Virus mit Virus austricksen

(15.11.2018) In Österreichs Hauptstadt kämpft Themis Bioscience gegen Tropenkrankheiten. Ihr „exklusiver“ Impfstoff gegen Chikun­gunya-Fieber ist bereit für Phase 3.
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Editorial

Anfang der Fünfzigerjahre brach im ost­afrikanischen Tansania eine rätselhafte Krankheit aus. Die Symptome ähnelten dem Dengue-Fieber, jedoch war Dengue in diesem Gebiet noch nie beobachtet worden. Erkrankte litten unter Fieber und unerträg­lichen Gelenkschmerzen, die ohne Vorwarnung auftraten und mehrere Tage anhielten. Der Schmerz war so stark, dass in den ersten Tagen der Erkrankung an Schlaf nicht zu denken war – nur Morphium linderte die Qual der Betroffenen. Innerhalb weniger Wochen hatte die Krankheit ganze Dörfer heimgesucht.

Und genauso schnell hatte die lokale Bevölkerung einen Namen für das Leiden gefunden: „der gebeugte Mann“ oder Chikungunya in der Makonde-Sprache. Die Identifizierung des Übeltäters dauerte etwas länger. Nach gut einem Jahr wusste man aber, dass es sich um ein behülltes Einzelstrang-RNA-Virus aus der Gattung der Alphaviren handelt. Derzeit bekannt sind drei Genotypen: der Westafrikanische, der Ost-Zentral-Südafrikanisch und Asiatische sowie der Asiatische. Bekannt sind auch die Vektoren des Virus: Stechmücken der Arten Aedes aegypti und A. albopictus.

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In Asien, Afrika und Europa

Nach einer Infektion klingen die Symptome – im Gegensatz zu manch anderen Tropen­krankheiten – nach ein paar Tagen wieder ab. Es kann allerdings auch bleibende Schäden geben, weiß Emil Reisinger, Tropenmediziner der Universitätsmedizin Rostock. „Vor allem die Gelenk-Entzündungen können als Langzeit-Behinderungen über Monate bis Jahre bestehen bleiben“, sagte er dem Deutschen Ärzteblatt. Und das nicht nur bei Menschen in Afrika und Asien. „Chikungunya wurde in mehr als 60 Ländern in Asien, Afrika, Europa und den Amerikas identifiziert. Die Ausbrüche sind zahlreicher geworden, vor allem weil auch das Reisen zugenommen hat und es noch immer keine Behandlungsmöglichkeiten gibt.“

Glücklicherweise könnte es jedoch bald einen Impfstoff geben. Reisinger und Kollegen im Hansa Sanatorium in Graz, der Medizinischen Universität in Wien und des Berliner Centrums für Reise- und Tropenmedizin testeten ein Vakzin des Wiener Biotech-Unter­nehmens Themis in einer Phase-2-Studie – und zwar sehr erfolgreich.

Sicher und effektiv
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An der randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie nahmen über 200 gesunde Freiwillige zwischen 18 und 55 Jahren teil. Den MV-CHIK-Impfstoff oder eine Kontrolle bekamen sie ein- oder zweimal intramuskulär verabreicht. Wie erhofft, fand man 28 Tage nach der Immunisierung in allen MV-CHIK-Geimpften neutralisierende Antikörper gegen das Chikungunya-Virus. Zudem war die Behandlung sicher und gut verträglich.

Grund für den Erfolg könnte sein, dass man als Vektor ein Masernvirus verwendet hat – eine Technologie inklusive weltweiter Exklusiv-Rechte, die Themis vom Institut Pasteur erworben hat. In den Masernvektor lassen sich riesige rekombinante Gene einschleusen, die für spezifische Antigene kodieren. Zum Beispiel Struktur-Antigene des Chikungunya-Virus – wie beim MV-CHIK-Vakzin geschehen. Ein weiterer Vorteil, der Vektor repliziert sich selbst und bildet somit auch über eine längere Zeit kontinuierlich neutralisierende Antikörper. Eine vorhandene Immunität gegen das Masernvirus hatte übrigens keinen Einfluss auf die Immunogenität des Impfstoff-Kandidaten.

„Diese positiven Ergebnisse geben uns einen wichtigen klinischen Proof-of-Concept für MV-CHIK und bringen uns in eine gute Ausgangsposition für eine Phase-3-Studie. Sie zeigen auch, dass unsere Masernvektor-Plattform in der Lage ist, exzellente Impfstoff-Kandidaten effizient zu produzieren und bringen uns einen Schritt näher an einen Impfstoff gegen Chikungunya“, kommentierte Themis-Geschäftsführer und Gründer Erich Tauber in der offiziellen Pressemitteilung des Unternehmens.

Optimierte Zulassung

In der Tat kann man derzeit bei Themis guter Dinge sein. Denn die Europäische Arznei­mittel-Agentur (EMA) hat MV-CHIK im Juni den PRIME-Status für besonders dringend benötigte Medikamente erteilt. Themis kann nun viel eher mit der Agentur in Kontakt treten und das Studien-Design so optimieren, dass die anschließende Marktzulassung nur noch reine Formsache ist. Das Marktpotential wird übrigens auf 300-800 Millionen Euro geschätzt.

Außerdem wird man derzeit von allen Seiten mit Geld überhäuft. Bereits im letzten Jahr steuerte Innovate UK 3,3 Millionen Euro bei, damit der Chikungunya-Impfstoff alsbald Phase 3 erreicht. In diesem Jahr ging man mit der Osloer Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) eine lukrative Partnerschaft ein. Ein Investment von bis zu 37,5 Millionen US-Dollar sollen in die Entwicklung und Produktion von Impfstoffen gegen Lassa-Fieber und MERS (Middle East Respiratory Syndrome) gehen. Und einen neuen Investor haben die Wiener auch gefunden. Der Global Health Investment Fund (GHIF) sagte bereits Anfang des Jahres zehn Millionen Euro zu.

Eigentlich war dieser Tage sogar der Börsengang an die Amsterdamer Euronext geplant: 3.608.247 Stammaktien zum Preis von 9,70 bis 11,60 Euro pro Aktie sollten 35 bis 55 Millionen Euro in die Themis-Kassen spülen. Kurzfristig machten die Wiener jedoch einen Rückzieher. Laut Finanznachrichten wegen „widriger Marktbedingungen“.

Kathleen Gransalke