Auf die Länge kommt es an

(26.06.2018) Ohne Bienen und Hummeln kein Obst oder Gemüse. Dabei ist bei der Acker- oder Puffbohne vor allem die Garten­hummel ein effizienter Bestäuber. Ein morphologisches Merkmal macht den Unterschied.
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Editorial

In manchen Kleingärten versteht man vor lauter Summen, Surren und Brummen sein eigenes Wort nicht. Bienen und Hummeln schwirren von Blüte zu Blüte, sammeln Pollen und sorgen so ganz nebenbei dafür, dass der Kleingärtner am Ende des Sommers leckere Früchte ernten kann. Apfel, Birne, Kirsche – was das Herz begehrt.

Aber auch die Ackerbohne (Vicia faba) ist ein beliebtes Anflugziel der Insekten. In Deutschland wird die Bohne auf etwa 46.000 Hektar, hauptsächlich als Tierfutter, aber auch als Gemüse oder Gründünger, angebaut. Im Erfurter Raum ist die Puffbohne gar eine kulinarische Spezialität und muss als Stadt-Maskottchen herhalten. Vor allem Honigbienen (Apis mellifera) und verschiedene Hummelarten wie die Gartenhummel (Bombus hortorum), die Dunkle Erdhummel (Bombus terrestris), die Ackerhummel (Bombus pascuorum) und die Steinhummel (Bombus lapidarius) werden von den auffälligen und duftenden Schmetterlingsblüten der Ackerbohne magisch angezogen.

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Fremdbefruchtung ist erwünscht

Die Abteilung Pflanzenzüchtung der Universität Göttingen um Lisa Brünjes und Wolfgang Link initiierte eine Studie, um in Zusammenarbeit mit den Göttinger Agrarökologinnen Birgit Marzinzig und Catrin Westphal herauszufinden, ob es Art-spezifische Unterschiede bei der Bestäubungsleistung gibt. Setzt die Pflanze zum Beispiel mehr Samen an, wenn sie von Honigbienen bestäubt wurde oder kommt die Ackerbohne – die sich sowohl über Selbst- als auch Fremdbefruchtung vermehrt – durch Hummel-Besuch vermehrt mit fremdem Pollen in Kontakt. „Ein hoher Anteil an Fremdbefruchtung ist erwünscht, denn ein hoher Anteil an Mischerbigkeit (Heterozygotie) in den Nachkommen bewirkt höhere Erträge in den kommenden Generationen“, erklärt Lisa Brünjes.

Bekannt war, dass sich die Bestäuber-Insekten drei Strategien zurecht gelegt haben, wie sie an den Nektar bzw den Pollen herankommen. Entweder fliegen sie die Blüte ganz normal von vorn an (legal flower visit); sie beißen sich an der Blütenbasis durch und stehlen den Nektar (nectar robbing) oder sie ignorieren die Blüte komplett und besuchen einfach sogenannte extraflorale Nektarien, das sind Nektardrüsen auf den Nebenblättern. Nur „legale Besuche“ führen jedoch zum gewünschten Ergebnis: „Während ihres Blütenbesuchs bewirken die Bienen eine mechanische Stimulierung der Blüte, das sogenannte ‚Trippen‘. Die Bienen reiben sich am Stempel der Blüte, was dazu führt, dass ein Exudat auf der Stempeloberfläche austritt, das wiederum die Pollenkeimung induziert. Durch den Bienenbesuch wird also die Keimung des Pollens gefördert,“ so Brünjes.

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Nektar-Räuber nehmen Abkürzung

Um herauszufinden, welche Biene welche Strategie bevorzugt, säten die Göttinger Forscherinnen und Forscher auf einer Fläche von 3.200 m² Ackerbohnen aus und warteten auf die ersten Blüten. Dann ging‘s ans Beobachten: Entlang einer imaginären Linie bewegte sich die Experimentatorin durch das Feld und notierte oder fing alle Blütenbesucher, die in dem Abschnitt oder Transekt herumschwirrten. „So kann die Dichte von Blütenbesuchern in einer definierten bzw. standardisierten Fläche bestimmt und über verschiedene Zeitpunkte oder Flächen verglichen werden,“ führt Birgit Marzinzig, die Erstautorin der Studie, aus. Dabei kam heraus, dass Honigbienen und Erdhummeln gerne mal eine Abkürzung nehmen – sie outeten sich als Nektar-Räuber. Stein-, Acker- und Gartenhummeln hingegen nahmen den „legalen“ Weg, von vorn durch die Mitte.

In einem zweiten Versuchsaufbau, der Aufschluss über die Bestäubungs-Effizienz geben sollte, kamen sogenannte „exclusion cabins“ zum Einsatz, die mit einem Netz bedeckt, potentielle Bestäuber außerhalb des Beobachtungszeitraumes fernhalten. In diese Kabinen säten die Forscher spezielle Marker-Pflanzen, die später erkennen ließen, ob deren Samen durch Selbst- oder Fremdbefruchtung entstanden sind. Nach der Samenbildung stand das Ergebnis recht eindeutig fest: die Gartenhummel ist am effizientesten. Die von ihr bestäubten Blüten bildeten die meisten Samen und waren auch am häufigsten fremdbefruchtet. Für das Göttinger Team war das Resultat doch eher überraschend, vermutete es doch, dass auch die Ackerhummel (Bombus pascuorum) ein effizienter Bestäuber ist. „Dass allein die Gartenhummel so gut abschneiden würde, und dass dieser Unterschied zu den anderen Bienenarten derart deutlich ausfallen würde, haben wir nicht erwartet“, gibt Brünjes zu. Woran aber liegt‘s?

Extra-lange Rüssel

Es hat wohl was mit der speziellen Gartenhummel-Morphologie zu tun. Sie hat einen recht langen Kopf, das passende Gewicht um die Blüte zu „trippen“ und vor allem einen ziemlich langen Rüssel. Mit dieser etwa 15 mm langen „Zunge“ kommen die Gartenhummeln ganz leicht an das Innere der langen Ackerbohnenblüte heran. Perfekte Anpassung. Zum Vergleich: Honigbienen haben einen etwa 6 mm langen Rüssel, Erdhummeln können mit 8 mm aufwarten. Auch aus diesem Grund sind die beiden wohl zu Nektar-Räubern geworden. Allerdings, so Brünjes, wäre es für praktische Belange günstiger gewesen, wenn die Honigbiene oder Erdhummel besser abgeschnitten hätten. Denn diese beiden Bienenarten werden kommerziell produziert und weltweit für die Bestäubung eingesetzt. Gartenhummeln hingegen sind als Bestäuber von Kultur- und Wildpflanzen nicht sehr gut untersucht.

Die Bedeutung der Erkenntnisse für die Landwirtschaft sind jedoch begrenzt, da vergleichsweise wenig Ackerbohnen angebaut werden. Dies geschieht jedoch oft unter ökologischen Bedingungen und so könnten Maßnahmen zur Ertragssteigerung auf „natürlichem Wege“ für Öko-Bauern durchaus interessant sein. „Unsere Ergebnisse liefern zusätzliche Gründe für den Schutz von Wildbienen. Da Gartenhummeln aufgrund ihres Brutverhaltens nicht vom Menschen vermehrt werden können, sind Landwirte und Züchter, die von der exzellenten Bestäubungs­leistung der Gartenhummel profitieren möchten, auf natürlich vorkommende wildlebende Populationen angewiesen“, sagt Catrin Westphal, die Leiterin der Studie. Von Bienenschutzmaßnahmen profitieren also alle: die Bienen und die Landwirte bzw Saatgutvermehrer.

Kathleen Gransalke

Marzinzig, B. et al. (2018): Bee pollinators of faba bean (Vicia faba L.) differ in their foraging behaviour and pollination efficiency. Agriculture, Ecosystems and Environment, 264:24-33