Editorial

Roche Penzberg platzt aus allen Nähten

(18.12.2014)  Gehen Sie nicht in den Nonnenwald! Es könnte sein, dass Ihnen dort bald Planierraupen über die Zehen rollen.


editorial_bild

Roche Penzberg im Nonnenwald

Hundert Jahrtausende lang lag Poennensperch unter der massiven Eisdecke des Isarvorlandgletschers. Mit dem Beginn des Holozäns erschien der Mensch, weitere zehntausend Jahre danach dann die Armen Schulschwestern Unserer Lieben Frau. Im nach ihnen benannten Nonnenwald trieben sie die hungerleidenden Bauern zur Fischzucht im Säubach an; deren Produktion verzehrten die feinen Schwestern dann selber. Ab 1557 verlegten sich die Klerikalen auf den Bergbau – wobei die Drecksarbeit wieder dem Fußvolk überlassen wurde – und mit der Aufklärung kamen Eisenbahn, Post, Schützenverein, elektrische Straßenbeleuchtung und die sozialdemokratische Partei in den Nonnenwald.

Eisenbahn, Schützenverein, Boehringer, Roche

Und dann kamen die Schweizer. Doch halt! – die kamen erst später. Zuerst kam Boehringer, 1972 war das, und wurde zum größten Arbeitgeber Penzbergs, wie sich der Ort inzwischen nannte. Fünfundzwanzig Jahre später wurde Boehringer dem Schweizer Pharmakonzern Roche zugeschlagen, und der investierte über die Jahre kräftig im Nonnenwald. Inzwischen schaffen dort rund 5.500 Menschen „in einem der größten Biotechnologie-Zentren Europas" für den Schweizer Pharmakonzern, und schon wieder sollen es mehr werden: Über 830 Millionen Euro will Roche bis 2018 in Deutschland investieren. Der Großteil geht dorthin, wo einst die Betschwestern den Bauern die Fische klauten: nach Penzberg. Glaubt man den offiziellen Zahlen von Roche, so haben die Schweizer seit 1998 über zwei Milliarden Euro ins Würmtal gesteckt.

Editorial

Kapazitäten für Krebs-Antikörper steigern

Derzeit möchte Roche die Produktionskapazitäten für Krebsmedikamente steigern, genauer: für Antikörper, die in der modernen Krebstherapie eingesetzt werden. Die dafür noch zu errichtende neue Anlage werde ab Anfang 2017 in Betrieb gehen. Für derartige Projekte investiert der Konzern schon mal 330 Millionen Euro, mit deren Hilfe auch 150 neue Arbeitsplätze in Penzberg entstehen sollen. Deutschlandweit werde es sogar 200 neue Stellen geben, teilte der Konzern vor wenigen Tagen mit. An den drei deutschen Standorten Mannheim, Grenzach-Wyhlen und Penzberg stehen derzeit rund 14.000 Mitarbeiter in Lohn und Brot (weltweit sind es insgesamt mehr als 85.000). In Penzberg wird sowohl geforscht und entwickelt als auch produziert – zum Beispiel diagnostische und therapeutische Proteine sowie Reagenzien.

Streicheleinheiten für die Politiker

Bei dieser Gelegenheit verpasste Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG, der deutschen Politik auch gleich ein paar Streicheleinheiten: Es sei „auch den verlässlicheren Rahmenbedingungen für die industrielle Gesundheitswirtschaft zu verdanken, für die sich die Politik auf Landes- und Bundesebene stark macht", wenn sein Unternehmen in den Ausbau der Standorte in Deutschland investiere, ließ er mitteilen.

Winfried Köppelle



Letzte Änderungen: 17.02.2015