Editorial

Papillomvirus-Früherkennung durch „Perlentrick“

Humane Papillomviren (HPV) können nicht nur Gebärmutterhalstumore, sondern auch Krebs im Mund-Rachen-Raum auslösen. Heidelberger Krebsforscher fanden jetzt Biomarker, die ein erhöhtes Tumor-Risiko schon Jahre vor Ausbruch der Krankheit anzeigen.
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(28. Juni 2013) 1976 provozierte Harald zur Hausen die Fachwelt mit einer Hypothese, die arg weit hergeholt schien: Behauptete er doch, Humane Papillomviren (HPV), die von Mensch zu Mensch beispielsweise beim Sex übertragen werden, könnten bestimmte Formen von Krebs verursachen. Vor allem Gebärmutterhalstumore hatte zur Hausen dabei im Verdacht.

Was damals unwahrscheinlich klang, bestätigte sich nachfolgend auf spektakuläre Weise. Zwar werden insgesamt nur eine kleine Minderheit aller Tumorerkrankungen durch Viren hervorgerufen; aber gerade für diese Krebsarten eröffnen sich durch das Wissen um die Ursache neue Möglichkeiten der Vorsorge und Früherkennung.

Vermehrt in den Fokus der HPV-Forschung gerückt sind in den letzten Jahren neben dem Gebärmutterhalskrebs auch Virus-induzierte Tumore des Mund-Rachen-Raums. Zwar gelten vor allem Tabak und Alkohol als „klassische“ Auslöser dieser Tumore, aber die durch HPV ausgelösten Erkrankungen scheinen in vielen Ländern häufiger zu werden; mögliche Ursache dieser Zunahme könnten geänderte Sexpraktiken sein.

Ein internationales Team hat nun erstmals in einer groß angelegten Studie gezeigt, dass ein erhöhtes Risiko für bestimmte HPV-induzierte Tumore im Mund-Rachen-Raum frühzeitig erkannt werden kann. Entscheidend beigetragen haben dabei auch Forscher um Michael Pawlita am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg. „Unser Labor hat einen speziellen Test entwickelt und ist eine von weltweit ganz wenigen Einrichtungen, die dieses Nachweisverfahren durchführen können“, erklärt Pawlita die Rolle seiner Arbeitsgruppe in der Arbeit, die jetzt im Journal of Clinical Oncology erschienen ist (Publ. online before print, 17. Juni 2013, doi:10.1200/JCO.2012.47.2738).

Als mögliche Biomarker für ein erhöhtes Krebsrisiko setzten die DKFZ-Forscher vor allem auf den Nachweis von spezifischen Antikörpern, die der Körper im Verlauf der HPV-Infektion gegen die Viren herstellt. Die Heidelberger suchten dabei nach Antikörpern gegen acht verschiedene HPV-Stämme, aber im Zentrum des Interesses stand von Anfang an der Stamm HPV-16, der als besonders gefährlich gilt.

Das wichtigste Element der Studie war dabei wohl, dass den Patienten schon Jahre vor Ausbruch der Krankheit Blut abgenommen wurde. Die fraglichen Seren stammten daher aus einer noch größeren, „prospektiven“ Studie mit über einer halben Million Teilnehmern aus mehreren europäischen Ländern – dem medizinischen Großforschungsprojekt EPIC (Nomen ist Omen!). Wegen der „prospektiven“ Natur und der enormen Teilnehmerzahl der EPIC-Studie konnten die HPV-Forscher die Daten gezielt nach Patienten durchsuchen, die im Verlauf der Studie Tumore im Hals-Rachen-Raum entwickelten – und dann auf die oftmals Jahre vor Krankheitsausbruch entnommenen Blutproben dieser Patienten zurückgreifen. Etwa 1.000 dieser Seren von späteren Krebspatienten und 1.600 Kontrollseren waren schließlich das Ausgangsmaterial für die Suche nach Biomarkern, die mit einem Krebsrisiko im Hals-Rache-Raum assoziiert sein könnten.

Insbesondere Antikörper gegen ein bestimmtes HPV-16-Protein, E6, erwiesen sich als recht zuverlässiger Biomarker für ein Papillomviren-spezifisches Krebsrisiko: die Heidelberger Forscher fanden Antikörper gegen E6 in circa 35% der Blutproben derjenigen Patienten, die Jahre später erkrankten; dagegen waren weniger als 1% der Blutproben gesund gebliebener Patienten seropositiv für den E6-Antikörper.

Ob sich diese Ergebnisse in Zukunft eventuell in einen praxistauglichen Test zum Vorsorge-Screening übertragen lassen, wird sich indes noch herausstellen müssen. Pawlita und Paul Brennan, Leiter der Sektion für Genetische Epidemiologie an der International Agency for Research on Cancer (IARC) und Senior-Autor der Studie, sind jedenfalls optimistisch. Überrascht hat sie vor allem, dass die Biomarker schon viele Jahre vor Ausbruch der Krankheit in Erscheinung treten – in manchen Fällen datierten die Serologen das Auftreten des verräterischen Antikörpers auf mehr als zehn Jahre vor Auftreten der klinischen Symptome.

Die DKFZ-Arbeitsgruppe hat in dieser internationalen Kollaboration vor allem ihre Expertise in der Ausführung und Auswertung der serologischen Tests beigetragen. Die Herausforderung bestand ja darin, eine große Zahl Seren gleichzeitig nach vielen verschiedenen Virusantikörpern zu durchsuchen und dabei dennoch eine hohe Zuverlässigkeit zu erreichen. Die Forscher um Pawlita lösten das Problem „Viele Proben, viele Antigene“ mit einem über die Jahre optimierten Multiplex-System, das pro Probe den gleichzeitigen serologischen Nachweis mehrerer Antikörper ermöglicht (Clin. Chem. 51(10): 1845-53).

Anders als beim traditionellen ELISA, bei dem die Antigene an ein stationäres Trägermaterial binden, kommen beim Multiplex-Verfahren sogenannte Beads (also durchsichtige, winzige Perlen) als Trägersubstanz zum Einsatz. Über einen Glutathion-S-Transferase-Tag (GST-Tag) binden die Forscher aufgereinigte Virusproteine an diese Beads – als „Köder“ für die Antikörper in den Patientenseren. Die Perlchen gibt es in hundert verschiedenen spektralen Varianten; so kann jedem Protein, das in einem „Multiplex“-Ansatz als Köder für einen spezifischen Antikörper zum Einsatz kommt, eine eigene „Farbe“ zugewiesen werden. Durch diesen „Perlentrick“ können die HPV-Forscher also mehrere Antikörper gleichzeitig in einer Serumprobe nachweisen und quantifizieren.

Die Methode selbst ist nicht neu, aber das DKFZ ist wohl einer der wenigen Orte, die über die nötige Erfahrung im Nachweis der Papillomviren verfügen, um eine Serumstudie im „Multiplex“-Verfahren in dieser Größenordnung und Genauigkeit durchzuziehen.

Dass Biomarker für Papillomviren schon mehr als zehn Jahre vor Krankheitsausbruch ein erhöhtes Krebsrisiko anzeigen können, hätte indes selbst ein Visionär wie zur Hausen  wohl nicht für möglich gehalten.

Hans Zauner

(Foto: Beadlizard Santafe)

 



Letzte Änderungen: 02.10.2013