Ärmer als der Beutelteufel

(30.04.2018) Schabrackenhyänen besitzen eine sehr geringe genetische Vielfalt. Damit scheint es den Tieren aber auffällig gut zu gehen. Ein Rätsel, das Genetiker der Universität Potsdam lösen möchten.
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Editorial

Hyänen haben nicht gerade den besten Ruf. Sie gelten als hässlich, feige und faul und haben mit diesen miesen Charakter­eigenschaften sogar Eingang in Kinderfilme wie Disneys „König der Löwen“ gefunden. Sicherlich sind sie mit ihrem nach hinten abfallenden Rücken, dem kräftigen Gebiss, ihrer Ernährungsweise als Aasfresser und den an ein Lachen erinnernden Rufen nicht unbedingt die Sympathieträger schlechthin. Durch ihre Verwertung von Wirbeltier­kadavern treiben sie jedoch Stoffkreisläufe an und verhindern den Ausbruch von Infektionskrankheiten. Somit sind sie als tierische „Müllmänner“ unverzichtbar für die Ökosysteme, in denen sie leben.

Viel Platz für wenige Tiere

Hyänen sind eine Schwestergruppe der Katzen und existieren heute nur noch in vier Arten, von denen die Schabrackenhyäne (Parahyaena brunnea) die seltenste ist. Sie kommt vor allem in den trockenen und halbtrockenen Gegenden im südlichen Afrika vor – genauer in Südafrika, Namibia und Botswana. Schabrackenhyänen leben überwiegend in kleinen Gruppen aus Weibchen und ihrem Nachwuchs, während die erwachsenen Männchen gezwungen sind, sich entweder einer anderen Gruppe anzuschließen oder als Einzelgänger zu leben. Aktuell gibt es weniger als 10.000 Individuen, womit die Hyäne auf der „Roten Liste der gefährdeten Arten“ als potentiell gefährdet verzeichnet ist. Gründe dafür gibt es viele: Bauern sehen die Raubtiere als eine potenzielle Bedrohung und töten sie; der Straßenverkehr und die Trophäenjagd fordern Opfer; und der Verlust des natürlichen Lebensraums macht der Schabrackenhyäne zu schaffen.

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Dabei hat die Art immer noch ein sehr großes Verbreitungsgebiet, in dem vier verschiedene Populationen leben. Dies sollte eigentlich gut sein für die genetische Vielfalt und damit für die Überlebensfähigkeit. Stattdessen besitzt die Schabrackenhyäne die geringste genetische Vielfalt, die bislang überhaupt von einer Tierart bekannt ist, wie ein internationales Forscherteam unter der Beteiligung der Universität Potsdam sowie dem Tierpark Berlin und dem Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung nun herausfand. Die Forscher traf dies vollkommen unerwartet. „Normalerweise, wenn man an eine niedrige genetische Vielfalt denkt, denkt man an isolierte Populationen oder solche mit einer geringen geografischen Reichweite“, erklärt Michael Westbury, Erstautor der Publikation. „Die Schabrackenhyäne hat dagegen eine große Reichweite von ungefähr 2,4 Millionen Quadratkilometern und viele Möglichkeiten zum genetischen Austausch zwischen den verschiedenen Populationen. Man sollte eigentlich annehmen, dass sich diese Tatsachen in der genetischen Vielfalt widerspiegeln.“

Schockierende Ergebnisse

Frühere genetische Vergleichsstudien an einem kurzen Fragment des mitochondrialen Gens für Cytochrom b sowie an Mikrosatelliten hatten bereits Hinweise auf eine extrem niedrige genetische Diversität bei den Schabrackenhyänen gegeben. Solche Aussagen sind sehr wichtig, um die Gefährdung einer Art zu bestimmen und Schutzmaßnahmen einleiten zu können. Aus diesem Grund schauten sich die Wissenschaftler nun das gesamte mitochondriale Genom von 14 wildlebenden Tieren sowie zusätzlich das Kerngenom eines im Berliner Tierpark geborenen Tieres an. Letzteres hatte wildlebende Eltern, so dass das Genom noch nicht durch Inzucht beeinflusst sein sollte - was typisch für viele in Gefangenschaft lebende Tiere ist.

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Die Ergebnisse der Sequenzierungen waren für die beteiligten Wissenschaftler ein Schock. Die genetische Vielfalt der Hyänen war nicht einfach niedrig, sondern sie war niedriger als bei allen anderen Tierarten, für die entsprechende Daten vorliegen. Die Schabrackenhyäne „schlägt“ in diesem Punkt also Arten, die für ihre Verarmung an genetischer Vielfalt bekannt sind und die gerade aus diesem Grund sehr intensiv erforscht werden. Dazu gehören beispielsweise der extrem gefährdete Tasmanische Teufel oder Beutelteufel (Sarcophilus harrisii), der Gepard (Acinonyx jubatus) und der Pardelluchs (Lynx pardinus). Selbst die genetische Vielfalt des Tasmanischen Teufels ist aber immer noch doppelt so hoch wie die der Schabrackenhyäne!

Arten mit einer so geringen genetischen Vielfalt sind normalerweise stark vom Aussterben bedroht, und auch genetisch in der Regel nicht mehr gesund. So häufen sich Mutationen, die Erbkrankheiten verursachen oder die Anfälligkeit für Infektionen begünstigen. Hierfür ist der durch einen aggressiven infektiösen Gesichtstumor, die Devil Facial Tumour Disease (DFTD), extrem bedrohte Beutelteufel ein gutes Beispiel. Im Unterschied dazu scheint es den Schabrackenhyänen allerdings noch recht gut zu gehen. Auf Grundlage der untersuchten Genome zeigten sie keinerlei Anzeichen von Inzucht oder genetisch bedingten Krankheiten.

Erklärung gesucht

Wieso die Hyänen trotz ihres großen Verbreitungsgebiets eine so geringe genetische Vielfalt besitzen, ist noch ein großes Rätsel. Die Daten deuten darauf hin, dass die genetische Vielfalt gleichzeitig mit einer graduellen aber stetigen Abnahme der Populationsgröße gesunken ist. Am Ende des Pleistozäns (vor etwa 11.700 Jahren) nahm der Bestand noch einmal deutlich ab, möglicherweise weil in dieser Zeit viele Großtierarten ausgestorben sind und dadurch insgesamt weniger Nahrung für die Aasfresser zur Verfügung stand. Weitere Gründe könnten damals eine Abnahme der Lebensräume sowie der Aufstieg von Konkurrenten gewesen sein. „Dieser langsame Niedergang könnte es der Schabrackenhyäne erlaubt haben, sich an die niedrige genetische Vielfalt anzupassen. Vielleicht haben sie so Mechanismen entwickelt, um einer Verschlechterung des Gesundheitszustands entgegenzuwirken“, spekuliert Westbury.

Wie die Zukunft der Schabrackenhyäne aussieht, lässt sich derzeit noch nicht sagen. „Aus dem Blickwinkel der Genetik sieht es aus wie eine Sackgasse“, sagt Westbury. „Allerdings deuten unsere Ergebnisse an, dass die genetische Vielfalt vielleicht doch nicht so wichtig für die Überlebensfähigkeit einer Art ist wie bisher gedacht. In der Tat sind die Bestandszahlen im Moment stabil, wenn nicht sogar in manchen Gebieten steigend.“ Nun ist weitere Forschung nötig, um die Beziehungen zwischen niedriger genetischer Vielfalt, Fitness und Aussterberisiko einer Art zu entschlüsseln.

Larissa Tetsch