Alles in Butter?

(13.03.2018) Über Fette im Essen wird viel diskutiert. In den Ernährungswissenschaften sind Fette ein Sonderfall und mit vielen Mythen beladen. Zeit, die Fakten von den Fake News zu trennen.
Editorial
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(13.03.2018) Wie ist das eigentlich mit ungesättigten Fettsäuren, Palmöl oder Omega-3, und braucht man Fett nicht auch zum Leben? Darüber diskutierten Ernährungswissenschaftler der Society of Nutrition and Food Science (SNFS) und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) kürzlich in Bonn. Ihr Fazit: Nicht allein die Anteile, sondern vor allem die Qualität der Nahrungsfette ist entscheidend für die Gesundheit des Menschen.

So machen, wie ein Mythos besagt, nicht alle Fette im Essen dick und krank. Privatdozentin Sarah Egert, Leiterin des Bereichs Wissenschaft der DGE, steht zu Fetten. Fette sind wichtig, sagt sie, weil im Körper aus ihnen beispielsweise Lipide für die Zellmembranen oder Hormone gebildet werden. Vor allem die hoch gelobten Omega-3-Fettsäuren seien wichtig. Es kommt auf den Anteil gesättigter und ungesättigter Fettsäuren in der Ernährung an, nicht allein auf den relativen Anteil des Gesamtfetts.

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Kritik an Studie

Mit einem weiteren Mythos räumt Stefan Lorkowski auf, er ist Vizepräsident der DGE und führt eine aktuelle Studie zum Fettanteil auf dem Speiseplan an, die er scharf kritisiert. Die PURE-Studie (Prospective Urban Rural Epidemiology) befasst sich mit den Ernährungsgewohnheiten von Menschen zwischen 35 und 70 Jahren aus 18 Ländern. Das Ergebnis: Mehr Fett zu sich zunehmen ist gesünder, als mehr Kohlenhydrate. Um die 35% Fett sollte man essen und 50-55% Kohlenhydrate, so die Autoren. Den empfohlenen Anteilen von Fett und Kohlenhydraten stimmt Lorkowski durchaus zu. Er sagt uns: „Ziel der Studie war es, den Zusammenhang zu untersuchen zwischen der Zufuhr an Kohlenhydraten, Gesamtfett, gesättigten Fetten, einfach und mehrfach ungesättigten Fetten, und der Gesamtmortalität sowie schweren kardiovaskulären Ereignissen.“ Das Problem an diesem Ansatz der Nährstoffrelation: Sie gilt nur, wenn man adäquat - und nicht zu viel oder zu wenig isst. Das kritisiert er auch an der PURE-Studie, da hier Probanden mit einer Energiezufuhr von 500 bis 5000 kcal einbezogen worden - weit unter beziehungsweise über den Grenzen einer ausgewogenen Ernährung (ca. 2000 kcal).

Die Empfehlungen der DGE liegen seit einigen Jahren bei 30-35% Fett und >50% Kohlenhydrate. Diese Empfehlungen erarbeitet die DGE nach einer tiefgehenden Literaturrecherche. Hier werden allerdings nur Humanstudien berücksichtigt, wie Stefan Lorkowski erklärt: „Alle in-vitro-Studien und Studien mit Tieren werden herausgenommen, und die restlichen Studien werden auf Plausibilität geprüft.“

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Ehrenamtliche Empfehlungen

Arbeiten aus dem Labor sind trotzdem nicht umsonst, denn sie werden für die Plausibilitätsprüfung benötigt: „Wir haben ja nicht die Effektgrößen von klinischen Studien und auch keine spezifische Wirkung wie bei Medikamenten. Außerdem haben wir viel mehr Einflussfaktoren, zum Beispiel die Verarbeitung und Zubereitung der Lebensmittel. Daher schaut man, ob die Ergebnisse einer Probandenstudie mit einem bekannten Wirkmechanismus erklärt werden können.“ Für Stefan Lorkowski sind diese Arbeiten in den Kommissionen und in der DGE ehrenamtliche Tätigkeiten, die er neben seiner Forschung und Lehre in den Ernährungswissenschaften an der Universität Jena macht.

Was ist nun aber das Besondere an Fetten im Vergleich zu anderen Nahrungsbestandteilen, fragen wir den Experten. „Sie werden nicht sterben, wenn Sie keine gesättigten Fette zu sich nehmen. Nur bei essentiellen Fettsäuren können Sie Mangelerscheinungen bekommen“, so DGE-Vizepräsident Lorkowski. „Dieser Mangel ist aber nicht so deutlich wie etwa bei einem Vitaminmangel. Das macht es generell schwierig mit Fetten, wie bei Kohlenhydraten und Proteinen. Das sind Makronährstoffe, die wesentlich zur Energiegewinnung beitragen, und nur ein Teil davon ist essentiell.“

Einfach zu viel

Genau das ist auch ein Problem bei der PURE-Studie, denn je höher die Kohlenhydratzufuhr, desto schlechter die gesamte Ernährung. Lorkowskis Fazit: In Deutschland nehmen wir im Durchschnitt etwa 35 % Fett und 47% Kohlenhydrate zu uns; damit passen die Nährstoffrelationen halbwegs mit dem Fazit der PURE-Studie überein; demnach wäre eigentlich alles in Butter. Die zunehmende Prävalenz an Übergewicht und Diabetes mellitus Typ 2 zeichnet da aber ein ganz anderes Bild! Lorkowski vermutet: „Wir essen schlicht zu viel, und damit auch zu viel Zucker und zu viel gesättigte Fette!“

Demnach kann man also den Schluss ziehen, dass wir viele Fakten - nicht nur unsere Ernährung betreffend - viel differenzierter betrachten müssen. Stefan Lorkowski bringt es für uns auf den Punkt: „Wie man den Kampf gegen Mythen führt? Ich weiß es nicht… Mit viel sachlicher und objektiver Aufklärung! Und dem gelegentlichen Eingeständnis, dass wir das eine oder andere schlicht (noch) nicht wissen.“

Karin Lauschke



Letzte Änderungen: 13.03.2018