Editorial

Bloß keinen Stress!

(8. September 2014) Worauf kommt es an bei der Auswahl der Doktoranden- oder Postdoc-Stelle? Ein heißes Thema und die Aussicht auf großartige Publikationen? Das wird vielleicht überschätzt. Den zukünftigen Betreuer sollte man sich jedoch genau ansehen, meint Leonid Schneider.


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Daniel Klionsky ist ein Ausnahme-Wissenschaftler. Sein Beitrag zur Erforschung der Autophagie, also der "Recycling"-Prozesse von Proteinkomplexen und Organellen in speziellen Membranvesikeln, ist unbestreitbar.

An Klionskys Stelle würde sich manch einer als Visionär und Genie inszenieren. In einem Beitrag im Journal Nature Cell Biology begründet er seinen Erfolg aber damit, dass ihn exzellente Mentoren schon in seinen Anfangsjahren, als Student und Doktorand, für die Zellbiologie begeistert und entsprechend gefördert hatten. Oft wird angehenden Wissenschaftlern ja empfohlen, eine Nase für die heißen Themen zu haben und um die ganze Welt zu reisen, um in den erfolgreichsten Laboren Erfahrung und Know-how zu sammeln. Klionsky aber sagt, das Wichtigste für eine erfolgreiche Karriere sei, den eigenen Interessen zu folgen und immer mit Leuten zu arbeiten, die inspirieren. Was also ist der bessere Ratschlag?

Die Chemie muss stimmen

Nachdem Klionsky sein Biologiestudium beendet hatte, bewarb er sich offenbar ausschließlich in seiner näheren Umgebung, in Kalifornien. Fast wäre er Ozeanograph geworden. Das Schlüsselereignis war aber ein Vorstellungsgespräch für eine Doktorandenstelle bei Robert Simoni an der kalifornischen Universität Stanford. Simonis Interesse galt den Zellmembranen und deren Proteinen. Das passte gut zu Klionskys Studienvorlieben. Vor allem aber stimmte die persönliche Chemie zwischen den beiden.

Sofort lehnte Klionsky das Ozeanographie-Angebot ab, weil er sich nur noch eine Arbeit mit Simoni vorstellen konnte. Noch heute bezeichnet er seinen Doktorvater als eine „wunderbare Person“ und als „persönliches Vorbild“ für seine spätere Karriere als unabhängiger Gruppenleiter. Auch seinen Betreuer während der darauffolgenden Postdoc-Zeit, Scott Emr,  lobt Klionsky als „wundervollen Mentor“. Es wird deutlich, dass sein Erfolg nur möglich war, weil er am Anfang seiner Karriere Inspiration und Unterstützung von seinen Chefs erfuhr.

Ich kann Klionsky aus meiner eigenen Erfahrung nur zustimmen. Aber hätte der talentierte Wissenschaftler auch Erfolg gehabt, wenn sein Doktorvater weniger inspirierend gewesen wäre? Wenn die zwischenmenschliche Beziehung zwischen Klionsky und Simoni doch nicht so gut funktioniert hätte? Wäre Klionsky dann ebenfalls berühmt geworden, eventuell auch in einem anderen Forschungsfeld? Oder hätte er womöglich die undankbare akademische Forschung frustriert verlassen müssen? Wie wichtig ist also die Beziehung zum Doktorvater für den späteren beruflichen Erfolg?

Der Doktorvater als Karriere-Katalysator

Bei Ausnahme-Talenten wie Klionsky ist diese Huhn-und-Ei-Ursachenforschung schwierig - was war wirklich entscheidend, die eigene Leistung oder die Förderung durch den Doktorvater? Vielleicht sollte man sich dazu weniger prominente Beispiele vornehmen. Ich lade den Leser ein, sich in seinem akademischen Umkreis umzuschauen. Bemerkenswert an vielen Lebensläufen heutiger Professoren und Institutsdirektoren, insbesondere in Deutschland, ist doch, dass sie nach der Promotion oft gleich bei ihren Doktorvätern blieben, als Arbeitsgruppen-(AG)-Leiter. Oder sie kehrten nach einer kurzen Postdoc-Zeit zu ihrem ehemaligen Betreuer zurück – auf Stellen, die häufig extra geschaffen wurden. Diese AG-Leiter-Positionen sind ein wichtiger Zwischenschritt vom Postdoc zur Professur, vor allem in Deutschland (mehr dazu in meinem Beitrag zur Juniorprofessur im Laborjournal 11/2013). Und wenn eine Rückkehr ins Promotionslabor nicht vorgesehen ist, so ist die persönliche Empfehlung des Doktorvaters erst recht entscheidend.

Wenn Klionsky sich nicht so gut mit Simoni verstanden hätte, hätte er womöglich nie als Postdoc bei Scott Emr anfangen können. Eine gestörte Beziehung zwischen Mitarbeiter und Gruppenleiter ist jedenfalls keine gute Voraussetzung für eine akademische Karriere und wissenschaftliche Unabhängigkeit.

Wer beliebt ist, bleibt

Doktorväter würden wohl sagen, dass man die besten Leute behalten und deren akademische Zukunft sicherstellen will. Aber nach welchen Kriterien wird da ausgewählt? Waren die heutigen Professoren und Institutsdirektoren wirklich die besten Wissenschaftler ihrer damaligen Doktoranden- und Postdoc-Generation? Suchen sie selbst wirklich die besten Wissenschaftler für künftige Professuren aus? Wenn ja, warum wechselten so viele dieser Nachwuchsforscher damals nicht Labor und Thema, wie Klionsky es vorgemacht hat? Ist die Emanzipation vom Doktorvater nicht etwa zwingende Voraussetzung für echte wissenschaftliche Unabhängigkeit? Und was passiert mit den anderen ehemaligen Doktoranden, deren Karriereaussichten dem Doktorvater weniger am Herzen liegen? Waren sie allesamt schlechtere Wissenschaftler – oder nur unbeliebter?

Vielen Doktoranden ist die Bedeutung der persönlichen Chemie zwischen Doktorand und Betreuer nicht bewusst. Was Klionsky richtig gemacht hat: Er hat bei einem Doktorvater angeheuert,von dem er schon nach dem Vorstellungsgespräch „zweifellos wusste, dass das die Person war, mit der ich zusammenarbeiten will“. Man beachte: Er betont die persönliche Interaktion mit dem Doktorvater. Und nicht das Projektthema, nicht die Versprechung großer Publikationen – Faktoren, die für angehende Doktoranden oft als Hauptkriterium gelten, eine Stelle anzunehmen.

Mein Ratschlag an zukünftige Doktoranden: Macht es wie Klionsky. Folgt eurer Inspiration und sucht euch einen Doktorvater, der zu euch persönlich passt. Der Rest klappt dann von alleine.

 

Leonid Schneider


Abb.: © GiZGRAPHICS - Fotolia.com



Letzte Änderungen: 28.10.2014