Die Robin Hood-Proteinquantifizierung

(04.07.2018) Der Legende nach stahl Robin Hood das Geld der Reichen und verteilte es unter den Armen. Dieses Robin-Hood-Prinzip funktioniert auch bei einem gängigen Kit zur Quantifizierung der Proteinmenge.
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Editorial

Prinzipiell hat der Typus „Molekularbiologe“ zwei Phänotypen. Der „Kit-Typ“ will schnell zu einem Ergebnis gelangen und arbeitet die Experimentierschritte zügig nach den Vorgaben des Hersteller-Manuals ab. Kosten spielen für ihn eine zweitrangige Rolle, ebenso wie Improvisation oder kritisches Hinterfragen. Der „Bastler-Typ“, schaut, wo sich Experimentierschritte abkürzen und/oder verbilligen lassen. Kits sieht er eher als Ansporn, um eine mindestens gleichwertige aber billigere Alternativmethode zu entwickeln. Je nach Institution und Budgetlage wechselt der Molekularbiologe mitunter zwischen den beiden Typen und natürlich gibt es auch Übergangsstufen.

Geklaut und modifiziert
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Jens Coorssen und Nour Noaman von der Brock University in Ontario, Kanada, gehören aber unzweifelhaft zum zweiten Typus. Den beiden war die Protein-Quantifizierung für ihre 2D-Elektrophorese-Gele mit dem EZQ-Kit von Thermo Fisher viel zu teuer: Also "klauten" und modifizierten sie die Methode, senkten dadurch die Kosten erheblich und verteilten ihre Idee schließlich über ein Analytical Biochemistry Paper an bedürftige Biowissenschaftler.

Der EZQ-Kit enthält ein geheimgehaltenes spezielles Papier, eine ebenfalls geheime fluoreszierende Proteinfärbesubstanz, eine 96-Loch-Platte sowie Hühnerei-Albumin (CEA)-Proben als Standard. Die Kanadier tauschten das Papier und den Fluoreszenzfarbstoff ganz einfach gegen simples 3MM-Whatman-Papier sowie kolloidales Coomassie Brilliant Blue (cCBB) aus.

Zur Probenverdünnung wählten sie unter zwei selbstgemixten Pufferrezepturen. Eine davon (1DB) entspricht einem stinknormalen Protein-Lade-Puffer: 25mM Tris pH8.8, 2% SDS, 12.5mM DTT, 7.5% Glycerol, 0.001% Bromphenolblau. In diesem erhitzten die beiden die Proben fünf Minuten bei 100°C. Anschließend trugen Sie jeweils ein Mikroliter auf das Whatman- sowie das EZQ-Papier auf. Der zweite Puffer (2DB) enthielt 8M Harnstoff, 2M Thioharnstoff, 4% CHAPS entweder mit oder ohne 0.5% bis 1% pH 3-10-Ampholyte. Die verdünnte Proben trugen die Kanadier ebenfalls auf Whatman- sowie EZQ-Papier auf.

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Tropfen im Loch

Um regelmäßig angeordnete Probenpunkte zu erhalten, verwendeten Coorssen und Noaman den Einsatz einer 96er-Pipetten­spitzenkiste als Schablone und setzten in jedes Loch einen Tropfen. Nach kurzer Trocknung der aufgetragenen Proben wuschen sie das Whatman-Papier für fünf Minuten in Methanol, um Pufferkomponenten zu entfernen und trockneten es erneut für zehn Minuten auf der Bench.

Anschließend legten sie es in cCBB-Färbelösung und schüttelten das Ganze zehn Minuten. Nichtgebundenes cBB entfernten die beiden durch fünfmaliges Schütteln in Wasser für fünf Minuten, wobei sie das Papier zwischendurch wendeten. Die gewaschenen Blots trockneten sie schließlich etwa zwei Stunden auf der Bench; oder wenn es schneller gehen musste für zehn Minuten mit Druckluft. Das Färben und Entfärben des EZQ-Papiers führten die Kanadier nach den Herstellerangaben durch.

Für die Quantifizierung der EZQ-Probenpunkte verwendeten Coorssen und Noaman ein Fluoreszenz-Plattenlesegerät, bei der DIY-Version mit cCBB genügte ein herkömmlicher Scanner. Hierzu legten sie das Whatman-Papier mit der "Butterseite" nach unten auf und beschwerten es mit einer Glasplatte, damit die Messdaten nicht durch Unebenheiten verfälscht wurden. Eine Imaging-Software errechnete aus den TIFF-Bildern der Blots schließlich die Stärke der cCBB-Signale.

Reproduzierbarer als das Original

Offensichtlich ist die cCBB-Methode bei gleicher Sensitivität (etwa 0.1µg) reproduzierbarer als die ursprüngliche EZQ-Technik: Verwendeten die beiden den Puffer 1DB oder den ampholyt­freien Puffer 2DB, waren die Schwankungen zwischen den einzelnen Proteinproben geringer als bei dem EZQ-Kit. Dies gilt auch für native Proteinproben, etwa rohes Humanserum, das die Forscher in ampholytfreiem 2DB lösten.

Auch die Linearität der mit BSA oder Eialbumin erhaltenen Standardkurven war mit der cCBB-Technik signifikant höher. Dies wirkte sich auch auf die Genauigkeit der Proteinmenge aus, wenn die cCBB-Standardkurven für das Beladen eines Gels mit zwei Mikrogramm Protein herangezogen wurde.

Den optimalen Kalibrierstandard, zum Beispiel Rinderserumalbumin oder Ovalbumin zur absoluten Quantifizierung nativer Proben, sollte man jedoch vorab prüfen. Aufpassen muss man mit Ampholyten, welche die Färbereaktion stören können und deshalb erst nach der Proteinquantifizierung zugegeben werden sollten, um zum Beispiel die Löslichkeit oder Stabilität zu verbessern. Wer bei der Protein-Extraktion nicht auf Ampholyte verzichten kann, sollte die Waschschritte rigoroser durchführen, etwa durch längeres oder stärkeres Schütteln.

Andrea Pitzschke