Verborgene Schätze im Müll

(09.07.2018) Forscher der TU Kaiserslautern wühlen in den Abfällen der Brau-Industrie nach nützlichen Substanzen. Steckt im Treber womöglich ein neuer Wirkstoff gegen Diabetes?
editorial_bild

Editorial

Bierbrauen ist das älteste biotechno­logische Verfahren und versorgt dank modernster Methoden jeden Deutschen mit durchschnittlich 104 Litern Bier pro Jahr. Nur bei der Ausbeute hinkt das Bierbrauen vielen anderen Prozessen hinterher - das Gros an Rohstoffen bleibt nämlich ungenutzt zurück. Genau hier setzt ein neues EU-Projekt an.

Beim Bierbrauen setzen auch modernste Industrie-Brauereien immer noch auf die grundlegenden Schritte, die schon vor Jahrtausenden von den ersten Brauern entwickelt wurden: Gerstenkörner werden zum Keimen angeregt und sogleich gedarrt, bevor der Spross die wertvolle Stärke verbrauchen kann. Diese wird nämlich im nächsten Schritt, dem sogenannten Maischen, zu Zuckern umgewandelt. Die zuckersüße Flüssigkeit (Würze) wird von den Gersten-Resten getrennt, die jetzt Treber heißen. Nur die süße Würze ist jetzt noch nützlich, denn aus ihr vergären die Hefen das Bier. Der Treber ist Abfall und wird an Tiere verfüttert, für Biogas verwendet oder zur Energie-Gewinnung verbrannt.

Editorial
Nützliches im Treber

Doch kann man das nicht besser machen? Die wertvollen Inhaltsstoffe für Produkte nutzen, die man sonst nur schwer herstellen kann? Genau darauf zielt das BIOVAL-Projekt ab, das von der EU mit 1,84 Millionen Euro gefördert wird, und insgesamt über gut 3 Millionen Euro verfügt. An die Forschungs­arbeit machen sich drei Teams der Universität Kaiserslautern, sowie der Saar-Uni, der Universitäten in Lothringen, Luxemburg und Lüttich und das belgische Unternehmen Celabor. Werner Thiel von der TU Kaiserslautern erklärt, dass das Gesamt­projekt auf verschiedene Bestandteile im Treber ausgerichtet ist. „Es gibt Gruppen, die sich mit einzelnen Fraktionen (Stoffanteilen im Treber) beschäftigen, andere optimieren die Auftrennung in diese Fraktionen und deren Analytik.“

Thiel leitet eine der Gruppen an der TU Kaiserslautern, daneben sind noch zwei weitere involviert: Die Gruppe um Roland Ulber in der Bioverfahren­stechnik lässt Bakterien und Pilze auf den Treber los, um ihn weiter zu fermentieren. Dabei kommen viele interessante chemische Produkte wie etwa Milchsäure heraus. Diese sowie eine Vielzahl anderer Substanzen, die die Forscher aus dem Treber gewinnen, werden von den Forscherinnen in Elke Richlings Team genauer unter die Lupe genommen. Dabei beleuchten sie die biologische Aktivität und etwaige toxische Wirkung der Substanzen. „Es gibt einige Hinweise darauf, dass verschiedene Stoffe aus dem Treber die Aufnahme von Zucker ins Blut unterbinden“, sagt Doktorandin Daniela Becker. Dies könnte für den Kampf gegen Diabetes interessant sein.

Editorial
Linolsäure in klebriger Masse

Die dritte Gruppe um Werner Thiel nimmt sich schließlich die Fette im Treber vor. „Die Fette kommen aus dem Getreidekorn, das für das Malz verwendet wird. Sie sind nicht wasserlöslich, verbleiben also im Feststoff, nachdem in der Brauerei der Zucker aus dem Malz gelöst wurde”, erklärt er. In der klebrigen Masse sind bis zu 15% der Trockenmasse Fette, wobei Linolsäure etwa die Hälfte ausmacht. Die Fette müssen für die Aufarbeitung jedoch erst einmal aus dem Treber gelöst werden, entweder mit organischen Lösungsmitteln oder sogenanntem überkritischen Kohlendioxid. „Danach analysieren wir sie und spalten sie in Glycerin und Fettsäure-Methylester. Diese beiden Bestandteile wiederum nutzen wir für bestimmte chemische Reaktionen,“ erklärt Thiel.

Mit dieser Arbeit hat seine Gruppe schon vor etwa einem Jahr begonnen, besser gesagt eine Doktorandin und ein Doktorand. Thiel forscht jedoch schon länger an den Fettsäure-Estern und Glycerin, speziell für katalytische Oxidations­reaktionen, also die Einführung von Sauerstoff an ganz bestimmten Positionen in den Molekülen. Thiel: „Dafür haben wir in den letzten Jahren Katalysatoren entwickelt, die wir immer noch weiter optimieren“.

Fettsäure-Ester und Glycerin sind nicht nur im Treber zu finden, sondern in vielen anderen nach­wachsenden Rohstoffen. Treber hat jedoch den Vorteil, dass man hier nicht mit der Lebensmittel-Erzeugung konkurriert, wie etwa bei Raps oder Getreide. Thiel meint dazu: „Treber ist leicht verderblich, er kommt feucht aus der Brauerei und enthält jede Menge Nährstoffe, ist also ein Paradies für Pilze und Bakterien. Man müsste sehr schnell arbeiten, um ihn für die Lebensmittel-Industrie verwenden zu können.“ Treber wird zwar auch in Bäckereien verwendet, aber dieser Markt ist sehr begrenzt, fährt Thiel fort. „Wir haben hier also einen nach­wachsenden Rohstoff, den wir nahezu ohne Auswirkungen auf die Lebensmittel-Erzeugung nutzen können.“

Alles herausholen

Da Treber wie erwähnt schnell verderblich ist, bekommen ihn die Forscher getrocknet, von Kollegen aus Belgien oder der Brau AG an der TU Kaiserslautern. Am Ergebnis der Forschungsarbeit wird dies aber nichts ändern, die Methoden können ja auch auf frischen Treber übertragen werden. Wichtig ist laut Thiel erst einmal, „dass die beteiligten Gruppen ein Verfahren entwickeln, mit dem man in optimaler Weise nacheinander alle interessanten Bestandteile aus dem Treber herausholt.“

Damit wäre ein großer Schritt getan zur nachhaltigeren Nutzung von Rohstoffen, gerade im Bier-Land Deutschland. Und es wäre eine kleine Revolution im jahrtausende­alten Verfahren der Bierbrauerei, dass der Treber nicht mehr verbrannt oder an Tiere verfüttert wird, sondern seine wertvollen Bestandteile bessere Verwendung finden.

Karin Lauschke