Süße Kügelchen fürs Screening

(16.05.2018) Ein britisches Team entwickelte eine Wirkstoff-Screening-Strategie, bei der Membranproteine in kleinen Fettkugeln rekonstituiert werden, die wie winzige Raffaello-Pralinen aufgebaut sind.
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Editorial

Membranproteine entscheiden häufig darüber, was in der Zelle abläuft. Sind sie defekt oder werden im Übermaß exprimiert, führt dies zu einer Vielzahl von Krankheiten und Fehlentwicklungen. Antikörper oder Wirkstoffe, die Membranproteine detektieren beziehungsweise manipulieren sollen, zielen in der Regel auf Protein-Domänen, die aus der Membran herausragen. Damit diese ihre Ziele binden können, muss das Protein jedoch möglichst unverfälscht vorliegen.

Fehlt die gewohnte Umgebung der Membran, verändert sich die Struktur "nackter" Membranproteine und entspricht nicht mehr der Struktur innerhalb der Membran. Die Herausforderung bei Membranprotein-Screenings ist also, eine Membran-ähnliche Umgebung zu schaffen, in der sich Membranproteine nativ verhalten und ihre nicht-membranständigen Domänen frei zugänglich präsentieren.

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Wohlfühl-Atmosphäre

Die Antwort von Lars Jeukens Gruppe von der Universität Leeds auf dieses Problem heißt Spherical-Supported Bilayer Lipid Membranes oder kurz SSBLMs. SSBLMs sind winzige Silika-Kügelchen, die mit einer künstlichen Lipid-Doppelschicht aus 1-Palmitoyl-2-oleyol-sn-­glycero-3-phosphocholin (POPC) beschichtet sind, in der sich Membranproteine möglichst wohlfühlen sollen. Die Kügelchen sehen ein bisschen aus wie kleine Raffaello-Pralinen: Der Silika-Kern entspricht dem Mandelkern in Raffaellos, die Cremehülle dem POPC-Lipid und die Membranproteine den herausstehenden Kokos-Streuseln.

In Vorversuchen stellte sich schnell heraus, dass sich das unspezifische Binden von Antikörpern oder Wirkstoffen an die Kügelchen nur mit einer lückenlosen Fetthülle verhindern lässt, ähnlich der BSA-Blockierung in Western Blots. Anschließend ermittelte das britische Team das richtige Mischungsverhältnis von Silika-Kügelchen (Durchmesser 100 oder 200 nm) und Lipid, um eben diese lückenlose Beschichtung der Kügelchen mit POPC zu erhalten.

Dazu resuspendierten die Forscher zunächst POPC in PBS und jagten das Gemisch mehrfach durch einen Mini-Extruder mit 100 Nanometer oder 200 Nanometer Porengröße. Die so erhaltenen POPC-Liposomen vortexte die Gruppe zusammen mit den Silika-Kügelchen und erhielt schließlich SSBLMs. Bei einem Lipid-zu-Silika-Kügelchen-Verhältnis von 30 Prozent (w/w) beziehungsweise 15 Prozent waren die 100 beziehungsweise 200 Nanometer-Kügelchen optimal gesättigt.

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Test mit Transporter

Will man Membranproteine auf den Fettkügelchen unterbringen, muss man diese zuerst in den POPC-Vesikeln rekonstituieren. Als Test-Protein verwendeten die Briten den bakteriellen Nukleosid-Transporter NupC, den sie in E. coli exprimierten. Hierbei bauten sie in eine zentrale Loop-Region von NupC, die aus der Membran herausragt und zwei Transmembran-Helices verbindet, einen His-Tag ein. Über den His-Tag ließ sich das Protein sehr einfach etwa mit anti-His-Antikörpern detektieren. Um das His-getaggte NupC in POPC-Liposomen zu rekonstituieren, mischte die Gruppe die POPC-Vesikel mit 2,4 Prozent His-NupC. Anschließend integrierte sie diese wie oben beschrieben in SSBLMs.

Mithilfe von ELISAs wies das Team nach, dass anti-His-Antikörper sowie Gold-konjugierte Ni-NTA-Sonden tatsächlich spezifisch an die His-NupC-SSBLMs binden. Wichtig ist, dass man hierbei auf die üblichen bei ELISAs verwendeten Detergenzien verzichtete, da diese die SSBLMs zu Kleinholz zerhacken würden. Mit Cryo-Elektronen-Mikroskopie und Small Angle X-ray Scattering (SAXS) belegten die Forscher, dass die Kügelchen die erwartete Struktur hatten und die Membranproteine wie gewünscht an der Oberfläche saßen.

Auch schnell und schmutzig

Ob die „Raffaello-Strategie“ tatsächlich für Antikörper- und Medikamenten-Screenings taugt, muss die Zukunft zeigen. Die Ergebnisse mit His-NupC sehen jedoch nicht schlecht aus. Das Verfahren sollte aber prinzipiell auch in quick and dirty-Manier funktionieren. Eine akzeptable Expressionsrate und entsprechende Kontrollen vorausgesetzt, kann man mit Membranprotein-Rohextrakten aus induzierten Bakterienkulturen direkt loslegen. In diesem Fall sollte das Verhältnis von Rohextrakt zu POPC-Liposomen bei etwa 20 bis 40 Prozent liegen.

Prinzipiell könnte man die Silika-Kügelchen auch durch magnetische Partikel ersetzen. Dann würden die Trennschritte mit Magneten, anstelle der Zentrifugation erfolgen und wären noch einfacher und schneller. Die SSBLMs-Methode ist also durchaus noch ausbaufähig und könnte einen Versuch wert sein.

Andrea Pitzschke