Editorial

Urstoffwechsel-Domino

Hydrothermale Vulkan-Felder als erste Biomolekülfabrik

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(13. Februar 2012) Entstanden die ersten organischen Moleküle und Aminosäuren in einem kalten Ozean aus Ursuppe oder in Vulkandampf? Forscher der TU München um Claudia Huber und Günter Wächtershäuser bauten im Autoklaven einen „Ur-Vulkan“ nach, um die zweite Version zu untermauern. In einer einmal entfachten Kettenreaktion entstanden in ihrem Mini-Vulkan immer mehr und immer neue organische Moleküle.

Wie lief die chemische Evolution ab? Wie entstanden die ersten Aminosäuren und Ribonukleinsäuren? Ein präbiotischer Ozean hätte erst austrocknen müssen, damit sich die nötigen Ausgangsmoleküle über Tausende oder Millionen Jahre hätten anreichern können. Die Münchner Forscher glauben, dass die ersten organischen Moleküle aus Urvulkanen, genauer aus hydrothermalen Strömungskanälen, stammten. Aktive hydrothermale Felder findet man auch heute noch auf der Erde, zum Beispiel auf der Halbinsel Kamtschatka im äußersten Osten Russlands.

Die frühe Erde war über den hydrothermalen Feldern an vielen Stellen rissig. Durch die aufgeplatzte Erdkruste sickerte Wasser, in dem vulkanische Gase wie Kohlendioxid, Methan, Schwefelwasserstoff oder Stickstoff gelöst waren. Dieses Vulkanwasser kam mit den Metallen aus der Erdkruste in Kontakt: Nickel, Cobalt oder Eisen fungierten als Katalysatoren. Unter hohem Druck, an Temperatur- und pH-Gradienten entlang der Risse, entstanden organische Moleküle, zum Beispiel Essigsäure-Thioester. Die ersten Moleküle, die sich in den Erdritzen gebildet hatten, reagierten wieder mit den Katalysatoren und stießen eine Kettenreaktion an. Durch den Temperatur- und pH-Gradienten herrschten unterschiedliche Reaktionsbedingungen, sodass sich die Moleküle nicht einfach nur vermehrten, sondern auch immer komplexer wurden.

„Durch weiteren Einbau von C1-Körpern wird die Kette verlängert, sodass irgendwann eine Lipophilisierung einsetzt, die zu einer Art Urzelle führt in welcher die Reaktionen dann ablaufen“, erklärt Erstautorin Claudia Huber. „DNA und RNA sind zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht vorhanden.“ Bis es letztlich zu DNA und RNA kommt, müssen erst einmal Peptidketten über einen sogenannte Hydantoinring entstehen. Dieser Ring ist ein Glycin-Derivat und dem Imidazolanteil der Purinbasen bereits recht ähnlich.

Nachbau im Labor

Die Münchner Forscher konnten im Labor die Bedingungen in hydrothermalen Feldern nachstellen. Dazu setzten sie im Autoklaven unter anderem Wasser, Kohlenmonoxid, Cyanwasserstoff und Nickel hohem Druck und hohen Temperaturen aus (Huber et al., Chemistry 2012, 18(7):2063-80). Verschiedene organische Moleküle entstanden, darunter auch einfache Aminosäuren. „Für Glycin und Alanin konnte auch die Reaktionssteigerung einer anderen Reaktion – doppelte Carbonylierung an Cobaltcarbonyl – gezeigt werden“, so Huber. Das heißt, waren Glycin und Alanin als Ausgangssubstanzen in einem bestimmten Reaktionsansatz schon vorhanden, war die weitere Ausbeute höher, zum Beispiel von Phenyllactat um das fünf- bis sechsfache. Nach diesem Modell waren keine zufälligen Ereignisse nötig um den Urstoffwechsel in Gang zu bringen – alles folgte ganz einfach den Regeln der Chemie.

Die Versuche von Huber und Co. stehen übrigens nicht in Konkurrenz zu dem bekannten Miller-Experiment, in dem Stanley Miller und Harold Urey 1953 in einer Glasapparatur aus Wasser, Kohlenmonoxid, Wasserstoff, Methan und Ammoniak einige Aminosäuren und Organische Moleküle herstellten, indem sie sie künstlichen Blitzen aussetzten (Science 1953, 117(3046):528-9). Claudia Huber dazu: „Wir verfolgen einen anderen Gedankenansatz, ein so bedeutendes Thema sollte von möglichst vielen Seiten betrachtet und bearbeitet werden!“


Valérie Labonté
Bild: Zabzab / photocase.com



Letzte Änderungen: 27.02.2012
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