Editorial

Mäuse haben schöne Lieder

Vögel tun es, Wale tun es und Mäuse auch: Sie singen, um ihre Damen zu beeindrucken

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(21. Februar 2012) Menschen überhören diese Ständchen normalerweise, denn Mäusemännchen trällern im Ultraschall-Bereich. Ein Team um Dustin Penn von der Veterinärmedizinischen Uni in Wien untersuchte die Mausbalzgesänge per Spektrographie und digitaler Audiosoftware. Die Forscher fanden heraus, dass die Gesänge sowohl individuelle Merkmale tragen als auch Rückschlüsse auf verwandtschaftliche Beziehungen erlauben.


Angestoßen wurden die Experimente von Frauke Hoffmann, Erstautorin der publizierten Studien (J Ethol 2012, 30:172-80 und Physiol Behav 2012, 105(3):766-71). Während ihres Biologiestudiums an der Freien Universität Berlin stieß sie im Rahmen einer Mitarbeit in der Arbeitsgruppe von Constance Scharff bei einem Journal-Club auf eine Publikation von Timothy Holy über Ultraschall-Gesänge männlicher Hausmäuse, Mus musculus (PLoS Biol 2005, 3(12):e386). Hoffmann war sofort fasziniert: „Ich habe umgehend einen Schwung Anfragen an verschiedene Labore geschickt, um ein Projekt zu diesem Thema zu starten.“


In dem Verhaltensbiologen Dustin Penn vom Konrad-Lorenz-Institut für Vergleichende Verhaltensforschung der Veterinärmedizinischen Universität Wien fand Hoffmann einen Kooperationspartner. Unter seiner Leitung führte sie ihre Diplomarbeit über singende Mäuse durch. Als Versuchstiere nutzte Hoffmann Nachkommen von in der Wildnis gefangenen Mäusen. „Zuvor wurden nur Lautäußerungen von Labormäusen untersucht“, erzählt Hoffmann. „Doch diese Mäuse weisen aufgrund von Inzucht ein eingeschränktes genetisches und Verhaltensrepertoire auf, ihre Gesänge sind daher möglicherweise weniger komplex als die von Wildmäusen.“


Männliche Mäuse im Labor in Singlaune zu versetzen ist einfach: „Wir haben Wattestäbchen mit Mäuseweibchen-Urin in ihren Käfig gelegt“, berichtet Hoffmann. Das daraufhin einsetzende Gezwitscher nahmen die Wissenschaftler per Spektrometer auf. Mit Hilfe von digitaler Audiosoftware analysierten sie anschließend Dauer, Tonhöhe und Frequenz der Ultraschall-Laute. „Bei verlangsamter Wiedergabe ähneln die Aufnahmen Vogelgesang“, sagt Hoffmann. „Es lassen sich verschiedene Abschnitte – Silben und Strophen – erkennen.“


Die Analysen der so genannten Ultraschall-Vokalisationen (USV) zeigten neben individuell verschiedenen Passagen auch solche Bestandteile, die sich unter Geschwistern stärker ähnelten als bei nicht verwandten Tieren. Weibliche Mäuse können den Gesang ihrer Geschwister von dem nicht verwandter Männchen unterscheiden – sogar wenn sie ihre Brüder zuvor nie singen gehört haben, wie Hoffman und Co. bereits zuvor entdeckt hatten (Anim Behav 2010, 79(3):757-64). „Diese Fähigkeit könnte Weibchen dabei helfen, nicht verwandte Männchen von Brüdern zu unterscheiden und so Inzucht zu vermeiden“, vermuten Hoffmann und ihre Kollegen.


Gerne würde die Biologin noch mehr über die Kommunikation der Nager herausfinden. So ist noch unklar, ob besonders raffinierte, variationsreiche Gesänge bei Mäusedamen besser ankommen als schlichtere Weisen, wie dies bei Vögeln der Fall ist. Auch wie weit Unterschiede im Gesangsmuster vererbt sind oder erlernt werden, weiß man noch nicht. Doch zunächst muss Hoffmann ihre Promotion am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin abschließen, in der sie den Einfluss von Umweltgiften auf das Paarungsverhalten von Fröschen untersucht.

Der Maus steht unterdessen eine Karrieremöglichkeit als Modell zur Erforschung der Gesangs- und Sprachentstehung offen: „Als Säugetier ist sie näher am Menschen als das bisherige Modelltier Vogel“, so Hoffmann.


Melanie Estrella
Bild: morningside / photocase.com


Mausgesangsbeispiel: Digital verlangsamte Aufnahme des Gesangs eines Mausmännchens




Letzte Änderungen: 28.02.2012
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