Editorial

Smartwatch-App für PIs

(1.4.2015) Ein Start-Up aus Berlin entwickelt eine Anwendung für die Apple Watch, die Arbeitsgruppenleiter begeistert. Mit der Smartwatch-PI wird die Betreuung von Doktoranden und Postdocs zum Kinderspiel.
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Die neue App Smartwatch-PI löst ein Problem vieler aufstrebender Principal Investigators (PIs): Ihr Labor wächst und wächst. Jeden Monat kommen neue Doktoranden und Postdocs hinzu. Da rutscht dann schon mal ein Mitarbeiter in ein schwarzes Loch und wirft monate- oder gar jahrelang keine Publikationen ab, ohne dass es der Chef bemerkt.

"Unsere Smartwatch-PI löst dieses Management-Dilemma mit einem ausgeklügelten Trackingsystem für das Handgelenk", erklärt Bodo Bäutel, einer der vier jungen Gründer des Berliner Software-Startups FourONE Technologies.

Der Laborjournal Technik-Redakteur hat Professor Willi K. Öppele besucht, der zusammen mit den Mitarbeitern seines Lehrstuhls für multi-systemische Epigenomik den Prototyp des neuen Gadgets testet.

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Professorale Schweißausbrüche

Entspannt sitzt der vielfach ausgezeichnete Professor an seinem Schreibtisch, an seinem Handgelenk baumelt lässig die Luxusversion der Apple Watch. "Nachher habe ich noch ein Meeting mit einer Mitarbeiterin. Früher bekam ich da immer Schweißausbrüche. Denn wer merkt sich denn schon, was die alle hier machen? Meine Güte, ich habe 27 Doktoranden und 19 Postdocs. Und die forschen an ganz verschiedenen Themen, von denen ich zum Teil nicht die geringste Ahnung habe."

Das genau ist die Marktlücke, die die jungen Programmierer aus Berlin für sich entdeckt haben. Öppele dreht kurz an dem Knöpfchen seiner Smartwatch, und schon erscheint eine Übersicht mit Mini-Profilbildern seiner Mitarbeiter. Kurz ein Bild angetippt, und eine übersichtliche Status-Seite zeigt den Namen, ein Stichwort zum Thema des Projekts (z. B. "Irgendwas mit Systembiologie") und etwaige besondere Hinweise ("Grieche – nicht auf Politik ansprechen!").

"Die Mini-Profile haben mir schon einige peinliche Situationen erspart. Oft sitze ich in meinen eigenen Labormeetings und grüble, wie dieser Postdoc mit dem Strubbelbart heißt, der schon seit Monaten abends über die Gänge schlurft, und was er hier eigentlich macht. Mit der Smartwatch-PI ist das kein Problem mehr: Kurz aufs Handgelenk geschielt, und ich bin wieder im Bilde", erklärt der renommierte Forscher. Auch Randy Altmann, erfahrener Postdoc in Öppeles Arbeitsgruppe, ist begeistert: "Ich bin jetzt 7 Jahre hier, aber erst letzte Woche hat mich der Chef das erste Mal mit meinem richtigen Namen angesprochen. Ich hätte fast geweint."

Was treiben die Mitarbeiter so?

Innovativ ist die App aber vor allem wegen der interaktiven Geotracking-Funktionen. Denn auch die Mitarbeiter werden nach Vertragsunterzeichnung mit den schlauen Uhren ausgestattet. Die Software erstellt für jeden Doktoranden und Postdoc ein wöchentliches Bewegungsprofil und berechnet die im Labor verbrachte Zeit. Fällt die Anwesenheit wiederholt unter 60 Stunden pro Woche, bekommt der PI eine Push-Benachrichtigung aufs Handgelenk und kann durch die patentierte "Hard-Press"-Funktion (wiederholtes Schlagen mit dem Zeigefinger auf das Uhrenglas) seinen Unmut in Echtzeit auf die Smartwatch des Mitarbeiters übermitteln – wahlweise durch Vibrationen oder leichte Stromstöße.

Das Bewegungsprofil erlaubt aber noch genauere Auswertungen: Wie viel Zeit verbringt der Mitarbeiter am Mikroskop, an der Bench, vor dem Computer? Benutzt er den Kaffeeraum, und wenn ja, wie lange? Öppele: "Früher musste ich fünf mal am Tag meine Flure ablaufen und durch Glastüren schielen. Und war ich mal auf einer Konferenz, tanzten zuhause die Mäuse auf dem Tisch. Aber mit der Smartwatch-PI kann ich ganz entspannt darauf achten dass der Laden brummt, auch wenn ich nicht vor Ort bin".

Wenn der Chef rot sieht

Bei der Beurteilung des Fortschritts der Projekte hilft zudem ein raffiniertes Ampel-System. Der Nutzer muss nur einmal zu Beginn eines Projekts die Deadlines für einzureichende Publikationen einprogrammieren. Die Software gleicht die Daten dann laufend mit der Literaturdatenbank Pubmed ab. Kommt ein Projekt in Verzug, wird das entsprechende Profilbild auf der Uhr des PIs rot hinterlegt. Vor-formulierte Motivationsnachrichten, ebenfalls durch Tippen auf das Uhrglas übermittelt, sollten den säumigen Mitarbeiter schnell wieder auf Spur bringen – ohne dass sich der Betreuer umständlich in das Thema einlesen muss.

Die Top 3 dieser schon bei Lieferung einprogrammierten Botschaften:

"Dein Vertrag läuft ja bald aus, gibt's schon neue Daten??!?"

"Für die Promotion erwarte ich MINDESTENS 3 (!) Publikationen!!!"

"Die Konkurrenz schläft nicht!!!"

Öppele ist begeistert: "Allein mit diesen clever formulierten Nachrichten ist eigentlich alles abgedeckt, was ich früher auch gemacht habe. Ich hätte nie gedacht, dass meine Arbeit so einfach sein kann".


John Fencer

Illustration: © alexey_boldin & click_and_photo / Fotolia



Letzte Änderungen: 26.05.2015