Editorial

Großes Herz durch kleine RNAs

Bei krankhafter Herzvergrößerung spielen MikroRNAs eine fatale Rolle.

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(28. September 2012) Der verstorbene US-Krebsforscher Judah Folkman sagte einmal: "Wenn Sie eine Maus wären und hätten Krebs, könnten wir ihnen gut helfen." Bezüglich drohendem Herzversagen infolge einer krankhaften Herzvergrößerung (Herzhypertrophie) ließe sich womöglich bald dasselbe sagen. Ein Team von der Medizinischen Hochschule Hannover und des Göttinger Max-Planck-Instituts für biophysikalische Chemie konnten jedenfalls ein solches Herzversagen bei Mäusen effektiv verhindern (Nature Communications, 25. September 2012, doi: 10.1038/ncomms2090).

 

Am Anfang stand eine Beobachtung: Die Forscher um den Göttinger Erstautor Kamal Chowdhury hatten registriert, dass in den angeschwollenen Herzmuskelzellen von Mäusen mit Hypertrophie zwei MikroRNAs – miRNA 212 und miRNA 132 – besonders stark exprimiert werden. Spezielle Tricks der Mausgenetik halfen ihnen nachfolgend, gezielt Mausmutanten zu züchten, die noch mal mehr der beiden kleinen RNAs in den Herzmuskeln anhäufen. „Diese Nager entwickelten eine Herzhypertrophie und lebten nur drei bis sechs Monate, während ihre gesunden Artgenossen ein reguläres Alter von mehreren Jahren erreichten“, erklärt Chowdhury. 

 

Und er beschreibt gleich das nächste Experiment: „Zum Vergleich haben wir diese MikroRNAs bei anderen Mäusen gezielt abgeschaltet. Diese Tiere hatten zwar ein etwas kleineres Herz als ihre gesunden Artgenossen, unterschieden sich aber in Verhalten und Lebensdauer nicht von ihnen.“ Der Clou jedoch: Setzten Chowdury und Co. die Herzen dieser Nager durch Einengen der Aorta unter Stress, wie er in der Regel eine Herzvergrößerung auslöst, entwickelten diese miRNA-Mangelmutanten keine Hypertrophie – ganz im Gegensatz zu ihren Wildtyp-Verwandten.

 

Doch auch normale Mäuse konnten die Forscher vor der Krankheit schützen: Injizierten Chowdury et al. diesen ein synthetisches Oligonukleotid, welches als sogenanntes Antagomir gezielt die MikroRNA 132 hemmt, entwickelten die Mäuse kein krankhaftes Herzwachstum – selbst dann nicht, wenn ihre Herzen „unter Stress“ gesetzt wurden.

 

Doch was machen miRNA 212 und 132 molekular, um den Mäusen derart „zu Herzen zu gehen“? Nach gewissen Moleküldatenbank-Recherchen und einer Reihe weiterer Experimente bot sich dem Team aus Göttingen und Hannover folgendes Bild: Die beiden MikroRNAs binden und hemmen dadurch direkt den Transkriptionsfaktor FoxO3 in Herzmuskelzellen. Dieser kann daher den Stress-hyperaktivierten Calcineurin/NFAT-Signalweg nicht mehr im Zaum halten, wodurch die Herzmuskelzellen anschwellen – mit den letztlich fatalen Folgen. Werden die beiden MikroRNAs dagegen gehemmt oder eliminiert, so wirkt FoxO3 ungebremst der Calcineurin/NFAT-Aktivierung entgegen und unterbindet dadurch das Anwachsen des Herzens.

 

Ob man daher Herzhypertrophie-Patienten bald einfach mit MikroRNA-Hemmstoffen behandeln wird? Seniorautor Thomas Thum von der Kardiologie der Medizinischen Hochschule Hannover antwortet darauf zunächst einmal ganz im Geiste Judah Folkmans: „Damit haben wir erstmals einen Ansatz gefunden, krankhaftes Herzwachstum und Herzversagen bei Mäusen zu behandeln.“

 

Ralf Neumann



Letzte Änderungen: 09.10.2012
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