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Conway’s Game of Life

(16.6.15) In einem Beitrag über simuliertes Leben stellen wir im aktuellen Heft auch „Conway’s Game of Life“ vor. Hier gibt's als Bonus die Spielregeln und eine eigene Version von Laborjournal-Autor Mario Rembold.
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Wenn ein Mathematiker ein „Spiel“ erfindet, dann geht es ihm nicht unbedingt darum, Menschen für einen Spieleabend im Wohnzimmer zusammen zu bringen. John Horton Conway bezeichnet sein „Game of Life“ gar als „No-Player-Game”. Ein Spiel, bei dem niemand mitspielen darf – das klingt ziemlich dröge.

Dabei liegt gerade darin der besondere Reiz. Denn alles, was auf Conways Spielfeld stattfindet, organisiert sich von selbst; wie in einem kleinen, abgeschlossenen Universum. „Conway’s Game of Life“ kann man am Computer laufen lassen und zuschauen, was passiert. Vorausberechnen lässt sich der Spielverlauf nicht. Schon geringfügig modifizierte Anfangsbedingungen können das Geschehen radikal verändern. Plötzlich entstehen pulsierende Gebilde, statische Blöcke oder Tierchen, die über das Spielfeld krabbeln. Dort geht eine Population zugrunde, an einer anderen Stelle kommt es völlig unerwartet zu einer Bevölkerungsexplosion.

Nun ist dieses Spiel weder eine Modell für biologisches Leben, noch soll es konkrete physikalische oder chemische Vorgänge abbilden. Dennoch findet man Prinzipien von Selbstorganisation und Komplexität, wie sie auch in der Natur auftauchen. Und das, obwohl die Regeln sehr überschaubar und alles andere als kompliziert sind:

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Der Raum:

Conways Welt besteht aus einem zweidimensionalen Gitternetz – Quadrate, die wie auf einem Schachbrett nebeneinander liegen. Klassischerweise ist dieses Spielfeld unendlich groß. Man kann aber auch andere Varianten definieren, beispielsweise ein in sich geschlossenes Koordinatensystem, bei dem rechter und linker Rand sowie Ober- und Unterkante miteinander verbunden sind. Was rechts aus dem Bild läuft, wandert dann von der linken Seite wieder hinein. Eine solche Welt wäre endlich und hätte die Topologie eines Donuts.

Die Zellen:

Jedes Quadrat im Gitternetz repräsentiert eine Zelle, die lebt oder nicht lebt. Als Informatiker kann man diese Zustände wunderbar mit Eins oder Null darstellen. Wer es visuell mag, füllt die lebenden Zellen farbig aus und lässt die nicht-lebenden leer.

Generationen:

In Conways Spiel gibt es feste Zeitschritte oder Generationen. Diese durchlaufen alle Zellen im Feld gleichzeitig. Einfache Regeln entscheiden, welche Zellen in der Folgegeneration noch leben, welche sterben und wo neue Zellen zum Leben erwachen.

Sein oder nicht sein:

Eine lebende Zelle bleibt nur mit zwei oder drei Nachbarn am Leben. Andernfalls stirbt sie entweder vor Einsamkeit, oder weil es ihr zu voll geworden ist. Etwas ungewöhnlich die Fortpflanzung nach Conway: Eine nicht-lebende Zelle wird in der Folgegeneration nämlich dann lebendig, wenn sie genau drei lebende Nachbarn hat. Zwei Eltern reichen hier also nicht zum Nachwuchszeugen!

Bis ins neue Jahrtausend...

Das war schon alles! Ganz ohne Computer hatten Conway und seine Kollegen vor 45 Jahren mit einem „Go“-Brettspiel und schwarzen und weißen Steinen herumexperimentiert, um die oben genannten Regeln auszutüfteln. Simple „Naturgesetze“ sollten es sein, die komplexe Strukturen und selbsterhaltende dynamische Muster hervorbringen können.

Erstmals vorgestellt wurde Conway’s Game of Life von Martin Gardner im Scientific American – das war im Oktober 1970 (auf einer Website der Uni Potsdam kann man den Originalartikel nachlesen). Das Spiel hat Systemtheoretiker und Komplexitätsforscher von der Physik bis zur Biologie beeindruckt. Mathematiker suchten nach generellen Gesetzmäßigkeiten in dieser simplen Simulation, und zwar bis in dieses Jahrtausend hinein. Heute weiß man, dass sich Strukturen in Conways Welt auch zum Rechnen und zum Speichern von Information nutzen lassen. Sogar vollwertige Computer kann man damit virtuell nachbauen. Kurios: Vor drei Jahren hat jemand ein Game of Life im Game of Life implementiert  – also eine Simulation in der Simulation.

Conway für alle

Wer selber mit Conway’s Game of Life herumexperimentieren will, wird im Internet fündig oder kann sich seine eigene Version programmieren. Letzteres hat dieser Autor getan und möchte sein Werk auch mit den Laborjournal-Lesern teilen.

Hier geht's zum Spiel:

Conway's Spiel des Lebens

(Anmerkung der Redaktion: dieser Link führt auf die private Website des Autors, kein Angebot von Laborjournal.)

Das Programm ist in C-Sharp geschrieben, weshalb Sie das Microsoft-.Net-Framework benötigen (was in den gängigen Microsoft-Betriebssystemen oft enthalten ist). Die Laborjournal-Redaktion übernimmt keine Verantwortung für vertrödelte Arbeitszeit durch Verwendung des verlinkten „No-Player-Games“!

 

Mario Rembold


Illustration: Eine Situation in Conway's Game



Letzte Änderungen: 31.07.2015