Rausch auf Rezept

(19.07.2018) Cannabis ist nicht nur Rausch- sondern auch potentes Schmerzmittel. Verschie­dene Firmen vertreiben Cannabis-Produkte in Deutschland, doch der Rohstoff muss noch immer importiert werden.
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Editorial

Der 10. März 2017 war gleichermaßen ein Glückstag für viele Schmerz­patienten wie für die Firmen, die in Deutschland Cannabis-Produkte vertreiben. An diesem Tag wurde das Betäubungs­mittelgesetz so geändert, dass es Ärzten freigestellt wurde, Cannabis-haltige Produkte zu verschreiben. Zuvor war dagegen eine Sonder­genehmigung nötig, die nur etwa 1.000 Patienten deutschlandweit zur Verfügung stand. Mit der Gesetzes­änderung war Deutschland eines der ersten europäischen Länder, die die Verwendung von Cannabis legalisiert haben – wenn auch (vorerst) nur für medizinische Zwecke.

Hanf (Cannabis) ist eine der ältesten Nutzpflanzen überhaupt. Während Nutzhanf mit einem vernach­lässigbaren Gehalt an psychoaktiven Inhalts­stoffen die Quelle für „unkritische“ Produkte wie Hanföl und Hanfseile darstellt, werden aus Blätter und Blüten des Medizinal-Hanfs (C. sativa oder C. indica) die beiden Rauschmittel Haschisch und Marihuana hergestellt. Haschisch (arabisch für Gras) ist ein Weichharz, das aus der weiblichen Hanfpflanze gewonnen wird. Marihuana ist dagegen eine Mischung aus getrockneten Blüten und unbefruchteten weiblichen Blütenständen. Die wichtigsten Inhaltsstoffe sind die Cannabinoide Tetrahydro­cannabinol (THC) und Cannabidiol. THC beeinflusst das menschliche Zentral­nervensystem und zeigt neben der psychoaktiven und schmerz­lindernden auch muskel­entspannende, beruhigende und übelkeits­unterdrückende Wirkung.

Editorial
Hanfblüten – begehrte Importware

In Deutschland gibt‘s auf Rezept getrocknete Hanfblüten und deren Extrakte. Aktuell werden die Blüten jedoch noch aus anderen Ländern, beispielsweise aus den Nieder­landen und Kanada, importiert. Auch in Österreich wird seit 2010 Hanf angebaut und gezüchtet. Ganze 250 kg getrocknete Blüten produzierte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES), ein Unternehmen der Republik Österreich, im letzten Jahr. Verschiedene Firmen produzieren aus den Blüten dann Medizinprodukte, die an Apotheken ausgeliefert werden.

Eine dieser Firmen ist Spektrum Cannabis aus St. Leon Roth bei Heidelberg, die als eine der ersten Firmen auf dem Markt aktiv war. Die Firma vertreibt rund 150 Kilo Cannabis pro Monat und macht damit im Quartal etwa eine Millionen Euro Umsatz. Seit der Marktöffnung im März 2017 steige die Nachfrage kontinuierlich, so Pierre Debs, Geschäftsführer von Spektrum Cannabis.

Während seine Firma bereits 2016 von dem börsen­notierten, kanadischen Unternehmen Canopy Growth übernommen, und auch das Berliner Cannabis Start-Up Pedanios vom kanadischen Gras-Produzenten Aurora geschluckt wurde, bleibt die Kölner Firma Cannamedical mit ihren zurzeit 20 Mitarbeitern bewusst unabhängig.

Editorial
Hanfplantagen in Deutschland?

Der nächste Schritt für die in Deutschland aktive Cannabis-Industrie ist nun der Anbau von Medizinal-Hanf vor Ort. Dies soll unter der Überwachung einer staatlichen Stelle geschehen – der sogenannten Cannabis­agentur. Diese hatte vorgesehen, dass ab 2019 medizinisches Cannabis aus deutschem Anbau in reprodu­zierbarer pharmazeutischer Qualität zur Versorgung schwerkranker Patienten zur Verfügung steht, und dazu eine europaweite Ausschreibung durchgeführt. Da mehrere Unternehmen gegen die Ausschreibung klagten, liegt diese allerdings erst einmal auf Eis und eine Cannabis-Ernte 2019 scheint deshalb eher unwahrscheinlich.

Die Ausschreibung umfasst 6,6 Tonnen Hanfblüten für einen Zeitraum von drei Jahren. Diese Zahl hält Debs für nicht ausreichend: „Der Verbrauch liegt doch jetzt schon deutlich darüber. Der Import wird in den kommenden vier bis fünf Jahren sicherlich die Hauptquelle bleiben.“

Starke Nachfrage

Zwei große Anbieter auf dem Markt, der kanadische Hanf-Hersteller Tilray und die Naturarznei-Firma Bionorica, konzentrieren sich weiterhin auf den Import und haben deshalb sogar auf eine Beteiligung an der Ausschreibung verzichtet. Maria Luther, Deutschland-Chefin von Tilray sagt dazu: „Wir wollen unseren in Kanada angebauten Cannabis nach Deutschland importieren.“ Man habe 30 Millionen Dollar in den Produktions­prozess investiert, der bis zur Trocknung der Blüten europäische Standards deutlich übertreffe. Georg Wurth vom Deutschen Hanf­verband sieht die Abhängigkeit von Importen dagegen kritisch, denn „die Nachfrage hier steigt so stark, dass die Importeure nicht hinterher kommen.“

Hinzu kommt, dass auch aus der Politik die Stimmen lauter werden, den Gebrauch von Cannabis vollständig zu legalisieren wie es etwa in den Niederlanden der Fall ist. Das würde die Nachfrage sicherlich noch einmal gehörig steigern, denn laut Weltdrogen­bericht 2017 bleibt Cannabis mit 183 Millionen Nutzern die weltweit meist­gebrauchte illegale Droge. Wenn das mal keine positiven Aussichten für die Hanf-Industrie in Deutschland sind!

Larissa Tetsch