Editorial

Beruf: Dozent

Ein Plädoyer für hauptberufliche Universitäts-Dozenten von Leonid Schneider.
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(3. Dezember 2013) Forschung und Lehre gehören zusammen. Eine Universität ist deswegen auch keine Schule, das merkt man als Student schnell genug. Wer sonst, wenn nicht ein forschender Wissenschaftler, soll dem studentischen Nachwuchs Wissen und Wissenschaft nahebringen? Jemand, der nicht selber forscht, ist nicht mehr auf dem neusten Stand und auch nicht kompetent, die Denkart eines Wissenschaftlers zu vermitteln – so sagt man.

Mit diesen Argumenten jedenfalls wird in Deutschland immer wieder die Idee für abwegig erklärt, reine Dozentenstellen zu schaffen, also Stellen ohne Forschungsmittel und ausgestattete Laborräume, die ja üblicherweise an eine Professur gekoppelt sind. Trotz des Studentenandrangs an den Universitäten findet man Pilotversuche mit sogenannten Lecturer-Stellen in Deutschland eher sporadisch.

Knappe Mittel, knappe Stellen

Die Argumente für die hauptberuflichen Dozentenstellen sind bekannt. Man denke beispielsweise  an das immer größer werdende Überangebot an hochausgebildeten Akademikern, die für die Universitäten in Zeiten knapper Mittel und Stellen sonst für immer verloren wären. Gerade in den Zeiten der Wirtschaftskrise geht jedoch der Geist des Sozialdarwinismus um, so dass man an Unis und Forschungseinrichtungen den „gescheiterten“ Wissenschaftlern – also denen, die keine permanente Beschäftigung erlangen konnten – nicht gerade hinterherweint.

Andererseits wird oft die Entlastung der hochqualifizierten Uni-Professoren angemahnt, deren Forschung angeblich unter den Lehrverpflichtungen leiden würde. Aus eigenen Erinnerungen an die Studienzeit weiß ich aber noch, wie selten ich es als Student mit einem echten Professor zu tun hatte. Wenn man also bedenkt, dass Postdocs und andere wissenschaftliche Mitarbeiter stellvertretend einen Großteil der Lehre erledigen, sollte die übrig bleibende Unterrichtslast die Professoren nicht so sehr beim Forschen stören. Der mäßige Publikations-Output mancher Professoren muss also andere Gründe haben.

Zähneknirschende Uni-Lehrer

Aber braucht man nun eigene Dozentenstellen oder nicht? Ich möchte hier dafür argumentieren. Die gegenwärtige Universitätslehre ist tatsächlich nun mal eine lästige Nebenbeschäftigung für fast alle derzeit damit befassten Personen, Professoren wie auch Postdocs. Professoren schieben so viel wie sie nur können auf ihre Postdocs und Habilitanden ab und entwickeln dabei ein wahres Feuerwerk an Kreativität. Die Habilitanden machen zähneknirschend Lehre, weil sie das als Qualifikation für spätere Bewerbungen auf Professuren brauchen. Denn durch diese Habilitationserfahrung wird doch sichergestellt, dass alle deutschen Professoren als ausgezeichnete Didaktiker ihre Studenten mit verständlichen Vorlesungen begeistern, nicht wahr?

Die Lehraufgaben werden durch das Institut hin und her umverteilt. Jeder der kann, drückt sich davor. Wenn die Lehre aber nur eine ärgerliche Pflicht für die universitären Forscher ist, kann sie eigentlich qualitativ gar nicht so gut sein. Ein Dozent, dessen Hauptaufgabe die Lehre wäre, würde diese womöglich besser gestalten und Studenten eher begeistern.

Der Postdoc als Ersatz-Prof

Durch die Lehrverpflichtungen leidet in der Tat der Forschungsablauf. Dies betrifft aber eher  diejenigen, die im Labor arbeiten. Manche Postdocs und Doktoranden haben so viele „stellvertretende“ Lehrverpflichtungen, dass deren Projekte kaum vorankommen. Es soll auch wissenschaftliche Mitarbeiter geben, die eigentlich nur noch die Lehre für den Professor machen und lediglich auf dem Papier als Wissenschaftler eingestellt sind. Tatsächlich kann man sich durch die Übernahme der Lehre an einem Institut unersetzlich machen und es so sogar zu einer Dauerstelle schaffen. Die Forschung ist dann eher nebensächlich. Da solche Fälle ja nicht gerade rar sind, warum soll die Dozententätigkeit dann nicht endlich ein richtiger Beruf werden?

Auch Dozenten dürfen forschen

Der Hauptargument gegen den Dozentenberuf ist ja oft: nur Wissenschaftler können Wissenschaftler ausbilden. Aber niemand verlangt doch ernsthaft ein Forschungsverbot für die Dozenten, nur weil diese keine eigenen Laborräume mit dem Arbeitsvertrag bekommen. Oder soll deren Arbeitsvertrag etwa Kollaborationen und das Einreichen von Förderanträgen mit fristloser Kündigung sanktionieren? Natürlich nicht, und in Großbritannien erwartet man Forschungsleistungen auch von jedem Lecturer oder Reader. So ermöglichen diese Dozentenstellen den Verbleib im Universitätsbetrieb für Akademiker, denen dies aus verschiedenen Gründen sonst kaum möglich wäre.

Vor allem angesichts des eigenartigen Mangels an Juniorprofessuren und anderer Nachwuchsgruppenleiter-Stellen an deutschen Universitäten können viele gute Wissenschaftler den Sprung vom Postdoc zum Professor oft nicht vollbringen. Da diese Leute trotzdem oft gut ausgebildete und fähige Wissenschaftler sind, würde deren Wissen und Können sicherlich reges Interesse bei den forschenden Kollegen finden. Im Übrigen ist es viel einfacher, Forschungs- und sogar Personalmittel einzuwerben, wenn man bereits als Wissenschaftler fest eingestellt ist, als seine eigene Stelle finanziert zu bekommen. So könnten auch Dozenten sich an der Forschung beteiligen und eventuell auch eigene Projekte und später sogar eine Arbeitsgruppe betreiben.

Lehre wird schon gemacht. Irgendwie, von irgendwem

Selbst wenn es mit eigener Forschung doch nichts wird, kann sich ein Dozent im Forschungsbetrieb einbringen. Doktoranden-Tutoring, Forschungskoordination und Projektmanagement, Öffentlichkeitsarbeit wären nur einige Beispiele für weitere Einsatzmöglichkeiten der hauptberuflichen Dozenten. Tatsächlich stellen die Universitäten promovierte Wissenschaftler für solche Aufgaben ein und Forschungsverwaltung ist zu einer Berufsalternative für viele Akademiker geworden.

Die eventuellen Dozentenstellen müsste die Universität aber selbst finanzieren und damit erledigt sich das Thema auch von alleine, solange die Lehre ja noch gemacht wird.  Irgendwie, von irgendwem. Beispielsweise von Drittmittel-finanzierten Postdocs, die die Universität nichts kosten.

Weil niemand auf die gefährliche Idee käme, die tatsächliche Präsenz der offiziell lehrenden Professoren mit der Lehrtätigkeit der postdoktoralen Stellvertreter abzugleichen, funktioniert das System ganz gut. Ob die Studenten mit solcher Art von Lehre wirklich viel lernen, ist weniger systemrelevant, denn bei der Bewertung der Exzellenz einer Universität geht es eher um deren Forschungsperformance und weniger um die Qualität der Lehre.

Es gibt nun mal eine Akademikerschwemme. Vermutlich würde man aus bestimmten sozialdarwinistischen Kreisen hohe Studiengebühren und mehr Selektivität beim  altmodischen dreigliedrigen Schulsystem fordern, um die Kinder des „Proletariats“ vom Sturm auf die elitären Universitäten abzuhalten. Diese Option wäre in jeder Hinsicht ein Desaster. Etwas muss sich aber ändern, ansonsten würden Kurse und Vorlesungen immer voller, und gleichzeitig immer mehr Wissenschaftler arbeitslos oder weit unter Qualifikation beschäftigt. Dozentenstellen wären auf die Dauer wirklich eine gute Lösung für alle Beteiligten.

 

 

Leonid Schneider

Abbildung:  iStockPhoto



Letzte Änderungen: 24.01.2014