Szene und die Angst vorm Scheitern.