Editorial

Gen-Milch - Alles Quatsch oder was?

Ein neuerliches Beispiel für die bisweilen sehr selektive wissenschaftliche Wahrnehmung von Greenpeace. Erlebt und recherchiert von Karin Hollricher.

(29.06.04) "Gen-Milch" stand in riesigen Lettern am Eingang von Europas längster Burg in Burghausen. In der kleinen bayerischen Stadt zwischen Passau und Salzburg an der Grenze zu Österreich standen Greenpeace-Kampaigner auf der Landesgartenschau und warnten die Liebhaber von Rosen und Wald-Rappen, dass der Milchverarbeiter Theo Müller "Gen-Milch" zur Produktion von Müller-Reis, Müller-Milch und sonstigen kulinarischen Leckereien verwendet.

Auch ich wollte mich bei schönstem Wetter an duftenden Blüten ergötzen - aber meine Neugier siegte. Also hin zum Greenpeace-Stand und nachgefragt, was man denn unter "Gen-Milch" zu verstehen habe. Ich dachte an Wachstumshormone und geklonte Kühe. Aber nein, eine wackere Greenpeacerin erklärte mir, dass die Firma Müller Milch von Bauern beziehe, die ihre Kühe mit gentechnisch veränderten Pflanzen füttern. Und da Herr Müller nicht bereit sei, dies zu unterlassen, sei er nun Ziel der Greenpeace-Kampagne gegen den Anbau von Bt-Mais und ähnlich gefährlichem Grünzeugs geworden.

Wieso dann "Gen-Milch" insistierte ich? Hatte man denn Gene aus den gentechnisch veränderten Pflanzen in der Milch gefunden? Das wäre ja was ganz Neues! Meine journalistische Neugier konnte die Dame allerdings nicht befriedigen. Nein, von entsprechenden Untersuchungen wisse sie nichts, ich könne aber gerne den Greenpeace-Experten in Sachen Gentechnik in Hamburg anrufen, seine Telefonnummer hätte sie im Kopf, der würde mir sicher gerne alles erklären. Was mich einigermaßen aufregte, denn mir erschien ad hoc die ganze Kampagne an den Haaren herbeigezogen. Aber, ach - Urlaub, Sonne, Italien winkten - ich verschob die Angelegenheit erst mal auf später.

Doch just während ich dem Dolce Vita frönte, verkündete Greenpeace plötzlich laut und heftig eine lange geheim gehaltene Studie entdeckt zu haben, die genau dies bestätige: dass DNA aus gentechnisch veränderten Pflanzen in der Milch von Kühen gefunden worden sei, die mit eben diesen Pflanzen gefüttert wurden.

Zurück in Neu-Ulm, also sofort ran an die Recherche: Gibt es tatsächlich "Gen-Milch", ist das alles Quatsch, oder was? Tatsächlich existiert die von Greenpeace zitierte Studie. Sie wurde am Lehrstuhl für Physiologie der Technischen Universität Weihenstephan durchgeführt und an die Landesvereinigung Milch Hessen e.V. weitergegeben. Das war vor über drei Jahren! Und mit diesem Papier sah sich die Umweltorganisation voll bestätigt.

Professor Ralf Einspanier allerdings, der damals die Untersuchung machte und heute am Institut für Veterinär-Biochemie der FU Berlin arbeitet, sieht das ganz anders. Zwar habe man DNA-Spuren von Bt-Mais in der Milch gefunden. Doch da man die Milchproben nicht selbst genommen habe, sei nicht klar gewesen, wie die DNA in die Milch gekommen sei. "Es passiert leicht, dass Futtermittelstaub in die Milch gerät - das war in diesem Fall nicht auszuschließen", erklärte der Forscher den Zeitungen. Und von wegen Geheimhaltung - da sie die Proben nicht selbst genommen hatten, konnten die Forscher natürlich auch über deren Urprung nicht sicher sein. Eine Publikation der Ergebnisse kam daher natürlich nicht in Frage.

Das alles wurde Greenpeace auch mitgeteilt, berichtet Professor Heinrich Meyer, der heute das Institut in Weihenstephan leitet. Außerdem präsentierte er einige andere Studien, die allesamt keinen Hinweis auf die Übertragung genetischen Materials vom Futter in die Milch liefern konnten. Auch Bt-Protein wurde in der Milch nicht entdeckt. Doch die Organisation kümmerte das nicht! Noch während des Presserummels ging Müller vor Gericht. Mit Erfolg. Greenpeace darf mit Schlagworten wie "Gen-Milch" und "muell-milch" nicht mehr gegen Müller-Milch agitieren.

Eine Nichtregierungsorganisation muss Themen bis zur Schmerzgrenze zuspitzen - verständlich. Dennoch kann es nicht angehen, dass wissenschaftliche Ergebnisse ignoriert und die Verbraucher auf diese Weise bewusst in die Irre geführt werden. Genau das aber tun die Kampaigner, wenn sie mit dem Slogan "Gen-Milch" argumentieren. Und dabei sind sie ziemlich erfolgreich. Auf der Burg standen an ihrem Stand mit dem "Muh-Mobil" - einem zu einer Kuh umgebauten Auto - nicht weniger Menschen herum als am Zwinger, wo der Nachwuchs ratz-fatz johlend in den Burggraben rutschte und die Eltern entspannt in das Panoroma genossen.

Weitere Informationen auf der Homepage von Heinrich Meyer: http://www.weihenstephan.de/fml/physio/sonstig/Mitteilung



Letzte Änderungen: 01.07.2004