MRT-Filme in Echtzeit

(13.06.2018) Das Europäische Patentamt verleiht jedes Jahr den Europäischen Erfinderpreis. 2018 ging er an Jens Frahm, der die Magnetresonanz­tomographie mit der FLASH-Technik revolutionierte.
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Editorial

Der Erfinderpreis geht an außergewöhnliche Tüftler, deren Erfindungen als „bahn­brechend“ gelten. Bahnbrechend ist die Erfindung von Jens Frahm, der sich seit Jahrzehnten der Magnetresonanz­tomographie (MRT) verschrieben hat, und seit 1993 die am MPI für biophysikalische Chemie in Göttingen angesiedelte gemeinnützige Biomedizinische NMR Forschungs GmbH leitet.

Die MRT unterstützt als nicht-invasives bildgebendes Verfahren die medizinische Diagnostik. Die hierzu eingesetzte langwellige Strahlung ist ungefährlich. Während die Röntgentechnik Knochenbrüche und schiefe Kiefer zutage fördert, diagnostiziert die MRT Hirntumore, Herzfehler und andere Schäden weicher Organe. Dafür mussten einst sehr viele MRT-Signale in sehr, sehr vielen individuellen Messungen gesammelt werden. Die von Frahms Gruppe Mitte der achtziger Jahre entwickelte Fast Low Angle Shot oder kurz FLASH-MRT sammelt die Daten um ein vielfaches schneller und selektiver.

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Bilder in Sekunden

Der untersuchte Patient muss „in der Röhre“ nicht mehr minutenlang starr und mit angehaltenem Atem verharren - FLASH liefert die MRT-Daten innerhalb weniger Sekunden. Das ist nicht nur bequemer für die Patienten. Dank FLASH können auch wesentlich mehr Patienten mit der MRT untersucht werden. Weltweit werden pro Jahr mehr als 100 Millionen MRTs in Krankenhäusern durchgeführt.

Die Schlüsseltechnologie des MRT ist die Kernspin­resonanz­­spektroskopie (NMR). Der menschliche Körper besteht, je nach Gewebe, zu einem Großteil aus Wasser. Er enthält somit reichlich Protonen, deren Atomkerne mittels Magnetfeld resonant angeregt werden können. Die „Antwort“ der angeregten Atomkerne erzeugt im Empfänger-Stromkreis des MRT-Geräts elektrische Signale, aus denen nach entsprechender Datenverarbeitung hochauflösende MRT-Bilder entstehen.

Anders als die ursprüngliche MRT-Technologie nutzt FLASH Anregungsimpulse, die Atomkerne nicht um (einst als optimal erachtete) neunzig Grad drehen, sondern nur um fünf bis fünfzehn Grad. So ein kleiner Trippelschritt ist weniger aufwändig und schneller vollführt als ein ganzer Salto. Hinzu kommt, dass der nächste Impuls immer erst gesetzt werden kann, nachdem ein Atomkern in seine Ausgangsposition zurückgekehrt ist. Kleinere Winkel bedeuten kürzere Relaxationszeiten.

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Pulsierendes Leben

Insgesamt hat Frahms FLASH-MRT die Analysezeiten um den Faktor hundert verkürzt. Die von seinem Team 2010 vorgestellte verbesserte Version FLASH2 ermöglicht die quantitative Kartierung physiologischer Parameter anhand modell-basierter Rekon­­struktionen. Dank der extrem schnellen Datenaufnahme, die nur zwanzig bis dreißig Millisekunden pro Einzelbild dauert, sind mit FLASH2 sogar Filmaufnahmen möglich.

Auf der Homepage von Frahms Gruppe pulsiert das Leben. Dort sieht man unter anderem ein schlagendes Herz hautnah. Betrachtenswert ist auch der Echtzeit-MRT-Film eines sprechenden Menschen, der zeigt, wie Lippen, Zunge und Gaumensegel ihre Bewegungen koordinieren, um Ton und Text hervorzubringen.

Andrea Pitzschke